Samstag, 13. September 2014

[Bedeutende literarische Ereignisse] Am Grab von Douglas Adams

Lieber Mr. Adams!


Ich wollte Ihnen ja immer mal Danke sagen.
Danke, dass Sie mit dem "Anhalter" ein Buch geschaffen haben, dass meinen Vater und mich zusammengebracht hat.
Danke für den Namen Trillian.
Danke, dass Sie mir gezeigt haben, wie wunderschön Manatees sind.
Danke für Ihre Inspiration.
Ich hab es nie gemacht.
Gab immer anderes zu tun als Ihnen zu schreiben.
2001 sind Sie gestorben.
Scheiße, ich unterrichte Kinder, die da nicht einmal auf der Welt waren.
Und dann stolpere ich im Urlaub per Zufall über Ihren Grabstein
Und dann wird mir klar, dass es das war.
Und dann stehe ich heulend auf dem Highgate Cementary.
Und dann sehe ich den kleinen blauen Daumen, den Ihnen jemand auf das Grab gelegt hat.
Und dann weiß ich, dass Sie da draußen mit einem Yangtse-Delphin durchs Weltall schwirren und ich wünsche mir, dass ein oder zwei Ihrer Moleküle in mir stecken.
Und dann sage ich es laut auf dem Friedhof.

DANKE!

Dieser Text ist tasächlich nach Jahrzehnte ein Versuch, mal wieder aktiv zu schreiben. Seht es mir nach. Es war ungelogen der bewegendste Moment seit langem, auf dem Friedhof zufällig zu sehen, dass der Lieblingsschriftsteller dort begraben liegt.

[Buchgedanken] Elke Schulze - Erich Ohser alias e.o.plauen. Ein deutsches Künstlerschicksal

Es gibt Autoren, deren Leben tritt so vollständig hinter ihren Werke zurück, dass man immer wieder überrascht davon ist, dass sie reale Personen waren. e.o.Plauen gehört mit Sicherheit zu diesen Personen, denn mal ehrlich, was weiß man über ihn? Mit viel Glück, dass der Erich Ohser aus Plauen kam und einen Sohn hatte - und da sind wir auch schon bei "Vater und Sohn" angekommen. Dabei ist das Leben dieses Mannes so was von verflucht ... kompliziert und spannend, dass es sich lohnt, sich damit näher zu beschäftigen.

Elke Schulze nimmt den Leser dieser sehr reich bebilderten Biografie mit in dieses Leben, allerdings - und das ist mein wesentlicher Kritikpunkt - streift sie dabei nur an der Oberfläche. Wir begleiten Erich kurz zur Schule, erfahren von seiner Entscheidung, Künstler werden zu wollen, und von den zwei Freundschaften, die sein Leben prägen werden: Erich Kästner, dessen Gedichtbände er zum Teil später illustriert, und Erich Knauf, einem Zeitungsredakteur, mit dem Ohser schließlich 1944 gemeinsam ins Gefängnis wandern sollte. Doch bis dahin liegt noch ein Weg, auf dem e.o.plauen alles mitnimmt, was möglich ist. Eine On-Off-Beziehung mit seiner großen Liebe Marigard, eine Künstlerin wie er, die nach der Machtübernahme die Familie alleine durchbringen musste, weil Ohser dank seiner politischen Karikaturen ein Berufsverbot erhalten hatte. Dann 1934 die Möglichkeit, unter Pseudonym Comic Strips zu veröffentlichen - und der Durchbruch mit "Vater und Sohn", zwei trotz aller NS-Anpassung des Künstlers so unpolitischen und unangepassten Figuren, dass man sie liebhaben muss. Die sogar Goebbels mit dem Karikaturisten versöhnen, der bald zum Erfolgsgaranten wird und einen Popularitätsaufschwung erlebt, dass er schließlich sogar wieder politische Karikaturen anfertigen darf. Und schließlich 1944 der Selbstmord unmittelbar vor dem Beginn eines Prozesses, weil der schwerhörige Ohser seinem Freund Erich wieder einmal zu laut politische Witze erzählt und diesmal die falschen Leute zuhören ... Dieses Leben wird in Zitaten, Faksimiledrucken und vor allem Fotografien ausgebreitet in einem überbordenden Bilderreigen, der zum Weiterlesen verführt, gepaart mit einfachen und gut recherchierten Kapiteln zu all diesen Stationen. Die Autorin schreibt einfach, klar und sachlich, ich habe mich jede Sekunde informiert und unterhalten gefühlt, wenn auch wie gesagt, sehr vieles nur an der Oberfläche blieb.

