Montag, 29. Juni 2015

[Buchgedanken] Josef Kraus - Helikoptereltern. Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung

Jeder Lehrer kennt sie - die Eltern, die beim Elternabend aufstehen und diskutieren wollen. darüber, wieviele Salatblätter auf den Pausenbrötchen liegen, darüber, wie viele Vokabeln die neue Spanischlehrerin aufgibt, dass die Schule ergonomische Schulbänge einführen muss, dass die Jolanda und der Henri viel besser lernen könnten, wenn sie während des Untrrrichts über ihren Ipad klassische Musdik genießen dürften, und und und. Nicht nur Lehrer kennen sie. Auch Erzieher werden bereits von Eltern auf die besonderen Fähigkeiten des Windelträgers hingewiesen, und selbst an Universitäten gibt es inzwischen Elternwochen, damit die Eltern sich selbst von der Vollwertigkeit der Uni-Mensa überzeugen können. Wenn so eine Person auftritt, dann ist klar: ein Helikopter brummt hier um den Nachwuchs, darum bemüht, das Kidn mit den bestmöglichen Vorteilen zu versehen, um es bestmöglich in den Arbeitsmarkt zu überführen. Genau diese Eltern, nach kraus Einschätzunh etwa 10% der Eltern, sind es, die aber den Alltag für ihre Kinder immer schwerer machen. Die nicht mehr einfach nur erziehen, sondern Kompetenzen fördern und Angst haben, durch nicht-angenommene Maßnahmen das Leben ihres Sprösslings eindeutig zu verbauen. Also rein mit Kindern ins Frühkopfrechnen für Zweijährige, Chinesisch mit drei und Musikfrüherziehung bereits im Mutterleib ...

Ich habe dieses Buch neulich in einer Nachmittagsstunde angefangen, weil ich einen Vortrag von kraus gehört hatte und mal wissen wollte, was er denn jetzt so empfiehlt oder analysiert. Der Vortrag bestand aus netten Anekdoten und Forderungen an Eltern, Kinder Kinder sein zu lassen und autoritativ zu erziehen. Wer von dem Buch mehr erwartet, sei jetzt gewarnt: es ist nicht mehr. Kraus ist gut darin, Probleme aufzuzeigen, letztlich hat er hier aber nichts geschrieben als 200 Seiten "Früher war alles besser". Es findet keien wirkliche Analyse statt, er setzt einem permanent Quellen vor - dabei ist es einerlei, ob halb-lustige Witze wie die "Wir Kinder der 19xx-Jahre"-Dinger, die ständig auf facebook geteilt werden oder wissenschaftlich-pädagogische Werke - aber er unternimmt nicht einmal im Ansatz den Schritt dazu, mehr als nur Thesen aufzustellen. Und das ist schade, denn eine muntere Abrechnung mit bestimmten Eltern - die kann ich auch allein vornehmen. Anekdoten zu erzählen habe ich auch mit weniger Schulerfahrung, aber veröffentliche ich sie? Nein, weil ich finde, dass ein "Hört auf zu fördern und zu verwöhnen" wenig Substanz hat. Genau das fehlt dem Buch aber extrem - substanzielle Beiträge zur Sachfrage.

[Buchgedanken] Jeff Guinn - The Last Gunfight. The Real Shootout at the O.K.Corral - And How It Changed The American West

Wir alle kennen diese Szene aus diversen Western. Der oder die Bösewichter am einen Ende der Straße, der Sherriff oder wer auch immer auf der Seite der Guten steht, auf der gegenüberliegenden Seite. Vorbeiwirbelnde Tumbleweeds, angespannte Gesichter, und dann - wer schneller zieht, gewinnt! Allerdings - diese Shootouts hat es im so wilden, wilden Westen eigentlich kaum gegeben. Dennoch haben sie unser Bild geprägt, was vor allem an einem Shootout liegt, das bis heute DER Prototyp ist für Ablauf und Beteiligte. Die Rede ist vom legendären O.K.Corrall Shootout, bei dem Marshall Wyatt Earp, seine Brüder Virgil und Morgan und sein alter Kumpel Doc Hollidayinnerhalb kürzester Zeit drei Männer erschießen und, nach einem Attentat auf Morgan und Virgil kurze Zeit später, zu einem Vendetta-Ritt aufbrechen. Diese Szene prägt bis heute unsere Vorstellungen, nicht zuletzt, weil seit den 1910er-Jahren kontinuierlich am Mytos "o.K.Corrall" gestrickt wird ....

Jeff Guinn kenne ich als Autor einer tollen Biografie über Bonnie und Clyde, die ich hier schon vor einiger Zeit besprochen habe. Seit zwei Jahren liegt hier im Regal auch "The Last Gunfight" rum und ich beschäftige mich immer mal wieder für ein paar Seiten damit. Dieses Wochenende habe ich es dann aber auch geschafft, es mal auszulesen und meine Meinung dazu irgendwie in Worte zu fassen.

