Samstag, 28. Dezember 2013

[Rezension] Jussi Adler Olsen - Erwartung

Marco ist um die vierzehn Jahre alt und schlau. Viel zu schlau für die Bande von Taschendieben und Einbrechern, der er seit seiner Kindheit angehört. Als er endlich die Chance zur Flucht nutzt, ist es fast zu spät, doch er schafft es, seinen Verfolgern zu entkommen. Dabei stolpert er jedoch über eine verwesende Leiche. Einige Zeit später hat sich Marko ein neues Leben aufgebaut und findet eine Vermisstenanzeige für einen verschwundenen Beamten. In ihm glaubt er die Leiche zu erkennen - und bevor er seinen nächsten Schritt planen kann, wird er von seinen Verfolgern entdeckt. Plötzlich scheint die ganze Welt hinter ihm her zu sein, denn Marko ist ohne es zu wollen in einen ausgeklügelten Plan gestolpert, in dem es um Unterschlagung von Entwicklungszuschüssen und andere krumme Geschäfte geht ...

Merkt ihr was? Man kann das gesamte Buch zusammenfassen, ohne ein einziges Mal die Ermittler des Sonderdezernats Q erwähnen zu müssen. Dabei haben wir hier Band 5 der Serie vorliegen und dieses Mal war ich während des Lesens einfach extrem enttäuscht. Mein Verdacht ist wirklich, dass Adler Olsen nicht eingefallen ist und er deshalb in einen existierenden Romanentwurf zu einem normalen Action-Thriller einfach gelegentlich eine Passage geschrieben hat, in der mal die Namen von Morck, Assad und Rose fallen. Effektiv tun die drei in diesem Fall mal so gar nichts - und das liegt nicht nur daran, dass sie dank eines Personalwechsels in der Chefetage plötzlich mit deutlich mehr Gegenwind zu rechnen haben als bisher. Zentrale Hauptfigur dieses Buchs ist eindeutig Marko, der aber trotz allem irgendwie merkwürdig glatt und bilderbuchmäßig die Rolle des geläuterten Jungen spielt, der ein neues Leben beginnen will. Aber gut, darüber könnte man noch hinwegsehen, wenn es für den Leser ein wenig Rätselmöglichkeiten gäbe und man selbst herausfinden könnte, warum die alle hinter ihm her sind. Doch Adler Olsen hat sich dafür entschieden, den Leser von Anfang an über alles zu informieren. So folgt man denn erst einmal einer Handlung in Afrika und im Ministerium, die einem sehr genau über sämtliche Vergehen informiert. Das würde bei einem normalen Thriller bestimmt gut funktionieren, bei einem Krimi, der eben auch auf der Frage nach dem "Warum?" fußt, führt es aber dazu, dass das Buch sehr schnell langweilig wird, weil ich als Leser zu viele Informationen habe. Was ich an denen zu viel habe, habe ich dafür an eigentlichen Hauptfiguren rund um das Kommissariat zu wenig. Mit dem "Spion" gibt es zwar eine nette neue Figur, die insgesamt aber auch blass bleibt, und ein wenig lüftet sich das Geheimnis um Assad (aber ganz ehrlich, das ist dann doch ein wenig sehr unrealistisch geraten!) - aber verdammt, ich will den Adler Olsen der ersten drei Bände zurück, in denen er sich selbst weniger ernst genommen hat und seine Figuren wirklich gezeichnet hat, statt sie einfach nur von Abziehbildern zu kopieren. Das Buch ist gut gewollt und leider weniger gut gekonnt - schade. Lassen Sie sich mehr Zeit, Herr Adler Olsen, Ihre Leser werden gerne warten, wenn sie dafür mit stärkeren Büchern entlohnt werden ...

Dienstag, 24. Dezember 2013

[Rückblick] Meine Bücher 2013


So, das Jahr neigt sich dem Ende zu und damit ist es an der Zeit, einen Rückblick zu starten. Das Lesejahr 2013, was habe ich daraus mitgenommen?

Erst einmal, dass ich dieses Jahr doch gar nicht so viele Krimis gelesen habe, wie ich dachte - mich aber dennoch übersättigt fühle. Deshalb werde ich nächstes Jahr auch definitiv eher meinen SUB abbauen als an anderen Challenges teilzunehmen (obwohl, so ein paar habe ich im Hinterkopf). Was mich ehrlich freut: ich habe es geschafft, zu nahezu jedem Buch eine Rezension zu verfassen oder sie zumindest schon geplant zu haben, ein paar Bücher fehlen einfach noch. Wenn ihr das Dashboard dieses Blogs sehen könntet, ihr würdet weinen, was noch auf euch zukommen soll :-p

Insgesamt waren es in diesem Jahr (bislang) 106 Bücher, eventuell wird noch "Eichmann in Jerusalem" als 107. Buch dazukommen. Das sind zwanzig Bücher weniger als letztes Jahr - ich merke wirklich, dass ich inzwischen einen normalen Beruf habe und wenig Zeit zu lesen.

Highlights in diesem Jahr waren irgendwie sehr spärlich gesät, aber ein absolutes war definitiv "Der Kinderdieb" von BROM, die Peter-Pan-Variation, die mich immer noch beeindruckt. Nicht zuletzt auch wegen der großartigen Illustrationen des Autors. Auch andere, hier besprochene Bücher, waren großartig, alle aufzuzählen wird schwer. Ich danke jedenfalls den Herren Hjorth und Rosenfeldt dafür, einen schwedischen Krimi zu erzählen, der nicht die Schlechtigkeit Schwedens und der Welt im Allgemeinen in den Mittelpunkt rückt, sondern den Mut hat, einen Unsympathen zur Hauptfigur zu machen.

Schlimmer waren da diese Tiefpunkte zu verkraften, allen voran "Das fremde Haus" von Sophie Hannah - auf diese Rezension dürft ihr euch freuen, versprochen, da wachse ich grade über mich hinaus, je öfter ich das Buch anschaue. Den Cody hat sich die Autorin redlich verdient!

Das Lesejahr 2014 soll bitte genauso spannend, überraschend und enttäuschend werden wie dieses Jahr, das ist mein größter Wunsch!

Frohe Weihnachten!!!

Genießt die Feiertage, verbringt Zeit mit allen, die ihr um euch habt, und kommt im nächsten Jahr wieder. Fröhliche Weihnachten!!!

Marko Leino - Wunder einer Winternacht

Bis ungefähr vor vier Jahren (als meine Nichte alt genug wurde Weihnachten bewusst zu erleben), lief das Weihnachtsfest in meiner Familie sehr einfach ab: Wir aßen Bratwurst und Sauerkraut, spülten gemeinsam ab, betraten das Wohnzimmer und öffneten unter dem Christbaum die Geschenke. Soweit, so normal. Aber seit meine Schwester und ich aus dem Playmobil-Alter waren, saß die gesamte Familie nach dem Auspacken auf dem Sofa und las in den neuen Büchern. Ja, Leseleidenschaft wird durch Vorbilder verstärkt. Kein Wunder, dass ich Bücher automatisch mit Weihnachten assoziiere und so gibt es heute am Weihnachtstag denn auch ein Weihnachtsbuch vorgestellt: "Wunder einer Winternacht" von Marko Leino.

Das Buch handelt vom kleinen Nikolas, der mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester Ada in einem winzigen Dorf am Polarkreis lebt. Eines Tages kommt seine Familie bei einem Wintersturm ums Leben und die Dorfbewohner stehen vor der schweren Frage, wohin mit Nikolas. Sie beschließen, dass er fortan jeweils ein Jahr bei einer Familie leben und immer am Weihnachtsabend in die nächste weiterreisen soll. Auf die Weise kümmert sich das ganze Dorf um ihn und Nikolas zeigt seine Dankbarkeit, indem er fortan an jedem Weihanchtstag den Kindern der Familie, die ihn aufgenommen hatte, kleine Holzfiguren hinterlässt. Nach sieben Jahren kommt er in die Lehre zu dem verschrobenen und unfreundlichen Tischler Isakki. Der möchte seinem Lehrling gerne verbieten, die blödsinnigne Geschenke zu verteilen, doch letztendlich packt er gmeinsam mit ihm den Schlitten voll...

Das Buch ist eine wunderbare Weihnachtsgeschichte. Sie ist herzerwärmend, ohne kitschig zu werden - denn dafür hat sie zu viele gute versteckte Nebengags dabei, die einen beim Lesen Schmunzeln lassen. So etwa der lange weiße Bart, der Nikolas im Laufe seines Lebens wächst. Oder die Tatsache, dass das Buch in 24 Türchen aufgeteilt ist, die das Lesen noch interessanter machen. Wie ein Adventskalender macht es Stück für Stück mehr Lust auf Weihnachten - und wer es durchhält, das Buch nur kapitelweise zu lesen, der hat eine wunderschöne Vorweihnachtszeit. Das Buch ist trotz der teilweise wirklich traurigen Geschichte unglaublich humorvoll, sehr warmherzig und irgendwie duftet es im Zimmer nach Zimt, ohne dass man weiß, warum. Das liegt nicht zuletzt an der Sprache, die sehr einfach, dafür aber immer mit den richtigen Worten daherkommt, die den Leser einfach mitnimmt in diese Welt am Polarkreis, in der so ein Wunder in der Weihnachtsnacht bestimmt möglich ist, wenn man nur fest genug dran glaubt.
Für das nächste Weihanchten empfehle ich daher einen kleinen Besuch beim Buchhändler, eine warme Decke, eine weiche Couch und heiße Schokolade. Das stimmt mit Sicherheit auf den Abend ein.

Donnerstag, 19. Dezember 2013

J.R.R. Tolkien - Der kleine Hobbit

In einem Dorf neben einem Berg, da lebte ein Mädchen. Es war ein kleines Dorf, in dem sich die Menschen kannten, und das Mädchen wusste eines genau: da draußen gibt es noch anderes. Warum es das wusste? Weil es las. Es las sich fest an Büchern, die es in fremde Welten entführten, ihm Gestalten zeigten, die nie jemand sich hätte vorstellen können. In einem dieser Bücher fand es eine Höhle mit einer runden Tür. Es war eine gemütliche Höhle und in ihr wohnte ein Hobbit. In diesen Hobbit verliebte sich das kleine Mädchen und wäre am liebsten immer bei ihm geblieben. Doch je älter es wurde, desto seltener suchte es den Hobbit auf, weil es immer mehr dieser fremden Welten fand und immer seltener das Buch des Hobbits zur Hand nahm.
Doch dann, eines Dezembertags entschied das Mädchen, das inzwischen eine Frau geworden war, dass es dem Hobbit einen Besuch abstatten musste. Und kaum hatte sie das Buch betreten, da fühlte sie sich wie ein Kind und entdeckte in dem alten Buch so viele neue Dinge, dass es beschloss, von nun an wieder ganz regelmäßig einen Tee mit Bilbo Beutlin zu trinken. Das war der Name des Hobbits.

Ich kann nicht objektiv sein, wie ihr seht. Dieses Buch ist Schuld daran, dass ich lese. Und auch, wenn ich heute sagen würde, dass es gelegentlich ein wenig zu kurz ist, dass so viele Dinge nur angedeutet sind - das würde ich nie laut sagen. Ich kann immer noch - so wie zweimal letzte Woche - ins Kino gehen und mir "Smaugs Einöde" ansehen (der nebenbei, ganz subjektiv, großartig ist und den ich immer und immer sehen will!), wenn ich noch mehr Details haben möchte. Ich danke Peter Jackson, dass er Tolkiens Werk mit meinen Bildern gefüllt hat, und ich danke Tolkien selbst, dass er geschrieben hat und mir ermöglich hat, in diese Welt zu gleiten. Wenn ich jemals als Romanfigur geboren werden sollte - dann bitte im Auenland, lässt sich das einrichten?

Montag, 16. Dezember 2013

Lucinda Riley - Das Orchideenhaus

Achtung, die folgende Rezension enhält diverse Spoiler!!!

