Sonntag, 6. Januar 2013

Volker Koop - Martin Bormann. Hitlers Vollstrecker

Vor ein paar Monaten erzählte mir ein Kollege meiner Stadtführungen eine Anekdote aus der Abteilung "skurrile Fragen des Alltags". Er führte eine Gruppe von Australiern durch das Memorium Nürnberger Prozesse, als ihn am Ende einer der betagteren Herren fragte: "So, tell me, who's your favourite Nazi?" Erstaunlicherweise reagieren wir Stadtführer bei dieser Anekdote alle gleich: nach einem kurzen innerlichen Zurückzucken versuchen wir tatsächlich, eine Antwort zu finden. Wobei, wie es mein Kollege formuliert hat, man kaum einen Liebling darunter hat - aber wenn man sich schon mit ihnen beschäftigen muss, dann entwickelt da jeder sehr individuelle Vorlieben. Bei einer Freundin ist es eindeutig Göring, denn, wie sie selbst sagt, "ein Morphinist, von dem die eigene Mutter sagt, er wird entweder Verbrecher oder etwas ganz Großes, der mit 16 Wagen vorfährt, um sich verhaften zu lassen - das ist so absurd, dass man es sich nicht ausdenken kann". Für mich selbst habe ich eine andere Richtugn festgestellt, ich bin vor allem interessiert an dem, was Hannah Arendt mal die Banalität des Bösen genannt hat. Ich interessiere mich für die Schreibtischtäter, die Männer irgendwo im Schatten. Eichmann und Höss, aber eben bis zu einem gewissen Grad auch Martin Bormann. Der Sekretär Hitlers, der von vielen als die graue Eminenz gehandelt wird, so auch von Volker Koop.

Und da sind wir ein bisschen beim Problem, das ich mit dem Buch während des Lesens immer mehr hatte. Koop versucht sich hier weniger an einer Biographie, sondern er will Seite für Seite seine These belegen von Bormann als Vollstrecker Hitlers und als einflussreichsten Nazi überhaupt. Deshalb ist das Buch wenig chronologisch aufgebaut, sondern die einzelnen Kapitel ab 1933 sind quasi jeweils thematisch sortiert und decken innerhalb des Themas die Jahre 1933 bis 1945 ab. Das kann man so machen, wird für mich aber beim Lesen unheimlich ermüdend. Das liegt vor allem daran, dass Koop sich ein wenig zu sehr verzettelt in seinem Wunsch, um jeden Preis etwas zu finden, womit er seine These belegen kann. So ist ein großer Teil des Buches eine Aneinanderreihung von Zitaten aus Originalquellen, bei denen ich jedoch teilweise nicht nachvollziehen konnte, warum sie ausgewählt wurden, einfach weil sie relativ wenig inhaltliche Relevanz haben oder, in vielen Fällen, nur bereits belegtes noch einmal und noch einmal belegen sollen. Dazu kommt, dass Koop zwar selbst erklärt, dass z.B. "Hitlers Tischgespräche" als Quelle in der Wissenschaft stark umstritten sind, erklärt dann aber genau diese zu einem Hauptwerk, aus dem er seine Belege entnimmt.Dazu kommt, dass er trotz aller Belege nur ein sehr grobes Bild von Bormann zu entwerfen vermag, das Bormann zum großen Schattenmann stilisiert - auch hier wieder nicht zuletzt dank der verwendeten Quellen, allen voran Albert Speer und Aussagen während des Hauptkriegsverbrecherprozesses gegen Bormann, wobei Speer selbst es ziemlich gut geschafft hat, seine eigenen Verstrickungen in den Natiionalsozialismus unter den Teppich zu kehren und Schuld in alle anderen Richtungen zu weisen. Ich hätte mir ein bisschen mehr Quellenkritik gewünscht, ein enig mehr allgemeine Informationen (z.B. über Bormanns frühe Jahre, das wird innheralb weniger Seiten abgehandelt), etc. as Buch ist nicht bodenlos schlecht, aber keine sonderlich gut zu lesende Biographie, die Fragen beantwortet.



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