Das Buch ist anders, als man denken würde. Wer erwartet, ein Western-Buch serviert zu bekommen, der wird sich angesichts der Tatsache, dass der Shootout erst im letzten Drittel überhaupt geschildert wird, bereits sehr verloren fühlen. Das Buch ist irrsinnig ausführlich in der Frage nach den Hintergründen dieser Schießerei, die - so weit Guinns Diagnose - nichts anderes ist als eine fast schon logische Schlussfolgerung aus den Ereignissen der Tage vor der Schießerei, die dazu geführt haben, dass die beiden Parteien sich so misstrauisch gegenüber stehen, dass die kleinste Bewegung ausreicht, um die Situation eskalieren zu lassen. Dementsprechend versucht Guinn, diese Vorgeschichte genau zu analysieren, lässt jede Menge Erinnerungszeugen zu Worte kommen und spricht allgemein über das Leben in den Frontier-Städten um 1880. Tombstone, der Ort der Schießerei, ist eine Boom-Stadt, die ihre besten Tage effektiv schon hinter sich hat und in der sich, wie so oft, Spieler und Prostituierte angesiedelt haben, die immer mehr Cowboys anlocken. Dieser Hexenkessel aus Leuten, denen der Finger schnell am Abzug sitzt, soll ruhig gehalten werden durch städtische Verordnungen, die eher noch Öl ins Feuer gießen. Virgil Earp ist als Polizeichef der Stadt dazu verpflichtet, sie durchzusetzen, auch gegen Betrunkene und diejenigen, die sowieso schon einen Hass auf die Polizei haben. Wenn dann noch ausgerechnet Doc Holliday, der dank seiner begrenzten Tuberkulose-Lebensaussichten sowieso schon zum Draufgängertum neigt, sich hündisch in den Dienst seines besten Freundes Wyatt Earp stellt, dann kann dieses Pulverfass nur explodieren.

Sehr detailliert schlüsselt Guinn dann auch die dreißig Sekunden auf, die die Schießerei letztlich nur dauern sollte, belegt mti Aussagen aus dem anschließenden Prozess und Lebenserinnerungen von Nicht-Beteiligten. Die Widersprüche, die bis heute existieren,w erden von ihm genauso aufgezeigt wie die eindeutigen Unwahrheiten, die man späteren literarsicehn und filmischen Aufarbeitungen zu verdanken hat. Er geht mit jedem der Beteiligten ins Gericht, stellt sich auf keine Seite und zeigt am Ende auch, wie die Legendenbildung dieser Schießerei von beiden Seiten finanziell genutzt wurde. Insgesamt ein wirklich gutes Buch - allerdings braucht man ein extrem gutes Lexikon dafür, es ist bisher nur auf Englsich erhältlich und viele der Fachbegriffe muss man sich erstmal zu eigen machen.

Sonntag, 28. Juni 2015

[Buchgedanken] Peter Prange - Die Philosophin

Paris in den 1750er Jahren. Die junge Sophie arbeitet als Kellnerin im "Procope", einem der zentralen Cafés, in denen die Philosophen Frankreichs ihre radikalen Ideen diskutieren. Hier trifft sie zum ersten Mal einen Mann, der fortan ihr Leben bestimmen wird: Denis Diderot. Der ständig klamme Bewunderer der Schokolade hat einen Plan, der ihn entweder direkt ins Gefängnis oder in die Geschichtsbücher bringen wird: er will eine Enzyklopädie herausgeben, das Wissen der Welt gesammelt in Büchern, geschrieben von den führenden Gelehrten und ganz dem Geist der Aufklärung verpflichtet. Bereits der erste Band gerät zu einem Skandal, der Zensur immer einen Schritt voraus zu sein, ist fortan Diderots Hauptaufgabe. Und dennoch gelingt es ihm gemeinsam mit Sophie die Aufgabe nie völlig zu verlieren ...

Hach, was stand das Buch bei mir lange im Schrank rum. Gestern hatte ich aber extreme Lust auf historischen Roman und das hab Buch in einem Rutsch runtergelesen. Ich hatte aber von Anfang an ein Problem damit, nämlich dass trotz allem Namedropping und trotz der jeweils einen Zeitraum einleitenden "Paris, der Krake"-Kapitel nicht so wirklich die Zeit für mich lebendig wurde. Es war so klischeehaft versatzstückig, z.B. bereits am Anfang der Hexenprozess wie aus dem Lehrbuch ... da hat irgendwas gefehlt, was vielleicht mal zeigt, dass man nicht nur aus Sekundarquellen abschreibt.