Ich hatte am Wochenende sehr viel Zeit, denn schließlich nahen die Ferien, und so dachte ich, ich greife doch endlich mal zu einem Buch vom SUB und sorge für seinen Abbau. Auf Krimis hatte ich keine Lust, auf hohe Literatur auch nicht, also ein Roman, der seit fast zwei Jahren bei mir liegt und den ich immer in der Hand hatte, dann aber doch wieder weggelegt habe. Ich muss eine Vorahnung gehabt haben, dass das Schicksal der dunkelgelockten mandeläugigen Julia Forrester nicht so das Wahre ist. Doch der Reihe nach.

Wir begegnen am Anfang des Romans einer gebrochenen Julia. Einsatz tragische Klaviermusik  Warum sie gebrochen ist, erfahren wir nicht so richtig, irgendwie aus dem Zusammenhang schließen wir, dass jemand in ihrer näheren Verwandtschaft gestorben sein muss. Deshalb wohnt Julia jetzt in einem zugigen Cottage - das aber als Ferienhaus vermietet wurde - irgendwo in England. Ihre Schwester Alicia kümmert sich rührend um sie und päppelt sie, ganz wie es die "große-Schwestern"-Tradition will, hoch. Deshalb fährt sie mit Julia auch nach Wharton Park. Dort lebten ihre Großeltern Elsie und Bill, der als Gärtner für die Orchideenzucht der Hausherrin verantwortlich war. Die beiden Schwestern hatten früher die Ferien dort verbracht, aber nur Julia hatte wirklichen Bezug zu ihrem Großvater und seinen Blumen. Doch nun wird das Anwesen verkauft und die Inneneinrichtung versteigert - ideale Möglichkeit, ein Geburtstagsgeschenk für den Vater zu finden. Alicia erwirbt eine Vase und Julia trifft auf Kit. Kit, eigentlich Christopher, ist der Besitzer des Anwesens und bereits beim ersten Treffen blinkt das unsichtbare "Achtung, Seelenverwandte!" über die Buchseiten. Klavier nun leicht und beschwingt  Sie mögen sich so sehr, dass Kit kurze Zeit später vor Julias Tür steht, um ihr ein Buch zu überreichen. Das alte Tagebuch fand er bei den Renovierungsarbeiten am Gärtnerhaus unter den Bodendielen - es scheint von Julias Großvater zu stammen. Nun also entbrennen beide in unendlicher Liebe zueinander, die sie sich aber nicht eingestehen. Kit halt so nicht, Julia, weil sie ja immer noch ihren Schicksalsschlag zu verarbeiten hat. Jetzt erfahren wir auch: ihr Mann und ihr Sohn starben vor einem Jahr bei einem Autounfall. Julia hat ihre Karriere als Konzertpianistin nahezu aufgegeben und sich zurückgezogen. Erste tragische Rührung des Lesers vorprogrammiert.

Doch nun ist es erst einmal an der Zeit, die Oma zu besuchen und mit dem Tagebuch zu konfrontieren. Kaum hat Julia deren Haus betreten, plappert die alte Dame auch schon los wie ein Wasserfall und erzählt die Geschichte von Olivia. Olivia ist ein junges Mädchen, das 1939 kurz vor dem Ausbruch des Kriegs in die Gesellschaft eingeführt wird. Ihre Eltern sind Bekannte der Besitzer von Wharton Park und hier lernt Olivia Harry kennen, den Sohn des Hauses. Ach ja, Olivia ist natürlich eine Seele von Emanzipation und Klassenirritation, welch Überraschung. Bitte ein bisschen Swing, nicht zu viel, nur dezent.  Nach einigen Bällen dann treffen sich Olivia und Harry auf einem Ball in Wharton Park wieder und er küsst sie. Olivia entbrennt in Leidenschaft und verbringt den Sommer dort. Immer wieder möglichst dramatische Closeups auf Olivia.  Harry ist sehr distanziert, aber nachdem er dann mit seiner Mutter gesprochen hat, macht er Olivia einen Heiratsantrag, weil sie doch so gut nach Wharton Park passt. Doch das junge Glück erlebt eine Trübung. Zunächst, weil Harry nicht mit seiner inzwischen Angetrauten schlafen will. Und schließlich als Olivia ihn in leidenschaftlicher Umarmung mit einem Dichterfreund trifft. Abspann Lindenstraße!!!  Ich sollte erwähnen, dass man diese Entwicklung ab Auftreten des Dichterfreundes bereits vor sich sieht. Aber nun gut, zunächst schmollt Olivia, bis Harry dann am Strand eine großartige Beichte ablegt, die mit "ich bin nicht schwul, nein, ich wollte testen, ob ich tatsächlich nicht schwul bin!" zusammengefasst werden kann. Olivia wird daraufhin schwanger, Krieg bricht aus, Harry kommt zum Militär. All dies, nebst sämtlicher Gefühlslagen Olivias erfahren wir also aus dem Mund von Julias Oma - wieso? Hätte Kit nicht einfach Olivias Tagebuch finden können? Aber dann hätte man ja nicht die Oma nach zehn Jahren mal besuchen fahren können.

Meine Lieblingsstelle folgt jedoch erst jetzt. Oma will nicht weitererzählen, weil sie erst das Tagebuch lesen will - aber sie verrät schonmal, dass es ein Familiengeheimnis gibt, das nicht nur Julias Familie betrifft. Huch, wer könnte da nur in Frage kommen? Julia fährt nach Hause und von einer Sekunde auf die andere erkrankt die Arme an der schwersten Grippe aller Zeiten. Kit steht plötzlich im Cottage. Die Szene ist wirklich genial! Wie würdet ihr reagieren, wenn ein quasi Fremder plötzlich in eurem Haus stünde? Klar, ihn zum Bleiben einladen! Also pflegt Kit Julia aufopferungsvollst und wird vom Arzt tüchtig gelobt. Dieses Gespräch wirkt wie direkt aus dem "Kleinen Lord" reinkopiert vor lauter "Eure Lordschaft" hier und "Sir" da. Und nun entbrennt auch Julia in Liebe. Doch kurze Zeit später sieht sie ihren Angebeteten mit einer Hochschwangeren. SchockschwerenotSteigerung der dramatischen Musik, Zoom auf Julias entsetztes Gesicht! Aber nein, es ist nur ein Missverständnis. Es ist nur eine alte Freundin, der Kit "ich rette sie alle" beisteht. Übrigens, auch Kit hat bereits jemanden verloren, seine drogensüchtige Exfreundin, um die er sich aufopferungsvoll kümmerte, dafür sein Studium der Medizin vernachlässigte Einsatz der Geígen!  woraufhin er nach ihrem tragischen Tod als Retter um die Welt zog, nepalesischen Waisen das Lesen beibrachte, Brunnen grub und ein Heilmittel gegen Aids entwickelte  Ein so guter Mensch muss einfach belohnt werden und so zieht Julia bei ihm ein in Wharton Park. Das steht immer noch zum Verkauf und bröckelt so vor sich hin. Aber hey, beide fühlen sich dem Gebäude soooooooooooooooo verbunden!

Mach belanglosem "allmählich öffne ich mich einem anderen Mann"-Seiten taucht endlich Oma wieder auf und erzählt nahtlos weiter. Der Krieg ist vorbei. Harry sitzt in Thailand, wo er sich von der Kriegsgefangenschaft erholt. Und er trifft Lidia. Lidia, die junge Thailänderin, seine große Liebe. Hier bitte wieder Geigen, aber mehr lieblich.  Harry wird Buddhist, Harry lernt Orchideen kennen und Harry will Lidia heiraten - aber ach, er ist gebunden! Welche Tragik! Also fährt er nach England und will Papi vor vollendete Tatsachen stellen. Adieu, Herrenhauserbe. Adieu, England. Adieu, Olivia. Ich bleib in Thailand. Gut, könnte man auch brieflich vorankündigen, aber dann entfällt doch die dramatische Überraschung zu Hause. Denn der Plan klappt nicht so ganz. Papi ist todkrank, der einzige potentielle Erbe erst zwei Jahre alt - und so leidet Harry lieber vor sich hin und schreibt reizende Briefe nach Bangkok. Bis diese nicht mehr beantwortet werden, weil Lidia verschwunden ist. Der kluge Leser rechnet an dieser Stelle die vergangenen Monate nicht nach, um sich die Überraschung zu erhalten!  Also wird Bill, der Wundergärtner nach Thailand geschickt, die verschwundene Geliebte zu finden. Und Blumenzwiebeln zu kaufen, kein Witz. Er findet nicht nur eine gar seltene Orchidee, sondern auch Lidia, die grade ein Kind entbunden hat und vermutlich im Sterben liegt. *zack* schon fährt er mit dem Kind im Gepäck zurück nach England, Elsie ist total begeistert - Bill kann nämlich keine Kinder zeugen - und Olivia bekommt die ganze Geschichte raus. Ihr erstes Kind hat sie verloren, das zweite Kind stirbt kurz nach der Geburt und als lauter Frust und Wut hat sie nie wieder Sex mit Harry. Der übrigens nichts von seinem Kind im Gärtnerhaus ahnt und dann mit Ende 40 stirbt. Erneuter Closeup auf Julias Gesicht!  Oho, welch Überraschung! Julia, die Tochter des unehelichen Kindes, ist die wahre Erbin des alten Kastens. Na bloß gut, dass Kit sie sich geangelt hat!

Aber halt, treuer Leser, noch liegen 150 Seiten Buch vor dir. Was könnte hier denn noch geschehen? Weitere dramatische Verwicklungen? So ungefähr. Oma Elsie teilt Julias Vater dann doch mal mit, dass ihre Tochter Jasemine nicht ihre Tochter war, der Vater nimmt es ... auf. Und wieder verabschiedet sich die Oma mit der Andeutung eines düsteren Familiengeheimnisses. (Julias Schwester ist adoptiert, hat also kein Anrecht auf Wharton Park) Ich sehe vor meinem inneren Augen bereits Raben, die sie umflattern, und den Sturmwind, der ihr Kleid aufbauscht ... Julia fährt erstmal nach Frankreich. Weil es jetzt an der Zeit ist, sich endlich mal mit dem Tod von Mann und Kind zu beschäftigen und das Haus zu verkaufen. Da sitzt sie jetzt also, als die Terrassentür sich öffnet und ....

Preisfrage: Was könnte nun geschehen?

a) Kit steht im Raum und entpuppt sich - den Andeutungen in der Krankenszene folgend - als frauenmordender Psychopath
b) die thailändische Oma kommt rein und Julia erfährt, dass sie außerdem die Enkelin des thailändischen Königs ist
c) ihr toter Ehemann steht im Zimmer, weil er gar nicht gestorben ist, sondern sich ein Jahr lang auf einer Apfelplantage in Italien aufgehalten hat

Die korrekte Lösung lautet: c. Der gefeierte Pianist Xavier kehrt zurück. Der Sohn ist leider immer noch tot und im Autowrack verbrannt, aber Xavier hat überlebt. Von Gram gebeugt, weil er den Unfall verursachte, versteckte er sich vor der Welt in Italien. Doch nun, genesen von allen körperlichen und seelischen Wunden, ist er wieder da, beruft eine Pressekonferenz ein und macht mit Julia im trauten Familienleben weiter. Ja, wie, fragt sich der Leser, und was ist mit Kit? Der edle Engländer gibt Julia frei. Ganz ohne Gespräch, denn er reagiert einfach nicht auf ihre Anrufe. Zicke! Julia ist irgendwie ... halt in Frankreich und lässt Xavier dann über sich rüberrutschen, weil sie ja verheiratet sind und so und überhaupt ... Fehlt euch da eine Emotion? So was wie Wut, weil sich dein Mann ein Jahr nicht bei dir meldet? Oder blanker Hass dafür, dass er seinen Tod vorgetäuscht hat? Doch nicht bei Julia. Zum Glück entpuppt sich der lebende Tote als egoistisches, alkoholkrankes Arschloch, das den Unfall im Suff gebaut hat, sodass Julia beruhigt wieder zu Kit zurückkehren könnte. Aber zuerst fliegt sie nach Bangkok, denn inzwischen hat Oma Elsie noch etwas gebeichtet: Lidia ist gar nicht tot, sondern sozusagen eine Brieffreundin von Oma. Also treffen sich Thailandoma und Julia und stellen fest: Ui, wir sehen uns ja total ähnlich! Und weil Julia ihrer Mutter so ähnlich sieht, ist klar, dass auch die aussehen muss wie Lidia. Und jetzt sind wir bei der spannenden Frage: wieso kam weder Lidia noch irgendjemand in Wharton Place auf die Idee, dass Lidia vielleicht nicht die Tochter von Elsie und Bill ist, wenn sie so thailändisch aussah wie hier glaubhaft versichert wird? Schwamm drüber, Hauptsache, die Thaioma kennt jetzt die Enkelin. Und weil sie so unendlich viel Geld inzwischen hat, kauft sie mal eben Wharton Park und schenkt es Julia und Kit. Ultimate Happy End, großer Geigeneinsatz!!!! 