Ich hoffe, dass es bald mal eine richtig lange, gut aufbereitete Biografie über ihn gibt, für die dieses Buch eine gute Grundlage sein kann. Ich würde sie sofort kaufen!!

[Buchgedanken] Friedrich Dürrenmatt - Das Versprechen

1957 wurde der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt darum gebeten, das Drehbuch für einen Film zu entwickeln, der Sexualverbrechen an Kindern thematisieren sollte. Während der Arbeit am Film kam es jedoch immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Dürrenmatt, dem Regisseur und den Produzenten, und auch wenn er den Film am Ende nicht ablehnte, war es für Dürrenmatt keine wirklich befriedigende Aufgabe geworden. Ihn hätte vielmehr die Frage interessiert, ob ein Mörder denn tatsächlich allein durch clevere Polizeiarbeit gefasst werden kann oder ob nicht vielmehr der Zufall die Polizeiarbeit steuert. Um dieser Frage nachzugehen, schrieb er nach Ende der Drehbucharbeit den Roman "Das Versprechen", der die Handlung des Films als Ausgangslage nimmt, allerdings auch deutliche Änderungen aufweist, die er im Film nicht hatte durchsetzen können.

Den Inhalt kurz zusammenfassen kann ich fast gar nicht, denn dadurch würde die Qualität des Romans schon dadurch verloren gehen, dass man die Rahmenhandlung nicht würdigt. In ihr ist ein Schweizer Kriminalschriftsteller auf einer Tagung und lernt dort einen Kriminalkommissar kennen. Bei einem gemeinsamen Abendessen kommen die beiden ins Diskutieren über den Anspruch des Kriminalromans, eine Lösung zu präsentieren und die Leser zu unterhalten, der mit der Realität des Polizeialltags nichts zu tun hat. Um dies zu beweisen, nimmt der Polizist den Schriftsteller mit zu einer Tankstelle, die von einem ehemaligen Kollegen betrieben wird, und erzählt dessen Geschichte. Besagter Kommissar Matthäi ermittelte in einem Fall eines ermordeten Mädchens und gab den Eltern das Versprechen, den Mörder zu finden. Der schon bald festgenommene Hausierer, der sich im Gefängnis umbringt, ist nach Matthäis Überzeugung nicht der Täter und so ermittelt er privat weiter.

Ich habe das Buch wirklich in kurzer Zeit durchgehabt, denn Dürrenmatts Schreibweise kommt mir sehr entgegen: keine langen Worte, keine unnötigen Zwischenschritte, sondern sehr klare und präzises Aussagen mit messerscharfen Beobachtungen. "Das Versprechen" ist kein klassischer Kriminalroman, sehr früh steht fest, dass Matthäi scheitern wird, ja im Dienst der Geschichte einfach scheitern muss, und dennoch hofft man als Krimileser das Gegenteil. Ich finde sogar, dass das dann in der Rahmenhandlung präsentierte Ende fast noch gestrichen werden sollte, es kommt mir ein bisschen so vor, als wollte Dürrenmatt hier dem verwirrten Leser doch noch eine gewohnte Auflösung schenken - dabei ist doch das eigentlich Interessante am Buch, dass dies eben nicht so ist. Dass die Probleme der Polizei nicht die Verbrechen sind, sondern die Ungewissheit, den Verbrecher zu finden - und dass die größten Versprechen nichts nützen, wenn der Zufall sich dagegen wendet. Matthäi ist jemand, der dieses Prinzip nicht wahrhaben will und daran zugrunde geht, ein verbissener Jäger, der seine Beute nicht loslassen will und dafür im Notfall über Leichen geht. Eigentlich ein Unsympath, und dennoch empfindet man für ihn Mitleid - es ist nicht seine Entscheidung, so zu werden, es ist das Verprechen, das er halten will und nicht halten kann. Bei seiner Seligkeit schwört er der Mutter des toten Mädchens, den Mörder zu fassen, und genau die riskiert er auch mit seiner jahrelangen Suche.

Ein deprimierendes Buch? Ja. Aber trotzdem ein Buch, das es auf die "Zum Glück endlich gelesen"-Liste schaffte.