Mehr gestört hat mich dann aber nach einiger Zeit die Frage, warum Prange ausgerechnet Sophie Volland zur Heldin seines Romans macht und dann aber nicht die Spur der echten Sophie in ihr unterbringt. Ich mach es ja ganz gerne, dass ich parallel zum Lesen mal bei Wikipedia zumindest grob nachschaue, was es mit den Personen so auf sich hat - und irgendwie finde ich schon absurd, einen Roman um eine Frau zu schreiben, die es wirklich in sich hat und deren Leben auch so spannend ist, nur um deren Leben nicht nur hier und da zu verändern, sondern effektiv eine komplett andere Person draus zu machen, dann aber im Nachwort so zu tun, als hätte man das getan, weil ja schließlich so wenig über die Frau bekannt sei ... Ähm, irgendwie ist die Ausrede nicht sonderlich stichhaltig. Geschichte sollte für einen Autor historischer Romane mehr sein als ein Selbstbedienungsladen, bei dem man sich munter aus den Regalen pickt, worauf man grade Lust hat. Geht es nicht eigentlich darum, dem Leser eine Zeit und Figuren vor den Augen lebendig werden zu lassen?

Abgesehen davon ist das Buch als historischer Roman echt okay. Es liest sich leicht, selbst in den philosophischen Anrissen, es ist doch ganz spannend und die Philosophen sind schon ganz nett geschildert. Alles in allem also keine riesige Enttäuschung, durchaus lesenswert, aber sicher nicht mein Liebling in diesem Jahr.

Freitag, 26. Juni 2015

[Buchgedanken] Roald Dahl - Hexen hexen

Hexen sind real, sie existieren überall auf der Welt - aber mit den biestigen, buckeligen Katzenbesitzerinnen auf Besen, die wir aus Märchen kennen, haben sie nichts zu tun. Hexen sind geschickt getarnt, um ihr Ziel zu verfolgen, Kinder vom Erdboden zu tilgen, und dabei gehen sie mit präsizer Zauberkraft vor. Das merkt auch der kleine Luke, der versehentlich in den Jahreskongress der Hexen gerät und sich schnell in eine Maus verwandelt wiederfindet. Aber gemeinsam mit seiner findigen Oma versucht er, den Hexen das Handwerk zu legen ...

Das Buch war in meiner sechsten Klasse Klassenlektüre und kam bei den Kindern trotz allem ziemlich gut an. Man glaubt gar nicht, wie eine Horde pubertärer Kindsköpfe dann doch mitfiebern können bei einem ziemlich archaischen Humor, den Roald Dahl in seinen Kinderbüchern an den Tag legt. Die Ausgangsbasis der Geschichte ist schon fast typisch, den Leser einfach eine eher skurrile Grundidee vor Augen führen - die Tatsache, dass es Hexen gibt, und dass die Eltern auf verzauberte Kinder zumindest in Norwegen ja doch irgendwie ruhig reagieren - und dann rein in ein rasant erzähltes Abenteuer. Für Kinder ein totales Vergnügen.

Für mich als erwachsener Leser war es das nicht mehr ganz so sehr. Ich kenne Dahl als Autor von Erwachsenen-Literatur und ich liebe ihn für seine Wortspielereien und seinen Sarkasmus. Der wirkt auf mich in der deutschen Übersetzung aber sehr weichgespült, allen voran ging mir dieser Sprachfehler der Oberhexe gewaltig auf den Senkel. Hier hätte ich mir vielelicht ein bisschen subtilere Übersetzungskünste gewünscht, die sind auch für Kinder tragbar, Ehrenwort! Was mir gefallen hat, ist der Spaß, den man beim Lesen schnell entwickelt, auch wenn mir persönlich die Szenen immer viel zu kurz ausgestaltet sind - aber für Kinder hat es genau die richtige Länge. Zwischen zehn und zwölf ist ein gutes Lesealter, die werden ihren Spaß damit haben und das ist die Hauptsache! :-)

Mittwoch, 24. Juni 2015

[Buchgedanken] Alan Bradley - Vorhang auf für eine Leiche

 Wieder einmal sind die de Luces nahe am finanziellen Ruin, als Flavias Vater einen geradezu genialen Einfall hat. Für eine Filmproduktion wird der Familiensitz Buckshaw kurzerhand vermietet, und so fallen schon bald jede Menge Schaulustige ein. Denn niemand anders als die berühmte Phyllis Wyvern wird die Hauptrolle spielen. Doch dann überschlagen sich wieder einmal die Ereignisse.Denn in der Nacht eines karitativen Schauspiels stolpert Flavia über eine Leiche - und ausgerechnet jetzt ist der Herrensitz durch einen Schneesturm fast von der Außenwelt abgeschnitten. Eins ist klar, der Täter muss unter den zahlreichen Gästen lauern - und so beginnt Flavia, zu ermitteln ....