Das ZDF würde diese Schnulze vermutlich ablehnen. Zu unrealistisch sind die Figuren, zu lächerlich die Story, zu unglaubwürdig das Ende. Selbst Rosamunde-Pilcher-Regisseure haben ihren Stolz. Und ich hoffe, dass Schauspieler sich weigern würden, diese schmalzigen Sätze von sich zu geben, die Lucinda Riley aus der Schreibmaschine getropft sind. Jede Seite des Buchs liegt begraben und einer halben Tonne seufzenden Schleims, die noch dazu fürchterlich schlecht übersetzt wurden. Wenn sogar ich das bemerke, dann will das was heißen!!! Dass bei all dem die Figuren so farblos bleiben wie eine frischgekalkte Wand, und so natürlich reagieren wie eine Kernschmelze ist fast schon erfrischend an diesem Buch.

Sonntag, 15. Dezember 2013

Ariana Franklin - Die Teufelshaube

Henry II. hat ein Problem. Da hat er endlich den englischen Bürgerkrieg beendet, seien Eleonore nach England gebracht und Kinder gezeugt - da wird eines Tages seine Geliebte, Rosamun Cliffdord, vergiftet. Ist es ein Mordanschlag der eifersüchtigen Gattin? Ein Versuch, erneut für Unfrieden zu sorgen und Henry zu stürzen? Herausfinden soll das Adelia, die Totenleserin, die inzwischen mit ihrem unehelichen Sohn in England angesiedelt ist und als Heilerin arbeitet. Und so setzt der König ausgerechnet Adelias früheren Geliebten Rowley darauf an, die Totenleserin zu ihm zu bringen und sich auf die Suche nach dem Täter zu machen ...
 
Ja, ja, historische Krimis sind ein Genre für sich. Und nur selten gehen sie so in die Hose wie dieses Buch. Ehrlich, ich hatte nach Lesen der letzten Seite nicht einmal mehr eine genaue Vorstellung davon, was in dem Buch genau passiert ist. Irgendwie war das alles so ... uninspiriert. Diese gesamte Verschwörungstheorie hat mich so alles andere als überzeugt und wurde auch nicht dadurch besser, dass es so irrsinnig blutleer erzählt wurde. Da war keine wirkliche Spannung, man ahnte worauf es rausläuft und es war denn auch so. Viel schlimmer war, dass hier nicht einmal das altbekannte "starke emanzipierte Frau in frauenfeindlicher Umgebung"-Motiv bedient wurde, das so viele Mittelalterromane ausmacht. Nein, stattdessen hätte man Adelia auch quasi gleich zur Seite stellen können. So passiv, so blutleer, so langweilig war nur selten eine weibliche Hauptfigur. Dieses Buch war einfach nur doof!

Samstag, 14. Dezember 2013

Annika Thor - Eine Insel im Meer

Wien, 1939. Die zwölfjährige Steffi und ihre kleine Schwester Nelli leben als Kinder einer assimilierten jüdischen Familie in der Stadt und erleben den aufkeimenden Nationalsozialismus nach dem Anschluss Österreichs. Um ihre Kinder zu schützen, entschließen sich die Eltern dazu, Steffi und Nelli mit einigen anderen Kinder nach Schweden zu schicken. Noch in diesem Jahr, das ist das feste Versprechen, wollen sie nachkommen und im Norden ein gemeinsames Leben starten. So landen die beiden Mädchen in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, und werden in zwei Gastfamilien untergebracht. Während Nello bei Tante Alma sehr schnell Anschluss an die zahlreichen Kinder findet und immer mehr schwedisch spricht, klammert sich Steffi an die Hoffnung, ihre Eltern bald wiederzusehen. Nicht zuletzt, weil sie bei Tante Märta, einer sehr verschlossenen und strengen Frau, lebt, die nur schwer ihre Gefühle zeigen kann. Steffi fühlt sich einsam und weiß mit ihrer Wut und Angst nicht umzugehen. Erst nach fast einem Jahr verbessert sich das Verhältnis zu Märta, und schließlich schlägt Steffis Lehrerin vor, dass das Mädchen auf das Gymnasium nach Göteborg geschickt werden soll. Aber wer soll das bezahlen - und lohnt es sich, wenn doch die Eltern bald nachkommen werden?

Ich habe das Buch dank der SZ-Jugendbibliothek kennengelernt und war schwer beeindruckt davon. Annika Thor hat einen großartigen Erzählstil gefunden, um bereits Zwölfjährigen den Zugang zum Themenbereich des Nationalsozialismus und Fluchterfahrung zu ermöglichen. Sie verwendet keinen Holzhammer, zeigt aber sehr deutlich die Schrecken, die Steffi und Nelli bisher erfahren haben. Besonders beeindruckend sind die Szenen zwischen den Geschwistern, als sie sich langsam in Schweden einleben. Steffi, die alles daran setzt, die Erinnerung wach zu halten - und Nelli, die ihre Tante Alma irgendwann Mamma nennt, weil das die anderen Kinder im Haus doch auch alle tun. Auch die allmähliche Annährung Steffis an ihre Pflegemutter, das langsame Sich-zu-Hause-fühlen der beiden Mädchen werden gut dargestellt. Das Buch lädt dazu ein, sich in Steffi hineinzuversetzen und sich zu fragen, wo man selbst hingehört oder was ein Zuhause eigentlich ausmacht. Ich würde sagen, hier ist ein sehr empfehlenswertes Buch, das auch noch drei Folgebände hat, an die ich mich bei Gelegenheit mal setzen möchte ;-)

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Jennifer Teege - Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen

Jennifer Teege ist die Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers. Die Eltern trennen sich noch vor ihrer Geburt und mit wenigen Wochen landet Jennifer im Kinderheim, wo sie von einer Pflegefamilie aufgenommen und im Alter von sieben Jahren adoptiert wird. Der Kontakt zu ihrer Mutter und ihrer Großmutter wird abgebrochen. Sie wächst mit zwei Brüdern in einem Münchner Vorort auf, doch ihre doppelte Außenseiterrolle - adoptiert und dunkelhäutig - führt bei der sensiblen jungen frau letztlich zu Depressionen. Mit Mitte dreißig, verheiratet, Mutter von zwei Söhnen und erfolgreich im Beruf, glaubt sie, diese Vergangenheit aufgearbeitet zu haben, als sie ein neuer Schock ereilt. In der Bibliothek stößt sie auf ein Buch, das ihre leibliche Mutter erst wenige Jahre zuvor veröffentlich hat - und Jennifer erfährt, dass ihr leiblicher Großvater niemand anders ist als Amon Göth, der Leiter des Konzentrationslagers Plaszow. Jennifer Teege steht irgendwo zwischen Schock und Wahnsinn, denn die Frage bleibt: wie stellt man sich mit ihrer bisherigen Lebensgeschichte dieser Familienvergangenheit?

Das Buch lebt natürlich zunächst einmal von dieser unvorstellbaren Erkenntnis, die Jennifer Teege zu Beginn des Buchs ausführlich schildert. Gemeinsam mit ihrer Co-Autorin gelingt es ihr jedoch, den Leser nicht einfach nur eine Lebensbeichte erfahren zu lassen, sondern gleichzeitig eine tiefere Ebene anzusprechen. Ausgehend von Jennifer geht das Buch der Frage nach, wie sehr die Deutschen tatsächlich die NS-Vergangenheit ihrer Familien verarbeitet haben. Nein, nicht jeder steht vor der Tatsache, einen eindeutig zuordenbaren Kriegsverbrecher in der Familie zu haben, aber im Buch wird immer wieder auf Studien verwiesen, die doch spannende Ergebnisse haben. Nazis, so das Gefühl, gab es innerhalb der eigenen Familie eigentlich nicht. Vielleicht einen Mitläufer, aber einen hundertprozentigen? Doch nicht mein Opa! Die geschilderte Reaktion von Jennifer Teeges Adoptivvater auf ihre Eröffnung ist da sehr bezeichnend: er flüchtet sich in wissenschaftliche Betrachtungen. Parallel zu Jennifer Teeges persönlicher Auseinandersetzung wird von Nikola Sellmair die historische und psychologische Sachebeen beleuchtet. So erhält man kurze Informationen über amon Göth, über Reaktionen von Familie und Freunden auf Jenniger Teege, über psychologische Effekte durch Schweigen. Darin liegt allerdings ein wenig das Problem, das ich mit dem Buch hatte, denn diese Passagen kommen einfach immer so mitten ins Buch rein, sind ein so völlig anderer Stil, und schaffen es leider auch, dass der in Ich-Form geschriebene Bereich des Buches blasser wird, weil man immer wieder raus aus Jennifer teeges Gedankenwelt gerissen wird. Darüber hinaus finde ich diese Sahpassagen relativ kurz und zum Teil ein wenig unpräzise, ein bisschen merh Fülle hätten ihne gut getan. Das Buch schwankt dadurch immer ein wenig am Rand von "Schiksalsreportage" statt Sachbuch und Familienauseiandnersetzung zu sein. Schade eigentlich, dass die Ausfürung so holprig ist ...

Dienstag, 10. Dezember 2013

Paul Maar - Kartoffelkäferzeiten


Februar 1948. In einem kleinen fränkischen Dorf lebt Johanna. Sie ist fast 13 und ihre Lebenswelt ist geprägt von den Alltagssorgen der Nachkriegszeit. Lebensmittel sind knapp, die Männer - auch Johannas Vater - zum Teil immer noch in Kriegsgefangenschaft, und die beengten Wohnverhältnisse in der Dorfwirtschaft, die die Familie führt, sorgen oftmals für Streit. Johanna lebt zusammen mit Mutter, Tante und den beiden Großmüttern, ein Fünffrauenhaushalt, in dem unterschiedliche Erziehungs- und Lebensstile aufeinander prallen. Dazu kommt die dörfliche Angewohnheit, Fremdes abzulehnen - wie etwa Johannas Freund Emmanuel, ein uneheliches Kind - und die unangesprochene jüngste Vergangenheit des Nationalsozialismus und des Krieges. Johanna wächst hier allmählich zu einer jungen Frau heran, die sich die Frage stellen muss, ob Erwachsen werden nicht auch bedeutet, altes zu hinterfragen ...

Paul Maar kennt man eigentlich vor allem durch die "Sams"-Bücher (die mich ehrlich gesagt nie interessiert haben, so dass ich sie nie gelesen habe). Dass er aber auch sehr einfühlsame und unterhaltsame Jugendromane schreiben kann, zeigt er mit "Kartoffelkäferzeiten". Ich habe mich in Johanna gut hineinversetzen können, sie ist eine sehr stark gezeichnete Figur mit Ecken und Kanten, die im Laufe der Geschichte erwachsener im Denken wird. Auch gefallen hat mir, dass Maar relativ wenig mit dem Holzhammer arbeitet. Das Leben in der Nachkriegszeit und im beginnenden Wirtschaftswunder wird realistisch dargestellt ohne dabei aber zu sehr Leiden oder Entbehrung in den Mittelpunkt zu stellen. Viele Themen werden nur angedeutet oder nicht völlig ausgebaut, das passt aber ziemlich gut zum Setting des Buchs. Für mich ein wirklich gutes Jugendbuch, das eine spannende Geschichte mit historischen Details verbindet.

