"Hamlet, Hamlet, Hamlet... Das war doch der Irre mit dem Totenkopf, oder?" So fasste mein Mann Shakespeares Drama zusammen, als ich erzählte, dass ich mich derzeit an einem Roman über Hamlet versuche. Und ich glaube, eine ähnliche Charakterisierung könnte Hamlet auch von John Updike erhalten, wenn man ihn fragt. "Gertrude und Claudius" beschäftigt sich nicht mit dem üblichen Hamlet-Stoff, sondern mit der Vorgeschichte. Wie kommt es eigentlich zu diesem von Hamlet als so schweren Betrug empfundenen Ehebruch?
Ja, wie eigentlicht? Gertrude ist ein junges Mädchen, als sie - ganz wie es sich gehört - mit einem passenden Ehemann vermählt wird, der allerdings all das verkörpert, was sie nicht einmal im Ansatz haben will. In einer unglücklichen Ehe gefangen, mit einem Sohn, zu dem sie keinen Zugang findet - und der einfach irgendwann gen Wittenberg abhaut, um der kühlen Atmosphäre am Hof zu entgehen - ist ihr Schwager der einzige Mann, der ihr einigermaßen Paroli bieten kann. Letzlich landen die beiden im Bett und alles wäre gut, wenn ihr Ehemann sich nicht plötzlich in der Rolle des gehörnten Zürnenden sehr wohl fühlen würde. Damit könnte man noch leben, doch als er seinem Haushofmeister, der den ganzen Betrug mit eingefädelt hat, droht ihn einen Kopf kürzer zu machen, ist für die Männer der Geschichte eins klar: Der König muss sterben. Und weil Prinz Hamlet in seiner Selbstbezogenheit immer noch nichts dran liegt, das beschauliche Wittenberg zu verlassen, wird halt der neue Ehemann sein königlicher Stellvertreter...
Ich fand es zum einen sehr lustig, wie Updike mit dieser alten Geschichte umgeht. Zum anderen war es aber vor allem faszinierend, dass er dafür die Quellen, aus denen Shakespeare seinen Stoff übernommen hat, nochmal liest und auswertet - und mit einem Mal die Figuren ganz neue Charakterzüge tragen. Caludius und Gertrud geben ein herrliches Liebespaar ab, das ja gern wollen würde aber dürfen haben sie sich halt nicht getraut, bis irgendwann das Verhängnis seinen Lauf nimmt. Updike konzentriert sich in der Geschichte auf ein Paar, das man bislang nur als den gegenpart, als die Verführte und den Fiesling oder den Fiesling und die Intrigantin kannte. Nur Hamlet - der ist immer noch der Irre mit dem Totenschädel geblieben, der letztendlich alle ins Unglück stürzt. Das ist, ohne despektierlich zu klingen, ein bisschen wie eine absurde Mischung aus Shakespeare und Daily Soap, und genau das macht das Buch eignetlich so schön: anspruchsvolle Literatur und Literaturbewältigung, gepaar mit einer sehr leichten Schreibweise, in der selbst mittelalterlicher Sprachduktus völlig normal klingt.
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