Mit diesem Buch war ich ehrlich gesagt nicht ganz zufrieden. Er war sehr nett, nette Fünfziger-Jahre-Atmosphäre, nette Who-done-it-Geschichte - aber eben auch nicht mehr. Stattdessen gab es diesmal, im Vergleich zu den anderen Büchern, für meinen Geschmack zu viele angedeutete Spuren, die nciht weiter verfolgt werden, sondern einfach direkt nach Auftauchen schon wieder verpuffen, und einen ziemlich unrealistischen Showdon auf dem Dach. Überhaupt war diese ganze Weihnachtsmann-Jagd von Flavia ziemlich durchsichtig, bereits von der ersten Sekunde an war mir klar, wie das dann zwnagsläufig enden muss. Ähnliches gilt für die völlig sinnfreie Ausmessung der Balkonszene aus "Romeo und Julia". Diese zehn bis 15 Minuten Zeitunterschied bei der Mordzeit machen effektiv nichts aus, sondern das dient nur dazu, die seltene Ausgabe zu finden ... Auch wäre es nett, zumindest den Namen von Niallas Baby zu erfahren, wenn es schon genau dann zur Welt kommt, oder nicht?

Alles in allem ist das ein besserer Agatha Christie, was die Auflösung und wenig offensichtlichen Spuren betrifft. Es ist eine charmante Krimikomödie, aber nicht der beste Teil der Serie. Von daher: nicht unwichtig zu lesen, wenn man der Serie folgen will, aber als Einzelbuch kann man es auch unter den Tisch fallen lassen.


Montag, 22. Juni 2015

[Buchgedanken] Valerie Mendes - Die Schwestern von Larkswood

London, 1939. Als die junge Louisa an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt, wird sie von ihren Eltern aufs Land zu ihrem Großvater geschickt. Dieser ist erst vor kurzem aus Indien zurückgekehrt und wohnt wieder im alten Familiensitz in Larkswood. Angesichts des drohenden Krieges nicht die schlechteste aller Ideen. Do schon bald hat Louisa das Gefühl, dass die Erinnerungen von Larkswood getrübt sind - was ist vorgefallen, asl Großvater Edward vor Jahrzehnten so urplötzlich nach Indien verschwand? Gemeinsam mit dem Gärtner Thomas begibt sie sich auf die Suche ins Jahr 1897 ...

Oh Mann, ich hatte es vermutet, dass sich hinter dem opulenten Äußeren eine doch eher seichte Geschichte verbirgt. Aber gleich so seicht???  Also ernsthaft, wenn selbst mir bereits nach zwanzig Seiten klar war, worauf das alles hinauslaufen wird, dann will das etwas heißen. An diesem Buch konnte mich einfach so nichts überraschen, was einerseits dem vorhersehbaren Ablauf der Geschichte, andererseits dem ziemlich belanglosen Schreibstil geschuldet ist. ich habe selten so wenig mit Figuren mitgelitten und mitgefiebert, weil sie sich so eindimensional gezeigt haben. Allen voran Louisas Mutter und Schwester, die sowas von flache Abziehbilder sind - es macht keinerlei Spaß, sich auf sie einzulassen.

Noch schlimnmer als papierne Dialoge und flache Figuren war allerdings für mich die schier unerschöpfliche Menge an Zufällen, die Frau Mendes hier verarbeitet. Jeder Konflikt des Buches wird am Ende aufgelöst, wirklich jeder. Alle haben sich halt doch ganz doll lieb und sitzen vereint um das Radiogerät - es ist zum Brechreiz-Kriegen. Dabei wird nicht davor halt gemacht, Figuren per deus ex machina zurückzuholen (ich sag nur Stichwort "William"). Da wird selbst bescheuerte "oho, ein Muttermal"-Theorie bedient und löst dann nicht einmal ein Stirnrunzeln hervor. Es ist schlimmer als in einem Krimi, wenn der Bösewicht dem Detektiv weinend alles und noch mehr gestellt, kaum, dass er ihn erblickt hat. Ehrlich, um das Buch hätte man auch einen Bogen machen können. Was soll's - ich sehe es sportlich, wieder 400 Seiten merh in diesem Monat ...