Katherine Webb - Das verborgene Lied

Zach Gilchrist ist Mitte dreißig und steht gerade in den Bruchstücken seines Lebens. Seine Exfrau wird mit der gemeinsamen Tochter in die USA ziehen, seine Galerie läuft in etwa so gut wie eine Saunalandschaft mitten in der Wüste Gobi - und dann sitzt ihm auch noch sein Verleger im Nacken, dem Zach seit einem Jahr ein Buch über den Maler Charles Aubrey verspricht. Dieser hat in den Dreißigern für Furore gesorgt - sowohl in der Kunst- als auch in der Damenwelt, denn trotz seiner zwei reizenden Töchter und der Dauergeliebten Céleste war er ein notorischer Fremdgänger, bis er nach einem Schicksalsschlag 1939 freiwillig in den Krieg zog und dort ein Jahr später starb. Zach macht sich auf nach Dorset, wo Aubrey mit seiner Familie seine letzten drei Lebensjahre verbacht hat, und hofft, dort irgendein neues Detail im Leben seines Lieblingsmalers zu finden, das die Biografie verkaufen kann. Dort trifft er in einem kleinen Dorf auf Dimity Hatcher. Diese war 1939 nicht nur die beste Freundin von Delphine Aubrey, der älteren Tochter, sondern auch eine von Charles Musen, die er in verschiedenen Skizzen und Gemälden festgehalten hat. Die alte Frau wohnt völlig abgeschieden in einem verfallenen Cottage und schon bald ist Zach überzeugt: hier verbirgt sich ein Geheimnis ...

Ich habe das Buch wirklich innerhalb eines Tages ausgelesen, denn es ist extrem nett geschrieben und führt den Leser sehr schnell in die Handlungsebenen ein. Die Geschichte wird parallel 1938/39 und 2012 erzählt, wobei ich die Überleitungen nicht immer geglückt finde, es also nicht immer einen Anlass zu geben scheint, genau jetzt in die Vergangenheit zu springen. Die Story hat sehr viel Tempo und natürlich will man wissen, was sich hinter den Andeutungen verbirgt - wie gesagt, ich hab das Buch wirklich verschlungen. Dennoch gibt es zwei Gründe, die mich nicht völlig vom Buch haben überzeugen können. Zum einen: einen deutlichen Abzug bekommt Katherine Webb für die Figurenzeichnung, denn außer Dimity und in Ansätzen Zach bleiben die Figuren extrem blass und für mich in ihren Handlungen nicht immer nachvollziehbar. Dimity selbst ist, vor allem in jungen Jahren, sehr gut gelungen, die vierzehnjährige Außenseiterin des Dorfes mit einer Mutter, die sich aus purer Not heraus prostituiert. Als alte Frau ist sie ein wenig zu blass, ein wenig zu abgedreht ohne dass man genau nachvollziehen kann, warum sie so wunderlich geworden ist. Delphine dagegen war für mich die gesamte Zeit über ein völlig gesichtsloses Persönchen, auch Charles Aubrey ist nicht in allen Aspekten nachzuvollziehen (z.B. fand ich die Entwicklung am Ende sehr überzogen). Und damit sind wir bei Punkt zwei, der mir nicht gefallen hat. Ich finde das Ende an den Haaren herbeigezogen und zu sehr auf zufällige Offenbarungen gemacht. Die Idee ist nett, aber die Ausführung gefällt mir absolut nicht - das Problem hatte ich bei Katherine Webbs Erstling ja auch schon, und allmählich glaube ich, dass sie es einfach wirklich nicht schafft, ein Ende zu erfinden, dass nicht so übertrieben wirkt, sondern trotz allen Zufällen glaubwürdig bleibt. Da zieht sie die Schraube des "düsteres Familiengeheimnis"-Romans einfach einen Ticken zu fest an, was schade ist. Denn bis auf die letzten etwa fünfzig Seiten ist das Buch nämlich wirklich toll.

Montag, 9. Dezember 2013

Katie Roiphe - Rätselhafte Alice

Jeder, der sich auch nur im Ansatz mal mit "Alice im Wunderland" beschäftigt hat, kennt die Entstehungsgeschichte dieses Buchs. Ein dreißigjähriger Hobbyfotograf und Mathematik-Tutor aus Oxford erzählt der zehnjährigen Tochter des Dekans während eines Bootsausflugs eine Geschichte über ein weißes Kaninchen, schreibst sie auf und das Buch wird zu einem Klassiker der absurden Kinderliteratur. Diese Ausgangsbasis ist auch in "Rätselhafte Alice" Startpunkt für einen Roman über die Entstehung des Romans aber auch die Frage, warum drei Jahre später der Kontakt zwischen Alice Familie und Lewis Carroll vollständig eingestellt wird. War er verliebt in Alice? Oder hat er ihrer älteren Schwester einen Heiratsantrag gemacht, der von den Eltern nicht akzeptiert wurde? War Carolls Interesse an Alice mehr als nur der eines Fotografen am Modell? Diese Fragen wirft Katie Roiphe auf, beantwortet aber leider keine einzige davon. Naja, könnte man jetzt einwerfen, man weiß es ja bis heute nicht, deshalb will die Autorin nicht spekulieren? Wieso schreibt sie dann aber überhaupt einen Roman, frage ich mich. Sie selbst scheint darauf auch keine wirkliche Antwort zu haben, denn dieses Buch wirkt auf mich extrem inspirationslos und nervtötend langatmig. Es passiert einfach mal so gar nichts, das aber sehr ausufernd - ich habe beim Lesen noch nie so oft gegähnt wie hier. Ich bin ja nicht unbedingt der riesige Fan von "Alice im Wunderland" aber ich hätte doch gedacht, dass ein Buch über genau dieses Buch sehr viel mehr Eindruck bei mir hinterlassen würde.

Freitag, 6. Dezember 2013

Michael Robotham - Todeswunsch

Eines Nachts klopft es an der Tür von Joe O'Loughlins Ehefrau. Die blutverschmierte Sienna Hegarthy steht davor. Sie ist vierzehn Jahre alt, die beste Freundin von Joes Tochter Charlie, und wie sich herausstellt, hat sie gerade die Leiche ihres Vaters gefunden. Die Polizei verdächtig bald Sienna selbst, die Täterin zu sein, doch die kann sich an nichts erinnern. Hat sie wirklich den jahrelangen Missbrauch durch ihren Vater gerächt und ihn erstochen? Joe O'Loughlin will ihr beistehen und findet schon bald heraus, dass noch einige andere Menschen ein Motiv für einen Mord haben. Parallel ist seine Ex-Frau Julianne als Übersetzerin in einem spektakulären Prozess tätig. Eine russische Familie wurde bei einem Brandanschlag fast komplett getötet und der einzige Belastungszeuge schwebt in Lebensgefahr. Sollen die Geschworenen tatsächlich manipuliert werden? Die beiden Fälle scheinen sich zu überschneiden ...

Ich hatte ja schon den ersten Band mit Joe McLoughlin irgendwann mal vorgestellt jetzt habe ich also zufällig Band 5 in die Hände bekommen. Es ist zwar hilfreich, schon ein bisschen was zu wissen, aber ich fand die Geschichte der Protagonisten jetzt nicht so extrem im Vordergrund, so dass man auch ohne Vor- und Zwischenwissen gut reinkommt. Insgesamt hat mir dieses Buch deutlich besser gefallen als der erste Band, was vermutlich vor allem daran lag, dass ich ihn realistischer bzw. nachvollziehbarer fand. Gut, einen kleinen Abstrich möchte ich machen, denn diese Verbindung zwischen den beiden Fällen fand ich persönlich ein wenig zu viel, vor allem, was daraus dann letztlich im Finale resultiert. Dennoch war das spannend und ich bin Robotham gerne in die Geschichte gefolgt. Das liegt vor allem daran, dass auch dieses Mal die Figuren sehr lebenswirklich gehalten sind und ihre Ecken und Kanten ausleben und einfordern. Ich werde die Serie jetzt zwar nicht brennend erwarten, aber wenn mir wieder einer über den Weg läuft, greife ich gerne zu ;-)

Sonntag, 1. Dezember 2013

Barbara Robinson - Hilfe, die Herdmanns kommen

Die Herdmann-Kinder sind in der Nachbarschaft bekannt wie bunte Hunde. Völlig verwahrlost, immer mit einem Bein bei der Jugendfürsorge oder im Gefängnis, streit- und rauflustig und mit einem Mundwerk, das den anständigen puritanischen Kindern die Schamesröte ins Gesicht treibt. Als sie erfahren, dass es beim alljährlichen Krippenspiel Gratisessen gibt, ist für die Herdmanns klar, dass sie dabei sein werden. Dass ihre religiöse Erziehung ein wenig vernachlässigt wurde und Weihnachten für sie bislang „das Fest des Gratsischinkens von der Fürsorge“ war, stört die Hermanns – im Gegensatz zur Sonntagsschullehrerin – eher wenig. Mit Drohungen und Handgreiflichkeiten besetzen die sechs Herdmanns dann auch noch die Hauptrollen im Stück und für alle ist klar: dieses Jahr wird das Weihnachtsspiel ein echtes Herdmann-Desaster.

Natürlich kommt es nicht so weit. Hey, wir lesen hier ein Weihnachtsbuch, in dem der Geist der Weihnacht gefeiert wird. Und der Chaostruppe gelingt es zumindest, die bedeutendsten Elemente der Geschichte auf die Bühne zu bringen: eine Familie, die sich auf der Flucht befindet, drei Weise, die Herodes vermutlich aus purer Lust am Fiessein verraten, wo Jesus geboren wurde, ein Engel, dessen „Hey! Euch ist ein Kind geboren!“ die Hirten verdammt schnell in die Puschen kommen lässt – in der Quintessenz ist das Stück vermutlich näher dran an den Ereignissen als die Bibel. Und gerade das ist eigentlich so herzerwärmend schön an diesem Buch, dass man weiß, wie es alles enden wird, einem dabei aber dennoch die Gefühle aufgehen. Das ist mehr, als manch anderes Buch kann ;-)

Samstag, 30. November 2013

Morton Rhue - Ich knall euch ab

Gary Searle und brendan Lawlor. Beide sechzehn Jahre alt. Beide gute Schüler. Beide unauffällig, zurückhaltend, auch wenn Brendan gegen Ungerechtigkeiten lautstark protestiert. Beide Computerfans. Beide Außenseiter. Beide stürmen am tag des Abschlussballs die Turnhalle ihrer Schule, schießen um sich. Am Ende des Amoklaufs hat Gary Selbstmord gegangen, Brendan liegt im Koma. Und eigentlich weiß keiner so richtig, was da passiert ist.

Morton Rhue hat sich mit diesem Buch einiges vorgenommen. Ein Buch über einen Amoklauf, in dem weder der Täter spricht noch Gewalt im Vordergrund steht. Stattdessen eine allmähliche Annäherung an die Tat mit Hilfe von Zeugenaussagen. Eltern, Opfer, Freunde, Klassenkameraden, Nachbarn - sie alle versuchen, eine Antwort zu geben auf die Frage, wie es so weit kommen konnte. Brendans und Gary Sicht bleibt dabei außen vor, denn die beiden können sich nicht mehr äußern. Aber der Leser folgt in kurzen Protokollen den beiden durch ihre Schuljahre. Von der 8.Klasse, als die beiden sich anfreunden und im Laufe der Jahre immer stärkeren Schikanen der Sportlerclique ausgesetzt sind. Oder sind es wirklich Schikanen? Ist es nicht vielleicht einfach nur hier und da mal ein Pieksen, hier dummer Spruch, da ein doofer Streich, da eine Schlägerei? Die Sportler selbst weisen die Schuld von sich, die Schule argumentiert oft mit "so sind Kinder nun einmal" - und welche Rolle spielen die Computerspiele, die bei Gary und Brendan gefunden wurden? Ab welchem Zeitpunkt ist der Amoklauf unausweichlich? Wo kann man Stopp sagen, wo ist die Grenze zwischen harmlosen Hänseleien und dauerhaftem Mobbing? All diese Antworten muss sich der Leser selbst zusammensuchen, denn Rhue weigert sich, plakativ zu sein. Da kommt so viel zusammen, da entsteht eine extrem gefährliche Mischung, die mit einer anderen Zutat oder unter anderen Voraussetzungen vielleicht gar nicht eskalieren würde. Das macht das Buch so unglaublich spannend, obwohl man am Anfang das Gefühl hat, nie im Leben behalten zu können, wer jetzt alle die Freunde, Bekannten, Nachbarn sind, die hier zu Wort kommen. Das Buch ist großartig und eine sehr gut geeignete Schullektüre.