Sonntag, 21. Juni 2015

[Buchgedanken] Götz Gercke - Aaron Grünblatt und der blinde Passagier aus Madras

Aaron Grünblatt ist frisch in Rente, und wie so jeder Rentner hat er leichte Probleme damit, seine viele freie Zeit zu nutzen. Als er auf Geheiß seiner Frau den Dachboden aufräumt, findet in einer Truhe seine alte Comicsammlung und liest sich an "Tim und Struppi" fest. Und so findet er seine Aufgabe: Eine Reise zum Mond. Mit allen vorhandenen Materialien aus dem Keller bastelt er eine Rakete, fliegt zum Mond und steht gleich vor dem nächsten Problem - wohin mit dem Mondstaub unter seinen Schuhsohlen? Na klar, in den Marianengraben, da kann er nicht gefährlich werden und die Erde kontaminieren. Also schraubt er aus Regentonnen und ausrangierten Elektroteilen ein Uboot zusammen, in dem er sich aufmacht, den Marianengraben zu erkunden - und finden an Bord plötzlich Sabbat, einen indischen Fakir aus Madras, der sich als blinder Passagier eingeschlichen hat. Der hat nämlich eine Schatzkarte, die einen riesigen Piratenschatz in Papua-Neuguinea in Aussicht gestellt wird. Und da könnte man doch eine Abstecher - Alles klar. Also nehmen die beiden Fahrt auf, legen sich mit Riesenkraken, menschenfressenden Eingeborenen und der Tiefsee an und gehen auf eine Reise, die selbst Baron Münchhausen in seine Schranken weisen ....

Ich war selten bei einem Buch beim Kauf so überzeugt, dass ich es lieben werde, um dann beim Lesen immer mehr ein extrem unangenehmes Gefühl zu bekommen. Die ersten Seiten lesen sich irgendwie noch ganz locker-flockig. Komplett an den Haaren herbeigezogene Einfälle kombiniert mit einem so selbstbewussten Erzähler, dass der die Leser für vollständig bescheuert hält und ihnen das auch so mitteilt. Aber je länger ich gelesen habe, desto mehr hat sich das totgelaufen. Desto weniger angetan war ich von der Machart des Buches und desto mehr abgestoßen hat es mich zum Teil auch. Auf der Hälfte hatte ich einen ziemlichen Lesestopp und hab mich erst heute dazu aufraffen können, die restlichen 200 Seiten bei einer längeren Homtrainer-Session einfach runterzureißen. Viel mehr Spaß hatte ich dabei auch nicht, aber immerhin trainierte Beine ...

Woran liegt es jetzt, dieses unangenehme Gefühl? Da sind mehrere Dinge.

Zum einen der ziemlich auf den Keks gehende Schreibstil, der anfangs noch witzig klingt. Krude Vergleiche, dämliche Wortspiele und jede Menge Filmzitate, die irgendwann aber nur noch belanglos und gewollt wirken. Das war das, was mich am längsten aufgehalten hat. Viel schlimmer war für mich jedoch der immer stärker werdende Pennälerhumor, der sich da eingeschlichen hat und bei dem ich mir echt manchmal für blöd verkauft vorkam. Dass Aaron Grünblatt dem Druckausgleich in der Tiefsee dadurch entgegen kann, dass er viereinhalb Liter Wasser trinkt, dadurch seinen Körper aus 100% Wasser bestehen lässt und so nicht zerquetscht werden kann - das ist Münchhausiade pur. Aber warum zur Hölle dann diese extrem peinlichen, weil bemüht witzigen Exkursionen zu seiner Vorhaut und dem beinahe platzenden Penis? Sind wir echt wieder in der sechsten Klasse? Auf dem Niveau geht es leider ständig zu, das hab ich in der Schule schon oft genug, ich brauche es nicht noch in meinen Büchern.

Das dritte, was mir diesmal echt sauer aufgestoßen ist und womit ich mit Sicherheit als Spielverderber gelte - ich habe mit keinem einzigen Wort verstanden, warum die Figuren da jetzt ein indischer Fakir und ein jüdischstämmiger Rentner sein müssen. Irgendwie dienen diese Hintergründe nur noch mehr für dämliche Witze und grade die Darstellung des Inders ist ... nee, nicht einfach nur ein Klischee. Effektiv übernimmt er nichts anderes als die Rolle des Freitag für Robinson Crusoe, und während er eigentlich ja was auf dem Kasten hat, wird das von Aaron in seiner Selbstherrlichkeit komplett negiert. Das könnte lustig sein, wirkt aber trotzdem wie ein Stammtischler, der einen latent rassistischen Witz nach dem anderen erzählt, sich dabei auf die Schenkel klopft und jedem, der das nicht witzig findet, vorwirft, er hätte halt keinen Humor. Und das ist so irgendwie gar nicht mein Humor, so dass mir eher das Lachen im Hals stecken geblieben ist.

Das Buch ist keine Empfehlung von mir. Es ist auch kein Abraten. Ehrlich, ich weiß nicht genau, was ich damit machen würde ...

Samstag, 20. Juni 2015

[Buchgedanken] E.Annie Proulx - Das grüne Akkordeon

1890 fertigt ein italienischer Akkordeonbauer in kleines grünes Knopfakkordeon an, bevor er sich gemeinsam mit seinem Sohn auf ein Einwandererschiff nach New Orleans begibt. Dort angekommen, gerät er statt in den American Dream schon sehr bald unter die Räder. Ein schwarzer MIssissippi-Matrose nimmt das Akkordeon mit auf seinen Dampfer, es landet über Umwege bei deutschen Einwanderern, wird weiterverkauft und gestohlen, passiert Mexikaner und Polen - und bleibt dabei immer ein Zeuge der vielfältigen Versuche, im Neuen Land heimisch zu werden und an den musikalischen Traditionen festzuhalten ...

E.Annie Proulx macht es einem nicht leicht mit diesem Roman. Sätze, die zwar ein bisschen kürzer als bei Thomas Mann, dabei aber metaphern- und inhaltsreicher sind als bei jedem anderem Schriftsteller, kennzeichnen dieses Buch. Wenn man sich darauf aber einlässt, dann wird man mit einem Roman belohnt, der einen mitten hineinweift in den amerikanischen Schmelztiegel. Egal, welche Nation gerade im Mittelpunkt steht, das Akkordeon taucht immer wieder auf. Nebenbei erfährt man als Leser vermutlich mehr über HErstellung und Geschichte des Akkordeonbaus, als man jemals hat wissen wollen, und irgendwann schwirrt einem der Kopf vor lauter Fachbegriffen. Aber dann hat man wieder, ganz ohne es zu wollen, sofort Akkordeonmusik m Ohr. Seien es Tangoklänge oder Polkas, jede Geschichte hat ihren eigenen ihr innewohnenden Soundtrack, der mich als Leser mitgezogen hat. Es ist vielleicht gar nicht so verkehrt, im Hintergrund youtube laufen zu lassen, um noch tiefer hineingezogen zu werden.

Ich fand das Buch extrem sprachgewaltig und es fiel mir schwer am Balöl zu bleiben - Kunststück, mein Hirn ist grade angefüllt mit Zeugnisformulierungen und diversen privaten Sachen. Aber nichtsdestotriotz habe ich mich durchgekämpft. Nicht gequält, sondern gekämpft. Das Buch ist wie eine Bergbesteigung - man fflucht inenrlich, während man es liest, aber sobald man auf der letzten Seite angelangt ist, weiß man gar nicht mehr, warum es so schlimm gewesen sein soll. :-)

Dienstag, 16. Juni 2015

[Buchgedanken] Walter Moers - Wilde Reise durch die Nacht

Gustave Doré ist zwölf Jahre alt, als er die aufregendste Nacht seines Lebens verbringt. Alles beginnt damit, dass die Aventure, sein Schiff, den gefährlichen Zwillingstornados ausweichen muss und Gustave schon bald als einziger an Deck steht. Nicht ganz, denn ihm Gesellschaft leisten der Tod und seine Schwester Dementia, die ... nun ja, ein wenig durchgeknallt ist. Gustave möchte alles andere als sterben und geht deshalb mit dem Tod eine Wette ein. Innerhalb einer Nacht über die Erde und durch das Universum zu reisen, um gefährliche Aufgaben zu erfüllen. Jungfrauen vor Drachen zu retten, das allerschrecklichste Ungeheuer sehen, die Namen von sechs Riesen erraten, sich selbst begegnen ... der Tod ist nicht unbedingt neumodisch bei seinen Aufträgen, aber dafür um so hinterhältiger. Und so gerät Gustave von einem Abenteuer ins nächste und stolpert in seiner schimmernden Ritterrüstung über große Geheimnisse des Universums und kleine Absurditäten ...

Ich habe das Buch jetzt einfach mal eingeschoben, weil ich Lust auf eine kurze, schnelle und gut lesbare Lektüre hatte. Und was soll ich sagen? Ich bin absolut nicht enttäuscht worden. Die Geschichte ist extrem kurzweilig und, was ich besonders gelungen finde, hat einen hervorragenden Aufhänger. Gustave Doré ist nämlich eigentlich ein französischer Grafiker, der im 19. Jahrhundert sehr viele seiner Zeitgenossen illustriert hat. Genau diese Illustrationen verwendet Moers, um aus ihnen eine Geschichte zu basteln - und dabei mixt er wild zwischen den ursprünglichen Genres und schmeißt den Leser von einer unglaublichen Szenerie in die andere. Dieses Buch macht Spaß und hat blendend unterhalten. Und knapp über 200 Seiten kann man immer zwischenschieben ;-)