Dienstag, 26. November 2013

Will Lavender - Tödlicher Gehorsam

"Eine Achtzehnjährige ist spurlos verschwunden. Ihr Name ist Polly. Sie ist eine von Ihnen, eine Studentin wie Sie. Sie haben sechs Wochen Zeit, um sie zu finden. Wenn nicht, stirbt Polly." Das ist der Arbeitsauftrag, den Professor Leonard Williams seinen Studenten im Seminar "Angewandte Logik" präsentiert. Anfangs noch irritiert und fasziniert, fühlen sich Mary, Brian und Dennis schon bald nicht mehr wohl in ihrer Haut, denn je weiter das Seminar und ihr Logikspiel voranschreiten, desto mehr sehen sie sich verstrickt in eine Welt, in der nicht mehr klar ist, was Realität ist und was nicht? Ist Polly etwa ein realer Mensch? Und was hat es mit der vor zwanzig Jahren verschwundenen Deanna auf sich? Wer ist dieser Professor Williams? Und wem kann man in dieser Welt noch trauen?

Will Lavender ist Dozent für Kreatives Schreiben und hat mit seinem Erstlingswerk einen extrem vielschichtigen und ambitionierten Roman vorgelegt. Immer mehr verstrickt man sich in die völlig unterschiedlichen Ebenen und stellt sich immer mehr die Frage, auf welcher Seite man grade steht. Das Ganze ist gekoppelt mit dem Paul-Auster-Roman "Stadt aus Glas", in dem sich ein Mann in seiner selbstgeschaffenen Realität verliert, und immer wieder gibt es Hinweise auf Stanley Milgram und sein Experiment zum Gehorsam gegenüber Autoritäten. Allerdings fand ich genau das auch ein wenig problematisch. In diesem Buch ist so viel, dass es ein wenig ins Schwafeln und Plätschern kommt, dass man irgendwann nicht mehr genau folgen kann, wo man jetzt genau welche Schraubendrehung mitgemacht hat. Gelegentlich hat mich das gestört, allerdings wurde ich durch das ziemlich herausragend logische und dennoch verblüffende Ende überrascht und kann das Buch guten Gewissens weiterempfehlen.

Montag, 25. November 2013

Roman Leuthner - Nackt duschen streng verboten

Dieses Buch ist so ein typisches Buch, das mein Mann manchmal anbringt. Neben den Abteilungen "Geschichte" und "Politik" zieht es ihn manchmal unwiderstehlich hin zu den Büchern, die vorne für einen Appel und ein Ei verschachert werden. Vor kurzem kam er dann vom Einkaufen mit diesem Exemplar zurück und ich durfte mir die nächsten Tage parallel zum Fernsehen immer unterdrücktes Kichern anhören.

In "Nackt duschen stren verboten" ist eine Sammlung skurriler Gesetze aufgelistet, die vornehmlich aber nicht nur aus den USA stammen. In der Einleitung wird auch direkt deutlich gemacht, dass diese gesetze durchaus Sinn machen können, da sie nicht zuletzt auf unterschiedliche Rechtsprinzipien zurückzuführen sind. Gob gesagt gibt es in den USA oftmals eine Gesetzgebung parallel zum Straf- und/oder Zivilgesetzbuch, die die Abteilung "gesunden Menschenverstand" behandelt und damit auch Einzelfallentscheidungen zu Argumenten macht. Darüber hinaus gibt es Richterentscheidungen, die nicht Gesetzescharakter haben, aber durchaus so behandelt werden können - taucht einmal ein skurriler Fall vor Gericht auf, kann das eben auch ein skurriles "Gesetz" werden, ohne dazu von der Legislative verabschiedet worden zu sein. Dieses Vorwort fand ich ganz interessant, eben weil in vielen Fällen einfach nur ein "die spinnen, die Amis" bedient wird.
Allerdings tappt das Buch, wie ich finde, dann selbst in diese Falle hinein. Sehr viele Gesetze werden nicht weiter erklärt oder die Hintergründe geklärt, stattdessen stehen sie sehr einsam für sich da und dienen vor allem dem Aspekt zu betonen, wie verrückt doch manche Leute und Richter/Gesetzesinitiatoren insbesondere ticken. Letztlich ist das Buch nicht viel mehr als eine gebundene Ausgabe der viele Listen, die im Internet kursieren, und der schicke Doktor-Titel auf dem Einband dient in erster Linie dem Gefühl, da etwas richtig Gehaltvolles serviert zu bekommen. Wenn man es mal irgendwo findet, kann man reinschauen, aber Geld ausgeben muss man dafür nicht unbedingt.

Sonntag, 24. November 2013

Rebecca Ray - Meine sogenannte Jugend

Dieses Buch habe ich in meiner Teenagerzeit gelesen und die Lieblingsbücher-Challenge war ein guter Einfall, es mal wieder vom Regalbrett zu holen. "Meine sogenannte Jugend" und "Crazy" waren mit 15 oder 16 die beiden Bücher, von denen ich mich irgendwie verstanden gefühlt habe, obwohl ich eignetlich so ganz anders war als die Hauptfiguren der Bücher. Aber auch ich habe mich damals als Außenseiter gefühlt und war in einem permanenten Kreislauf aus "ihr seid alle doof", "niemand versteht mich" und "das will ich auch haben" gefangen. Die vierzehnjährige Ich-Erzählerin in Rebecca Rays Roman beginnt allmählich, aus ihrer Kindheit auszubrechen, allerdings auf eine Art und Weise, die man sich nicht für sich selbst wünscht. Mit 13 begreift sie, dass sie - im Gegensatz zu ihrer Klassenkameradin Holly - das Interesse der Jungen eher dadurch erringen muss, dass sie sich von ihnen begrapschen lässt, als dadurch, dass die sie hübsch finden. Und so wird der Leser dann auch Zeuge von Situationen, in denen Sex immer mehr Mittel zum Zweck wird oder einfach gemacht wird, weil es halt so ist. Romantik, das ist maximal etwas, was jemand wie Dawn äußern darf, aber Dawn ist ja auch verpickelt und wird sowieso keinen Jungen abbekommen. Schon beim ersten Lesen war ich von dieser Abgeklärtheit eher irritiert und verunsichert, mit der diese halben Kinder durchs Leben gehen. Auch zu Hause läuft es für die Hauptfigur nicht mehr rund, ihr Vater - Held ihrer Kindheit - und ihre Mutter streiten sich seit Jahren ständig und so versucht sie, durch eine Beziehung mit einem Endzwanziger diesem Chaos und Alltag zu entkommen. Bis die Situation bei einer Weihnachtsfeier allmählich eskaliert ...

Ich bin so froh, dieses Buch noch einmal gelesen zu haben, denn dieses Mal lag mein Fokus nicht auf dem Mädchen, sondern ich habe allmählich eine andere Figur entdeckt, die es mir als Teenager sehr schwer gemacht hat. Der Vater. Dieser Vater ist auf der einen Seite - und so empfand ich ihn schon als Sechzehnjährige - ein rechthaberischer, arroganter, nervtötender Vollidiot, der stur auf seiner Meinung beharrt und vor allem die Mutter (Hausfrau) gerne mal vorführt und als dumm darstellt. Boah, hab ich mich als Teenager aufgeregt. Jetzt, mit mehr Distanz zu Hormonwallungen und ein wenig mehr Verständnis für andere Positionen, tut er mir andererseits durchaus Leid und ich beginne, seine Handlungen zu verstehen. Er, der immer der Held der Tochter war, der ihr bei Hausaufgaben geholfen und Geschenke gebastelt hat, steht plötzlich alleine da. Das sind so simple Dinge wie die Aussage "ich bin doch jetzt auf der HighSchool, ich finde, ich sollte meine Hausaufgaben alleine erledigen" oder "ich möchte dieses Jahr kein Überraschungsgeschenk zum Geburtstag, sondern eine Stereoanlage", die das bisherige Leben einfach beenden und etwas neues starten möchten. Auch wenn sie ihm gar nicht wehtun will damit, in diesen Situationen versucht er dann, sein "nicht-gebraucht-werden" an jemand anderem abzulassen und das ist, in den allermeisten Fällen, die Mutter. Wie hieß es neulich so schön auf einer meiner Fortbildungen? Neunzig Prozent der Erziehungsprobleme mit Teenangern sind unausgetragene Elternkonflikte, die sich an den Schulnoten der Kinder entzünden - und in etwa das ist es, was ich in diesem Buch wiedergefunden habe. Diese Familie ist kaputt - und dass sich die Tochter schließlich Selbstverletzungen als Ventil sucht, eigentlich nur noch die schimmelige Kirsche obendrauf. "Meine sogenannte Jugend" lebt von realistischen Darstellungen, die schmerzlich genau geschildert werden und mich sogar heute noch bewegen.

Dienstag, 19. November 2013

Volker Klüpfel/Michael Kobr - Herzblut

Serienmord im Allgäu - und Kluftinger mittendrin. Dabei beginnt alles ganz harmlos mit einem Handyanruf, der den Kommissar genau während einer Pressekonferenz ereilt. Vor lauter Panik schneidet er das Gespräch versehentlich mit und ist danach überzeugt: er hat einen Mord gehört. Gut, das restliche Präsidium schenkt ihm keinen Glauben, aber Kluftinger beginnt nachzuforschen und landet tatsächlich am Schauplatz eines Verbrechens. Schon bald gibt es nicht nur eine Leiche, sondern gleich mehrere, aber das Motiv liegt im Dunkeln? Sollte es etwas mit dem neuen Herzmedikament zu tun haben, das gerade getestet wird? Dass jetzt ausgerechnet Kluftinger glaubt, an der Schwelle des Herztods zu stehen, macht die Ermittlungen nicht leichter ...

Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich wieder Lust auf einen Kluftinger hatte, was vor allem daran lag, dass der Vorgänger in meinen Augen ziemlich daneben gegangen ist. Diese doch sehr abgedrehte Djihad-Story war mir ein bisschen zu sehr erfunden. In "Herzblut" haben sich die beiden Autoren dann wieder auf das Allgäu beschränkt und eine Story gefunden, die glaubwürdig wirkt und mit einigen Wendungen und dunklen Ecken aufwartet, die sie durchaus lesenswert machen. Trotzdem bin ich mit dem Buch nicht zufrieden und glaube auch, endlich den Grund dafür gefunden zu haben.

Die Kluftinger-Krimis lebten vom ersten Band an von dieser Hauptfigur, einem Mittfünfziger, der ein gemächliches Leben der modernen Welt vorzieht, bei dem das Handy zum Telefonieren reichen muss und nicht zum Fotgrafieren. Jemand, der den Leser irgendwie an die eigenen Eltern erinnert und den man trotz aller Vorurteile irgendwie mag und von dem man weiß, dass er eigentlich sehr nett und klug ist. Aber in den letzten Bänden nutzen die Autoren Kluftinger eigentlich eher dazu, ihn möglichst oft der Lächerlichkeit preiszugeben. In "Herzblut" muss er zur Yogastunde und ein englisches Telefonat mit dem japanischen Vater seiner potentiellen Schwiegertochter führen. Beides wir von den Autoren breitgewalzt dargestellt und ganz ehrlich, ich habe mich beim Lesen eher fremdgeschämt. Fremdgeschämt, weil es so übertrieben war, so konstruiert und vorführend. Ja, vorführend, das ist das, was mir am meisten aufsteht. Dieser Kluftinger ist nicht mehr jemand, mit dem man lacht, sondern nur noch einer, auf dessen Kosten man lacht. Einer, dem man es nicht abnimmt, solche kriminalistischen Erkennstnisse zu liefern, wie er es in diesem Buch tut. Denn der Kluftinger hier ist ein peinlicher wahrgewordener Herrenwitz, der er anfangs nicht war. Bitte, ihr lieben Autoren, tut ihm das nicht an. Lasst ihn wieder zu dem werden, der er war, ein guter Kriminaler, der ein bisschen altmodisch, ein bisschen weichherzig, ein bisschen überrollt ist von dem, was im Allgäu alles passieren kann, der dabei aber immer die Oberhand über sein Leben behält und nicht vorgeführt wird. dann lese ich euch noch viel lieber.