[Buchgedanken] Claudia Sewig - Bernhard Grzimec. Der Mann, der die Tiere liebte

Jeder, aber wirklich jeder kennt ihn - den Mann mit der Steinlaus. Dabei war es nur eine harmlose Parodie von Loriot, die Bernhard Grzimec so sehr überlebt hat, dass dahinter seine tatsächlichen Errungenschaften verblassen. Der Mann mit dem unschreibbaren Nachnamen war nicht nur der nette Fernsehonkel, dem die Affen, Faultiere oder Geparden über den Schreibtisch hüpften, sondern erwar vor allem ein unerschrockener Zoodirektor, einer der ersten Naturschützer in Deutschland lange vor den Grünen, ein streitbarer Geist, wenn es um die eigenen Belange ging - und der bislang einzige deutsche Gewinner des Oscars für einen Dokumentarfilm ...

Außerdem war er der Verrückte mit den Hühnern. Der ehemalige SS-Angehörige, der vermutlich so unpolitisch war wie ein Häschen. Der Mann, dessen Lieblingssohn ausgerechnet bei einem Filmdreh in Afrika verunglückt. Der Mann, der einige Jahre später seine ehemalige Schwiegertochter heiratet, die Ex-Frau zeit seines Lebens finanziell versorgt und seine Enkel adoptiert. Der Mann, der gegen Legebatterien und Pelzmäntel kämpfte und zur Rettung der Serengeti vermutlich mehr beitrug als sämtliche Politiker zusammen.

All diese Facetten hinter dem großväterlichen Äußeren versucht Claudia Selwig in ihrer Biografie zu beleuchten und recherchiert dafür zum Teil sehr viel gründlicher als es bislang der Fall war. Sie spricht mit Zeitzeugen und entwirft ein Bild eines hochspannenden Lebens, das immer geprägt ist von einer so unglaublichen Leidenschaft für Tiere, dass dem alles untergeordnet wird. Der Tierarzt Bernhard Grzimec ist als Zoodirektor für sehr viele Modernisierugnen und Neuerungen zuständig, die unser Verständnis vom Zoo heute prägen. Sei es die Tatsache, dass der Frankfurter Zoo erstmals eine eigene zoopädagogische Abteilung aufbaute, um Schülern den Lernort Zoo deutlicher zu machen. Sei es die Herausforderung, zwischen Tiererhaltung und Besucherwünschen zu vermitteln. Der Tierfilmer Bernhard Grzimec bringt Bilder ins deutsche Wohnzimmer, die - anders als Walt Disney - nicht auf Unterhaltung oder große Schau setzen (naja, zumindest nicht zum größten Teil), sondern den Zuschauern zeigen wollen, wer diese Tiere sind und warum es wichtig ist, dass sie leben. Und der Familienmensch Bernhard Grzimec scheitert zeit seines Lebens daran, dass er seine Prioritäten immer nur auf einzelne setzt und dabei die restliche Familie vernachlässigt - egal, ob es Ehefrau oder Adoptivsohn sind, die beide vor die Hunde gehen, während er das gar nciht wirklich mitzubekommen scheint.

Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch schon vor langem, seitdem steht es im Schrank. Aber seit vor kurzem in der ARD die wahnsinnig spannende Biografie "Grzimec" mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle lief, wollte ic das Buch dringend lesen. Es ist spannend, man erfährt jede Menge neue Dinge über ein so bekanntes Gesicht, und es ist imn Vergleich zu anderen Biografien auch so gut rcherchiert, dass man es beim Lesen merkt. Klare Empfehlung für alle, die mal wieder eine gute Biografie zur Hand nehmen wollen :-)

Samstag, 6. Juni 2015

[Buchgedanken] Camilla Läckberg - Die Engelmacherin

Das alte Schulhaus auf der Insel Välö hat endlich wieder Bewohner: die junge Ebba und ihr Mann wollen dort wieder zur Ruhe kommen, nachdem ihr Sohn verstorben ist. Ebba hat auf der Insel gewohnt, bis sie ein Jahr alt war, ihr Vater war der Direktor des Internats. Doch am Ostersonntag 1974 verschwanden bis auf Ebba alle Mitglieder der Familie spurlos und bis heute tappt die Polizei im Dunkeln. Doch dann findet Ebba beim Renovieren Blutspuren und auf sie werden Mordanschläge verübt - ist sie der Lösung des seltsamen Falles dicht auf der Spur?

Okay, das Buch musste dann einfach schnell noch sein, nachdem ich vom Vorgänger so enttäuscht war. Mit "Die Engelmacherin" bin ich schon wieder deutlich mehr zufrieden, hier hat es mir gefallen, wie Läckberg Gegenwart und Vergangenheit verknüpft. Zur Abwechslung erhält man wieder einmal mehr Einblick in die Gefühlswelt von Patriks Kollegen Gösta, der mir wahnsinnig Leid tut, und auch Kollege Martin muss jetzt ein Päckchen tragen, das ich lieber nicht weiter verfolgen wollen würde. Selbst Melberg hat einen Glanzauftritt, zu dem ich nur gratulieren kann, er wirkt fast schon sympathisch :-D 

Besonders interessant fand ich dieses Mal den historischen Kriminalfall, die Geschichte der kleinen Dagmar, deren Eltern Ende des 19.Jahrhunderts gehängt werden, nachdem sie als Engelmacher entlarvt werden. Dagmar, und später auch ihre Tochter, nehmen eine ziemlich interessante Wendung, wobei die Verbindung zur Gegenwart dann schon ein bisschen sehr kunstvoll zelebriert wird. Aber Glückwunsch zu dieser Endlösung mit Dagmar ;-)

Warum ich dann doch nicht so begeistert bin? Das liegt an zwei Gründen. Zum einen war mir Aufbau und Machart, sogar Endergebnis, zu sehr wie der Vorgänger, ein bisschen habe ich mich an Läckbergs Stil und Krimiideen überlesen diesen Monat. Noch weniger gefallen hat mir aber dieser gesamte Handlungsstrang rund um die vier Schüler des Internats, die damals nach einem Angelausflug die leere Schule vorfanden. Hier war mir irgendwie zu viel reingepackt, wenig war wirklich auserzählt oder glaubwürdig genug gestaltet - insbesondere die Auflösung - ich bin nicht warm geworden mit der gesamten Handlung. Vielleicht hätte ich einfach werten sollen, ich merke einfach, dass Läckberg nicht am Stück konsumiert werden sollte - so wie schwedische Marzipantorten ;-)

Donnerstag, 4. Juni 2015

[Buchgedanken] Camilla Läckberg - Der Leuchtturmwärter

In Fjällbacka überschalgens ich wieder einmal die Ereignisse. Während Stadtrat Erling darauf hinarbeitet, das alte Badehaus als Spa wiederzueröffnen, versuchen Erica und ihre Schwester Anna sich nach dem schweren Verkehrsunfall wieder zsuammenzuraufen, bei dem Anna ihr Kind verloren hat. Gleichzeitig kehrt eine alte Klassenkameradin von Erica zurück nach Graskär, eine dem Ort vorgelagerte Schäreninsel, und erhält dort Besuch von ihrem Jugendfreund Mats. Und nur einen tag später finden Mattes Eltern ihren Sohn erschossen in seiner Wohnung. Patrick und sein Team nehmen die Ermittlugnen auf, denn neiamnd kann sich vorstellen, wer den liebenwerten Matte ermordet haben könnte. Und welches Geheimnis verbirgt sich auf der Insel, von der es bei den Einwohnern Fjällbackas heißt, auf ihr würden die Toten nicht zur Ruhe kommen?

Ich bin schon vor einiger Zeit dazu übergegangen, die Läckberg-Bücher nicht in der richtigen Reihenfolge zu lesen, sondern so, wie sie mir gerade unter die Finger kommen. Diesen Band habe ich neulich bei Thalia reduziert als gebundene Ausgabe gefunden und mitgenommen. So ganz schlecht sind die Bücher ja nicht, ich mag die historischen Rückblenden ins alte Schweden ganz gerne, die immer mehr in den Büchern auftauchen. In diesem Band steht mal wieder Privatleben im Hause Falk-Hedström im Vordergrund und der Fall ist nur so ein bisschen drum herum. Genau das ist meiner Meinung nach auch ein riesiges Problem am Buch: es ist extrem vorhersehbar. Den Mörder habe ich zwar nicht direkt von der ersten Seite an erraten, doch etliche der angedeuteten Geheimnisse lagen effektiv so sonnenklar auf der Hand, dass man nicht lange kombinieren musste. Auch die Exkurser ins Jahr 1870 zu Emelie und Karl, dem Leuchtturmwärter, ist so etwas von simpel gestrickt und eindeutig, dass sie mich in erster Linie gelangweilt hat. Selbst da kommt nicht wirklich Spannung oder ein Eintauchen in die andere Zeit vor. Das Buch wirkt sehr schnell runtergeschrieben, ohne Überraschungen oder Variationen. Und das hat mich extrem gestört, irgendwie kam mir das alles so bekannt vor, so wenig neuartig - und sag mal, muss Erika am Ende eigentlich jedes Mal niedergeschlagen werden oder sonst irgendwie dem Mörder vor die Füße stolpern? Das hat mich dieses Mal tatsächlich extrem genervt :-(

Warum ich trotzdem weitergelesen habe? Es passt ganz gut, um wieder in den Lesefluss zu kommen. Es ist ein netter Krimi, von dem man nicht zu viel erwarten sollte.