Donnerstag, 14. November 2013

[Hörbuch] "Schnee, der auf Zedern fällt" (gelesen von Ulrich Matthes)

Im Rahmen meiner „bloß keine Krimis mehr“-Aktion bin ich durch die Stadtbibliothek gestromert und bei den Hörbüchern hängen geblieben. Ich habe „Schnee, der auf Zedern fällt“ vor Jahren gelesen (und ich glaube, ich muss es noch einmal wiederholen) und habe es mir jetzt vorlesen lassen. Es sind nur vier CDs, also genau das richtige für zwei längere Autofahrten.

Kurz zum Inhalt: 1954 wird der Fischer Carl Heine tot in seinem Fischernetz gefunden. Da er auch noch eine schwere Kopfwunde hat, wird eine Morduntersuchung eingeleitet und ein Kollege verhaftet. Kabuo Miyamoto ist Sohn von japanischen Einwanderern und auch noch 1954 automatisch verdächtig. Dass er mit Carl Heine einen Streit um einen Landkauf hatte, verschlechtert seine Situation. Der Dorfjournalist Ishmael Chamers kennt beide Männer seit ihrer Kindheit, und berichtet über den Prozess. Dabei trifft er auf Hatsue Miyamoto, die Frau des Angeklagten, und Ishmaels Jugendliebe …

Was jetzt in der Zusammenfasstun ein wenig danach klingt, als würde „Matlock“ auf Rosamunde Pilcher treffen, ist es in Wahrheit nicht. Die Geschichte ist tragisch und trotz allem leicht, sie fließt dahin und trägt mich mit. Und je mehr Schnee fällt und eine Decke über die kleinen und großen Wunden dieser Kleinstadt, legt, desto mehr bemerkt, an, was unter dieser Decke alles an unausgesprochenen Konflikten gärt und darauf wartet, herausgelassen zu werden. Die Handlung spielt zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zehn Jahre nach dem nationalen Trauma von Pearl Harbour. Die Ausgrenzung und Inhaftierung der japanischen Einwanderer in den USA wird thematisiert, ebenso wie die kulturellen Differenzen zwischen Japanern und US-Amerikanern, an denen die Beziehung zwischen Hatsue und Ishmael scheitert. Genauso wie die Narben dieser Gesellschaft gezeigt werden, ist das Buch aber auch der Versuch eines Neuanfangs, eines endgültigen Endes der Vergangenheit, die nicht wieder herstellbar ist. So, wie Ishmael seinen Arm im Krieg verloren hat, muss er lernen, Hatsue aus seinem Leben zu entlassen, um ihr einen Neuanfang zu ermöglichen (jetzt wird ich aber philosophisch!)

Es ist also ein Buch der leisen Töne, was hier vorgelesen wird, und zwar von einem Sprecher, bei dem es Spaß macht, zuzuhören. Fast schon zu leise ist er manchmal (oder mein Auto röhrt so), trifft die Personen (insbesondere den Strafverteidiger) mit sehr guten Stimmwechseln und liest so flüssig, klar und fließend, wie es die Geschichte verdient. Gut, ein wenig musste ich mich anstrengen, zu ignorieren, dass Matthes bei mir vermutlich auf ewig verknüpft sein wird mit Joseph Goebbels, den er in "Der Untergang" gespielt hat, aber irgendwann auf CD 2 war auch das vorbei. Wie stetiger Schneefall auf Zedern wirkt das Hörbuch friedlich und leise, obwohl es ja doch irgendwie um einen klassischen „wie ist er gestorben“-Krimi geht, der aber so in die Handlung eingebettet ist, dass man zwar die Lösung wissen will, viel mehr aber mit anderen Dingen mitfiebert. Hier ist wirklich ein tolles Hörbuch rausgekommen, dessen Aufmachung dem Roman absolut gerecht wird.

Montag, 11. November 2013

Claudia Frieser - Oskar und das Geheimnis des Klosters

Es sind Ferien und Oskar ist wieder einmal genervt von seinen Eltern. Typisch Archäologen wollen sie diese Zeit in der Klosterruine Maulbronn verbringen und in alten Steinen rumklopfen - inklusive ihres Sohnes.Kurzerhand packt der seine Sachen und entflieht zu seinen Freunden in die Vergangenheit. Bei Katrin, Albrecht und Liss wird er sich erholen und Spaß haben können. Doch schon der erste Schritt aus der magischen Eiche zeigt ihm, dass es im Jahr 1485 nicht unbedingt besser ist als zu Hause: Strömender Regen, verdorbene Ernten, dazu noch aufgeweichte Wege. Und auch hier entgehet er dem Kloster nicht, denn Katrin soll einen kleinen Waisenjungen ins Kloster Maulbronn bringen. Kurzerhand beschließen, Oskar, Albrecht und Liss, mitzukommen. Doch schon bald geraten sie wieder in ein Abenteuer, das sie auf die Suche nach einer wertvollen Ikone tiefer ins Klosterleben eindringen lässt, als Oskar es sich hätte erträumen lassen ...

Als Lehrerin in Franken kommt man an Claudia Frieser kaum vorbei. Die Bambergerin hat inzwischen vier Oskar-Bände geschrieben, die das spätmittelalterliche Nürnberg wieder lebendig werden lassen. Mit Hilfe des Zeitreisenden Oskar können sich Kinder schnell in die ungewohnten Situationen einlassen und durch die sehr nett geschaffenen Figuren von Katrin, der Hebamme, und dem kleinen Albrecht Dürer stehen auch in der Vergangenheit Personen bereit, die dazu einladen, sich zu identifizieren. Die historischen Dimensionen sind für Zehnjährige verständlich geschildert, grade durch die sehr lebensnahe schilderung. Der Alltag eines Novizen lässt das Leben zu Hause plötzlich sehr annehmbar wirken und allein die Schilderung der Reise zeigt, welche Vorteile wir heute im Alltag durch Technik und warme Kleidung zum Teil bereits haben. Allerdings muss ich sagen, dass ich dieses mal ein wenig sehr demonstrativ den "früher war alles schwerer"-Hammer gespürt habe, weshalb ich diesen dritten Band für schwächer als die Vorgänger halte. Besonderns spannend ist es natürlich wieder für Einheimische, die das Nürnberger und Maulbronner Kolorit mitgeliefert bekommen und viele Dinge einfach in der gegenwart wiederfinden. Aber auch für andere ist das ein sehr nettes Buch, das durchaus auch Lust am Lesen weckt .-)

Mittwoch, 6. November 2013

Challenges am laufenden Band

Und eine weitere Challenge, der ich mich 2014 stellen möchte (oder eigentlich schon ab 2013): die 5x5-Themen-Challenge von Bookdreams.

 

Eigentlich ist es recht einfach. Eine Liste mit 5 Themen und jeweils fünf dazu gehörenden Büchern. Ich muss also 25 Bücher lesen. Knaller sind dabei nur wirklich einige derausgewählten Ideen, denn grade beim Cover bin ich am Überlegen, welches ich denn nun nehmen soll. Die Challenge wird sich für mich ganz gut mit dem SUB-abbau koppeln lassen, denke ich, deshalb freue ich mich auch schon sehr drauf :-)

Aufgaben:

Cover
1) Eine Waffe
2) hauptsächlich rot
3) ein Tier (eins oder mehrere ist egal)
4) eine Stadt bzw. Gebäude
5) nur Symbole oder irgendwelche Zeichen (keine Menschen oder Tiere)

Verlage
1) Lyx
2) Heyne
3) Loewe
4) Carlsen/Impress
5) Fischer

Autoren
1) ein deutscher Autor (m oder w, ist egal)
2) Nachname mit M
3) unter 30 Jahre
4) Ein Autor der unter einem Pseudonym schreibt
5) Ein britischer Autor
Hauptprotagonisten
1) über 20 Jahre alt
2) Anfangsbuchstabe A
3) mit magischen Fähigkeiten
4) übernatürliches Wesen (Elfe, Vampir…)
5) verliebt
Bücher
1) Taschenbuch unter 10 €
2) letzter Band einer Reihe
3) Ich -Perspektive
4) mindestens 500 Seiten
5) 2013 erschienen

Montag, 4. November 2013

Louis Sachar - Löcher. Die Geheimnisse von Green Lake

Stanley Yelnats ist vermutlich der größte Pechvogel überhaupt. Vielleicht abgesehen von allen anderen Männern in seiner Familie, denn die Yelnats leiden unter einem Fluch, seitdem sein Ururgroßvater damals in Europa die überstürzte Auswanderung nach Amerika dem Versprechen vorgezogen hat, die kranke Frau Zaroni auf einen Berg zu tragen. Dass Stanley schließlich im zarten Teenageralter wegen eines Diebstahls verurteilt wird, den er gar nicht begangen hat, passt nur zu gut in die Familiengeschichte. Der Richter verurteilt Stanley zum Aufenthalt in Camp Green Lake, einem Besserungslager mitten in der texanischen Wüste. Hier müssen die Jungen jeden Tag damit verbringen, mitten im Nirgendwo Löcher in den Boden zu graben und eventuelle Fundstücke beim Boss, der Leiterin des Lagers, abzugeben. Schon bald wird Stanley klar, dass diese Löcher ein tieferes Geheimnis bergen - ist der Boss etwa tatsächlich hinter der verschwundenen Beute der berüchtigten Revolverheldin Kissing Kate Barlow her?

Ich habe "Löcher" als Vorausbetrachtung für eine mögliche Klassenlektüre gelesen und bin wirklich durch die Bank begeistert. Das Buch lebt einerseits von einem extrem absurden Humor, denn allein die Ausgangssituation ist so absurd, abgedreht und wahnsinnig, dass man glaubt, einen Sonnenstich zu haben. Andererseits hat Sachar in seinem Buch auch einige der großen Themen untergebracht, die man in einem vergnüglichen Kinderbuch nicht automatisch erwarten würde. Rassendiskriminierung und die Situation der Schwarzen vor der Bürgerrechtsbewegung, Kritik am Strafrecht der USA und des Systems der Boot Camps, und dazu noch eine Portion Kritik an den fehlenden Sozialsystemen der USA - und das alles für Jugendliche, die das lesen und dabei einiges lernen, ohne sich dessen wirklich bewusst zu werden.Gefesselt werden sie von einer Geschichte um Freundschaft und Unglück sowie mit fiesen, gemeinen Personen - und was will ein Zwölfjähriger mehr von einem Buch? In diesem Sinne: bitte lesen ;-)

Samstag, 2. November 2013

[Hörbuch] Finstere Orte (gelesen von Anna Thalbach)

Libby Day ist Anfang 30 und war in ihrer Kindheit so etwas wie eine Berühmtheit. Als sie sieben war, wurden ihre Mutter und ihre beiden Schwestern ermordet. Libby entkam dem Täter und brachte durch ihre zeugenaussage ihren älteren Bruder ins Gefängnis. Jetzt, 24 Jahre später, lebt Libby von den Resten des Spenenfonds, den geschockte Bürger damals für sie bereitstellten, doch der ist nahezu aufgebraucht. Ein Leben mit Arbeit und geregelten Abläufen hat sie seit dem Mord nicht mehr geführt und so kommt ihr die Einladung des "Kill Club" gerade recht. Vor dieser Gruppe von Verbrecher-Interessierten soll sie über den Tattag sprechen. Doch dort wird ihr klar: im Gegensatz zu ihr sind die Mitglieder des Kill Clubs davon überzeugt, dass ihr Bruder nicht der Täter war. Deshalb wollen sie Libby davon überzeugen, wieder Kontakt zu ihrem Bruder und ihrem Vater aufzunehmen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen ...

Ich habe dieses Hörbuch schon im Juni gehört. Allerdings gibt es einen guten Grund, warum ich diese rezension erst jetzt schreibe. Ich habe es vollständig aus meinem Gedächtnis gelöscht. Erst am Wochenende fiel es mir wieder ein, nachdem eine Freundin, die zur Zeit Hörbücher in Massen hört, mir erzählte, wie bescheuert sie das letzte fand. Je mehr sie von der geschichte erzählte, desto sicherer war ich mir, es zu kennen - also habe ich noch einmal reingehört und der Verdrängungsprozess endete. Bingo, das war dieses Hörbuch, in dem eine anfangs total spannende Geschichte immer mehr zerfleddert wurde durch diesen bescheuerten Comic-Schreibstil, bis ich am Ende völlig desinteressiert den Mörder zur Kenntnis nahm!

So lässt sich das Hörbuch für mich zusammenfassen. Die Handlung krank immer mehr daran, dass effektiv nichts passiert und Libbys Ermittlungen immer mehr auf der Stelle zu treten scheinen, auf der sie seit 25 Jahren schon stehen. Dazu kommen Figuren, die nichts anderes als unsympathsich sind. Ich habe nichts gegen unsympathische Helden, wobei selbst die ja letztlich zumindest in ihrer Unsympathie irgendwas an sich haben. Libby dagegen finde ich einfach nur nervig und doof und auch die anderen Figuren sind mir alle zu sehr "durch die Bank weg hard-boiled", es gibt keinen, der nicht nur an sich denkt. Irgendwie haben vor allem die Figuren es mir sehr schwer gemacht, ins Buch zu finden, meistens haben sie mich genervt oder waren so blass, dass ich sie mir überhaupt nicht vorstellen konnte. Was mich am Hörbuch zumindest gefesselt hat, war der Sprecherwechsel - während die Gegenwartspassagen von Anna Thalbach vorgelesen werden (deren Stimme einfach absolut zu der nervigen Libby klingt), trägt ein männlicher Sprecher jeweils die Passagen vor, in denen der letzte Tag vor dem Mord geschildert wird. Diese Umsetzung war dann doch ganz nett, aber ansonsten ist das wirklich ein Hörbuch, das mir nicht im Gedächtnis geblieben ist ...

Agatha Christie - Die geheimnisvolle Botschaft

Glück im Unglück für die Krimi-Cover-Challenge. Nachdem eins meiner Cover nicht gewertet wurde, musste ich mich nicht lange nach einem Blumencover umsehen. Als ich vor drei Wochen zu Hause bei meinen Eltern war, habe ich eine Kiste mit meinen alten Büchern mitgenommen, die meine Mutter gerne endlich vom Dachboden entfernt sehen will. Zwischen zehn und fünfzehn war ich wirklich süchtig nach der Agatha-Christie-Reihe aus dem Loewe-Verlag, weil sie so schön aussah im Regal. Die schwarzen Einbände, die hübschen Aquarellbilder auf dem Cover ... ich schwelge schon wieder in Erinnerungen.

Ganz ähnlich geht es der Hauptfigur Tuppence Beresford zu Beginn von "Die geheimnisvolle Botschaft". Gemeinsam mit ihrem Mann Tommy ist sie trotz ihres vorgerückten Alters (die beiden sind inzwischen um die siebzig) noch einmal umgezogen in ein gemütliches Haus auf dem Lande. In diesem Haus türmen sich noch immer Spuren früherer Besitzer, unter anderem finden sich in der Bibliothek kiloweise alte Bücher. Als Tuppence sie eines Tages durchsieht, stößt sie in einem Buch auf eine seltsame Botschaft. Einzelne unterstrichene Buchstaben ergeben den Satz "Mary Jordan ist keines natürlichen Todes gestorben. Es war einer von uns." Tuppence Neugier ist geweckt, und auch wenn Tommy anfangs keineswegs begeistert ist, stöbern die beiden schließlich in einem Spionagefall aus dem Ersten Weltkrieg herum, der bis in die Gegenwart Auswirkungen hat ...

Als ich dieses Buch jetzt wieder gelesen habe, hat sich mir endlich erschlossen, wieso ich Spionageromane nicht mag. Agatha Christie hat sie mir einfach ein wenig mit diesem Buch verdorben. Das beginnt damit, dass ich das Buch als Kind gelesen und absolut nicht verstanden habe. Diese beiden alten Leute waren mir extrem fremd (tatsächlich ist die fünfbändige Beresford-Reihe die unbekannteste Reihe von Agatha Christie), ich habe etliche Wörter und Zusammenhänge nicht begriffen (zumindest hier in diesem Band setzt die Autorin doch schon einiges an Wissen über den Ersten und Zweiten Weltkrieg voraus, das beim ursprünglichen Publikum noch da war), und das Ende war mir völlig unverständlich. Jetzt beim nochmaligen Lesen muss ich feststellen, dass ich zwar ein wenig mehr von der Handlung der Spionagegeschichte verstehe, dass ich aber immer noch extrem unzufrieden mit dem Ende der Geschichte bin. Es gibt keine vollständige Auflösung, was fünfzig Jahre nach dem Mord auch nicht überraschend ist, aber auch die angedeutete Lösung überzeugt mich einfach nicht. Dafür fand ich Tommy und Tuppence diesesmal viel reizender und herrlich altmodisch-englisch, man riecht förmlich den Tweedflecken auf der Strickjacke, wenn ihr wisst, was ich meine. Das hat das Buch für mich dann doch wieder rausgerissen - aber für Krimikost bleibe ich dann doch lieber bei Miss Marple und Hercule Poirot. Herrlich, von denen liegen hier auch noch einige auf dem Stapel herum :-)

Mittwoch, 30. Oktober 2013

[Challenge] Ungelesene Bücher

Dank der großen weiten Blogger-Welt stolpere ich immer wieder über interessante Gedanken, die mich nicht mehr loslassen. Bei Ada habe ich eine wunderschöne Idee gefunden, die so einfach ist, dass ich vermutlich alleine nicht mehr drauf gekommen wäre.

Ich lese viel, das ist mir klar. Und weil ich so viel lese, habe ich inzwischen einen SUB von mittlerer Höhe, der beständig anwächst. Zum Teil fristen die Bücher ein langjähriges, staubiges Regaldasein, ohne jemals das Licht der Nachttischlampe zu erblicken, und allmählich geraten sie in Vergessenheit. Genau deshalb habe ich jetzt seit drei Tagen meine Abende damit verbracht, mein Regal zu sichten.

Das für mich doch erstaunliche Ergebnis war, dass ich nur 67 ungelesene Bücher besitze, das ist erstaunlich. Wobei, genau jetzt, wo ich tippe, bemerke ich, dass ich einige vergessen habe, die im Schlafzimmer in meinem Nachttisch stehen - ich erhöhe also auf 83 Bücher.

83 Bücher, das ist weniger als ich im Jahr lese, selbst in einem schlechten Lesejahr wie diesem. Das muss doch zu schaffen sein, innerhalb eines Jahres diesen Berg in eine Ebene zu verwandeln, oder? Ich werde es zumindest versuchen und das funktioniert nur, nach einigen wenigen Regeln.

Ich bin ein Bücherhorter, ich bestelle und kaufe sehr gerne Bücher auf Vorrat ein. Im nächsten Jahr will ich versuchen, das zu ändern, indem ich nur dann ein Buch kaufen darf, wenn ich ein Buch von diesem Stapel gelesen habe. Das wird wirklich schwer, denn damit heißt es, ein Jahr lang einen Bogen um medimops zu machen - meine Untergangs-Website, weil ich hier wirklich gnadenlos zuschlage.
Wenn ich mir ansehe, welche Bücher hier so lange darauf warten, gelesen zu lesen, dann sind es in erster Linie moderne Klassiker, um die ich einen Bogen mache, weil ich Angst habe, sie nicht zu verstehen. Was völlig bescheuert ist, wenn ich genauer darüber nachdenke. Ich hoffe, dass ich diesen Bergabbau auch dazu verwenden kann, endlich wieder einmal Literatur zu lesen und nicht nur die Bestsellerlisten rauf und runter. Die sind in dem Stapel auch genug vertreten, keine Sorge, aber ich freue mich zum Beispiel endlich mal darauf, keine Ausrede mehr zu haben, um "Der Laden" zu lesen.

Ich hoffe, ihr begleitet mich auf dieser Reise. Fühlt euch ruhig eingeladen, auch bei euch in die Regale zu schauen und wiederzuentdecken, was ihr dort vor so langer Zeit eingestellt habt, dass ihr euch vielleicht gar nicht an das Kaufdatum erinnert. Lest, berichtet und habt Spaß an euren Büchern - das ist mein Lesevorsatz für das nächste Jahr :-)

Sonntag, 27. Oktober 2013

Morton Rhue - Boot Camp


Stell dir vor, du bist grade im Sommerurlaub im Ferienhaus deiner Eltern. Alles ist cool, du liegst im Bett - und plötzlich stehen ein Mann und eine Frau vor dir, fesseln dich und stecken dich in ein Auto. Sie fahren einfach nur mit dir weg. Aber nicht, weil sie Lösegeld erpressen wollen, sondern weil deine Eltern das so wollen. So ergeht es Connor, einem Teenager, der seinen Eltern zu rebellisch geworden ist. Nicht nur, dass er Widerworte gibt oder gelegentlich die Schule schwänzt, weil er sich dort langweilt - er hat auch noch ein Verhältnis mit einer zehn Jahre älteren Lehrerin begonnen. Deshalb wird er von ihnen in ein Boot Camp gesteckt, das den Ziel hat, ihn in ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft zu verwandeln - und dabei auch vor Misshandlungen nicht zurückschrecken wird ...

Wenn ich schon dachte, die anderen Bücher Morton Rhues sind nichts für schwache Nerven, wurde ich hier eines besseren belehrt. Dieses Buch ist wirklich streckenweise einfach nur brutal und grausam - dabei aber nie unrealistisch, das ist das fiese an der Sache. Man kann sich nicht nur vorstellen, dass es so sein könnte, sondern man stellt sich vor, dass es genau so ist. In Lake Harmony, wie dieses Boot Camp zynischerweise heißt, gelten eigene Regeln, die vom Anstaltsleiter gemacht werden, und die von Grundrechten nur wenig halten. Connors Eltern sind der Meinung, ihr Sohn müsse erzogen werden - und Erziehung bedeutet für sie Anpassung. Dass Connor sich eigentlich nur so verhält, wie jeder 15-Jährige, der sich selbst für zu cool und zu clever hält und meint "das System" zu durchschauen, spielt dabei keine Rolle. Sie haben das Geld, dafür zu bezahlen.
Dieses Bild, das Rhue hier darstellt, soll tatsächlich Realität sein. 50 bis 100 private Boot Camps gibt es anscheinend in den USA, also Erziehungsanstalten, die nicht als Ersatzgefängnis dienen, sondern deren Insassen von den Eltern dorthin geschickt werden. Dementsprechend bleiben die Jugendlichen dort entweder, bis sie volljährig sind oder bis sie als reif betrachtet werden - je nachdem, was früher eintritt. Ich hätte mir diesmal einen noch umfangreicheren Anhang gewünscht, als es bei Rhues Romanen der Fall ist, um dieses hier doch unbekannte System darzustellen. Denn hier in Deutschland assoziiert man damit ja vor allem die Anstalten für jugendliche Häftlinge, in die sie statt Gefängnisse verlegt werden können. Die Geschichte an sich ist spannend erzählt und wie immer bei Rhue bietet sie mehr als nur eine Sichtweise und ein Ende, das man in viele Richtungen weiterdenken kann. Deshalb absoluter Kauftipp ;-)

C.E. Lawrence - In süßer Ruh

Nach dem Besuch einer Party wird die Leiche der Schülerin Candy im Park entdeckt - völlig blutleer, aber bis auf eine Einstichstelle unverletzt. Wenig später wird eine zweite Frauenleiche entdeckt mit demselben Bild. Die New Yorker Polizei ist alarmiert - hält sich dort draußen wirklich ein Serienmörder für einen Vampir? Der Psychologe Lee Campbell wird mit in die Ermittlungen einbezogen und stößt auf die Spur des Täters ...

Ich hatte mir das Buch wirklich vor allem wegen des Einbands gekauft, weil der einfach sehr spannend aussieht, den Klappentext habe ich gar nicht groß beachtet. Das Buch legt auch ziemlich gut los und beginnt mitten auf einer Steam-Punk-Party, die ich einfach von der Schilderung her durchaus spannend fand. Diese Steam-Punk-Idee hat mir extrem gut gefallen, eine Subkultur, die so ein wenig unbekannt ist und für Atmosphäre sorgt, spielt während der Handlung immer wieder eine Rolle und sorgt durchaus auch für die ein oder andere lustige Vorstellung. Allerdings finde ich, dass aus dieser guten Idee sehr wenig gemacht wird und der Steam Punk immer mehr zu Staffage verkommt, während man einem eher langatmigen Lee Campbell durch die Seiten folgen muss. Die Erzählsprache ist ziemlich gemächlich und die Ergreifung des Täters auch nicht so wirklich fesselnd - ich hätte es mir nach dem ersten Kapitel viel besser vorgestellt. So plätschert das Buch leider ziemlich dahin.

Christine Schlitt - Berühmte Kriminalfälle. Von Verbrechern, Kriminalisten und Agenten

Dieses Buch stand in der Abteilung der Jugendsachbücher in der Bibliothek herum und ich bin immer noch am Überlegen, ob es da richtig einsortiert war oder nicht ...
Das Buch bietet eine Fülle an Fällen, die spannend präsentiert werden. Es gibt umfangreiches Bildmaterial, zusätzliche kleine Infokästen (die mag ich persönlich ja besonders gern und hätte sie auch immer gern auf meinen Arbeitsblättern) und ist alles in allem ein guter Einstieg in die wichtigsten und bekanntesten Kriminalfälle. Die meisten davon werden einem im Laufe der Zeit auch in anderen Bänden begegnen, aber als Einstieg hat mir das Buch durchaus gefallen. Allerdings ... nein, Jugendbuch ist es nicht gerade, denn ich glaube, dass die zum Teil von den historischen Hintergründen z.B. bei Mata Hari einfach ein wenig überfordert wären.

Wenn ich mir meine Schüler ansehe, dann ist das zum Teil eine Generation, die bereits nicht einmal mehr mitbekommen hat, dass wir mal eine andere Währung als den Euro hatten oder für die die DDR so weit entfernt ist, wie für mich in der Schule die Gründung der Zweite Weltkrieg. Und grade die im Buch vorgestellten Agententätigkeiten brauchen dann doch einiges an historischem Hintergrundwissen, das die kleinen Infokästen allein nicht liefern können. Ein Jugendbuch für wirklich ältere, ja, das ist es vielleicht - für Erwachsene manchmal ein wenig zu flach, aber dennoch ganz okay zu lesen für einen kleinen literarischen Zwischensnack.

[Lieblingsbücher-Challenge] Hans Pfeiffer - Der Zwang zur Serie

Dass ich True-Crime-Bücher liebe, dürfte dem ein oder anderen meiner Leser inzwischen klar geworden sein. Beginnen hat es alles mit diesem Buch, das seitdem mit mir vier Umzüge gemeistert und mein Regal bereichert hat. Ich habe es mit ungefähr 15 zum ersten Mal gelesen und es gehörte damals zu meinen absoluten Lieblingen und wurde mehrfach nachgelesen. Im Zuge der "Lieblingsbücher-Challenge" habe ich gedacht, es wäre gar nicht schlecht, damit anzufangen - auch als Abschluss der Krimi-Cover-Challenge, es geht also alles nahtlos über ;-)

"Der Zwang zur Serie" stellt eine Mischung sehr bekannter Fälle von Serienmördern zusammen, von denen man irgendwann schon mal gehört hat. Burke und Hare, Tschikatilo, Marybeth Tinning, Jürgen Bartsch - das sind nur ein paar Namen, die einem hier über den Weg laufen. In kurzen Kapiteln stellt Pfeiffer die Mörder und ihre Taten vor und schreibt dabei extrem spannend und anschaulich. Das ist es wohl, was mir damals so daran gefallen hat, es ist ein sehr romanartiger Stil, der den Einstieg in diese Literaturart erleichtert. jetzt, fast 15 Jahre nach dem ersten Lesen, muss ich aber sagen, dass ich dieses Buch nicht mehr zu den absoluten Lieblingen zählen würde. Dazu ist mir zu wenig theoretischer Hintergrund dabei, legt mir der Autor zu viel Wert auf die detaillierte Schilderung eines Mordes und zu wenig Wert auf die psychologischen Hintergründe. Sehr oft weicht Pfeiffer in saloppe Schlussfolgerungen aus, statt ein wenig mehr Forschung zu betreiben. Dennoch, das Buch lässt mich nicht los und wird weiterhin im Regal stehen. Und sei es einfach nur, weil ich es schön fand, wieder einzutauchen in dieses frühere Leser-Ich, das damals beim zweiten oder dritten Lesen pseudo-kluge Kommentare an den Rand gekritzelt hat und sich dabei so unendlich psychologisch vorkam :-) Die habe ich nämlich auch beim Lesen wieder entdeckt, so wie auch die selbst beigefügten Bilder (das Buch enthält keine), die ich im Internet mühsam zusammengesucht habe. Ich hatte wirklich vergessen, wie faszinierend ich dieses Buch damals beim ersten Mal fand und finde allein deshalb bereits, dass sich diese Challenge gelohnt hat ;-)

Sonntag, 20. Oktober 2013

[Vergleich] Morton Rhue - Asphalt Tribe vs. Stefani Kampmann - Asphalt Tribe


Ich habe beide Bücher parallel gelesen und dachte, es ist vielleicht interessant, heute mal das Augenmerk darauf zu richten, die Umsetzung eines bekannten Jugendbuchs in ein anderes Jugendmedium zu beobachten. Zunächst aber mal zum Roman ;-)

„Asphalt Tribe“ ist weniger eine stringent erzählte Handlung mit Anfang und Ende, als vielmehr ein Ausschnitt aus einem alltäglichen und dennoch für uns unbekanntem Leben, nämlich dem von Straßenkindern. Nicht etwa Straßenkinder in Drittweltländern, sondern in Industrienationen, in denen man diesen Kindern durchaus begegnet, wenn man die Augen offen hält. Im Buch versammelt ist am Beginn eine wilde Mischung von Kindern zwischen elf und achtzehn, die gemeinsam in einer amerikanischen Großstadt überleben. Warum sie auf der Straße leben, ist völlig unterschiedlich, der eine entkommt seiner gewalttätigen Familie, der andere der Lieblosigkeit des Elternhauses. Gemeinsam haben sie, dass sie versuchen müssen, klarzukommen und so simple Dinge wie die Frage „Wo kriegen wir essen her, wo kann man sich waschen?“ geklärt werden müssen. Viele halten es nur aus, indem sie Drogen nehmen und dadurch z.B. zur Prostitution gezwungen sind, andere schaffen einen Absprung durch Hilfe von außen. Am Ende des Romans stehen gleichzeitig Hoffnungslosigkeit und Hoffnung nebeneinander und der Leser ist, wie immer bei Morton Rhue, aufgefordert, sich selbst seine Gedanken zu machen und Schlüsse zu ziehen …

Morton Rhues Bücher sind in vielen Fällen ziemlich knallhart und durchaus schonungslos. Auch wenn hier Dinge wie Vergewaltigung und Tod (oder sagen wir es ganz knallhart: Verrecken auf der Straße) nur angedeutet werden, ist das Buch doch ziemlich starker Tobak, weil es so absolut keine Wertung vornimmt, sondern nur darstellt. Es ist ein Kamerablick, trotz der Ich-Perspektive, in der das Buch geschrieben wird, es ist eins der Straßenkinder, das hier seinen Alltag erzählt. Diese Perspektive ist ungewöhnlich und lädt natürlich zur Auseinandersetzung ein, so dass das Buch quasi prädestiniert für den Unterricht ist.

Mit der Graphic Novel, die die Geschichte unverändert übernimmt, kann der Unterricht definitiv ergänz werden, da ich finde, dass es sich hier um eine wirklich gute Umsetzung handelt, die dem Original gerecht wird. Die Strichführung ist sehr fest und geradlinig, entspricht also der Erzählperspektive im Roman. Auch wenn die Bilder relativ hübsch sind, hier ist nicht viel Weiches zu finden und es gibt ziemlich gute Panels, die die Weite der Großstadt und die Einsamkeit der Figuren deutlich machen. Was mir besonders gut gefallen hat, war der doppelseitige Aktenauszug, der immer mal zwischendrin eingestreut wurde und eines der Straßenkinder zum Thema hatte. Mit Fotos aus der Zeit bei ihrer Familie, einem kurzen Steckbrief und einer Zusammenfassung der Erfahrungen mit Polizei und Jugendamt erhält man kurz, knapp und sehr präzise einen Einblick in das Leben, das man sich im Roman zusammensuchen muss. Für mich war das wirklich eine eigene Auseinandersetzung der Zeichnerin mit dem Roman, statt ihn einfach nur in Bilder zu kleiden, und hat mir gut gefallen. Ich würde die graphic novel nicht allein empfehlen, weil Bildsprache interpretieren nicht unbedingt jedem liegt, aber sie ist ein guter Einstieg in den Roman oder ein Abschluss. Ersetzen sollte sie ihn nicht unbedingt.

Daniel Erk - So viel Hitler war selten

Manchmal reicht ein weißer Hintergrund, ein schwarzes Quadrat und ein schwarzer Kreisausschnitt, und sofort entsteht ein Bild. Nein, keine moderne Kunst, sondern ein Bild vor unserem inneren Auge, das sich einfach einstellt - ein Blick nach links genügt, um zu wissen, wovon ich spreche ...

Daniel Erk betreibt für die TAZ den Hitler-Blog und hat sich in "So viel Hitler war selten" die Aufgabe gestellt, der Frage nachzugehen, warum allein der Name Hitler selbst knapp achtzig Jahre nach der Machtergreifung so gut funktioniert. Dabei stellt er fest, dass wir heute mit Hitler nahezu überfrachtet sind. Seien es extrem geschmacklose Werbungen im Ausland (nein, nicht der Mercedees-Spot - es gibt eine Zigarrenmarke, die mit Hitler wirbt) oder Guido Knopps Offenbarungen über Hitlers Frauen, Hunde, Urologen. Seit "Der Untergang" kursieren Memes im Internet, in denen der Wutausbruch Hitlers neu synchronisiert/untertitelt wird, und wenn meine Schüler meinen, witzig zu sein, genügt es, einen Satz einfach mit schnarrender Stimme zu sprechen ... Aber ist dieser Umgang tatsächlich der, den man pflegen kann/darf/sollte? Letztlich gibt das Buch keine Antwort darauf. Es ist eine Sammlung von absurden bis sehr banalen Aussagen über die Frage "Darf man Hitler benutzen, den Nationalsozialismus für etwas anderes verwenden als als historisches Beispiel?" Natürlich wird die Frage gestellt, ob man über Hitler lachen darf, allerdings finde ich, dass Erk hier ziemlich um den heißen Brei herumredet - das gesamte Buch ist zwar mit Beispielen angefüllt, doch Erk selbst scheint weder Antwort geben zu wollen noch zu können, und tanzt so einfach nur von einem "hier, einen hätte ich noch" zum nächsten weiter. Das ist schade, weil mich das Thema echt interessiert hätte. Im Moment ist es einfach nur eine schriftliche VErsion des Hitler-Blogs, das man auch gratis im Internet lesen kann.