Freitag, 18. Mai 2012

Edmund de Waal - Der Hase mit den Bernsteinaugen

264 Netsukes, kleine aus Elfenbein geschnitze Figuren, sind das Erbe Edmund de Waals von seinem Onkel Ignaz, der in Tokio lebte. 264 Netsukes sind es, die sich wie ein roter Faden immer wieder durch das leben der jüdischen Familie Ephrussi ziehen, die sich als Getreidegroßhändler und Bankiers in die Rehe der Rothschilds eingliedern. Edmund de Waal ist ein Nachfahre von ihnen und nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Jahrhunderte und durch die Geschichte seiner Familie...

Ich glaube, ich habe ein Buch gefunden, dem ich ohen Umschweife das Adjektiv "elegant" als Beschreibung geben kann. Dieses Buch ist es wirklich, elegant. Wer erwartet, einfach nur eine übliche "und dann kamen die Nazis"-Familienbiographie zu erhalten, wird von de Waals Werk vermutlich enttäuscht sein. Natürlich spielt der aufkommende Nationalsozialismus und der Holocaust eine Rolle in der Familiengeschichte, aber er setzt bereits weitaus früher an, nämlich bei seinem Urahn Charles Ephrussi, der eines der Vorbilder für die Figur Charles Swanns in Marcel Proust Romanwerk darstellte, und als Kunstkenner und Lebemann im Paris des ausgehenden 19.Jahrhunderts lebte. Er war es, der im Zuge der damaligen Japan-Faszination mti seiner Geliebten Louise die Natsukes kaufte und sie fortan durch die Familie vererbte, bis sie schließlich in Edmund des Waals Arbeitszimmer in London landen. Edmund de Waal macht sich auf die Suche nach seiner Familiengeschichte und das ganze so leise und harmonisch wie eine perfekte Natsuke-Schnitzerei sein sollte. Zum Teil weitschweifig, zum Teil zu ausführlich, aber immer eloquent und mit einem Sinn dafür, dem Leser vor allem haptische Erfahrungen zu ermöglichen, kommt dieses Buch daher, und ich muss sagen, es war genau perfekt für diese Zeit im Jahr, wenn es ein bisschen warm aber noch nicht zu heiß ist. Eine faszinierende Familiengeschichte, die ich jederezti empfehlen würde ;-)

Freitag, 11. Mai 2012

Jan Weiler - Maria, ihm schmeckt's nicht

Jan Weiler hat eingeheiratet in eine italienische Familie. Dass das bedeutet, von seinem Schwiegervater quasi adoptiert zu werden, war ihm irgendwie klar. Dass er fortan ein Leben auf Italienreise führt, eher nicht. Und so schreibt er über das alltägliche Chaos in einer ganz normalen deutsch-italienischen Familie...

Hattet ihr das schonmal, dass ihr bei einem Buch während des Lesens das Gefühl hattet, kontrollieren zu müssen, ob ih nicht irrtümlich ein Exemplar erstanden habt, in dem die Hälfte der Seiten fehlt? Ich hatte dieses Gefühl beim Lesen dieses Buches immer wieder. Ich hatte beim Lesen ständig die Hoffnung, dass da jetzt noch der ganz große Wurf kommen muss, denn schließlich soll das Buch doch so toll sein - und dann war es plötzlich aus. Und ich hatte irgendwie das Gefühl, etwas verpasst zu haben, und gleichzeitig so einen komischen Restgeschmack im Mund, von dem ich nicht genau sagen kann, woher er kommt. Vielleicht daher, dass Jan Weiler zwar nett anfängt - das erste Treffen mit seinem Schwiegervater Antonio ist wirklich lustig geschildert -, sich dann aber einfach immer nur wiederholt. Sie fahren nach Italien und treffen die Familie. Sie fahren zum Weihanchtsfest nach Italien und treffen die Familie. Sie fahren in den Urlaub nach Italien und treffen ... ihr ahnt, worauf ich hinaus will. Irgendwann haben sich die "so sind die Italiener"-Klischees auch mal totgelaufen, werden von Weiler aber konsequent weiterbedient und das langweilt mich beim Lesen furchtbar. Anfängliches Lachen weicht gelegentlichem Schmunzeln und wird schließlich ersetzt von müder Zur-Kenntnisnahme. Irgendwann, im wohl langwierigsten und irgendwie auch am sinnfreisten ins Buch eingestrickt wirkensten Teil, erzählt Antonio dann seine Lebensgeschichte. Jetzt könnte es interessant werden, jetzt könnte Weiler es schaffen, aus dem Buch ein Glanzstück zu machen, in dem nicht nur Klischees aneinandergereiht werden, sondern in dem unterhaltsam und dennoch irgendwie tiefgründig das Leben der ersten Gastarbeiter-Generation in Deutschland geschildert wird. Aber da verlässt Weiler dann doch sein Erzähltalent, die ganze Geschichte wirkt sehr lieblos und in erster Linie plakativ, ich finde keinen wirklichen Zugang zu Antonio (und diese peinlichen Versuche, ihn als überlgenene Rächer in die Überlegungen des Lesers hineinzubringen sind irgendwie sehr ... absonderlich) und hoffe, dass es vielleicht doch mal weitergeht mit einem Inhalt, mit irgendwas, was diese lockere Sammlung familieninterner Anekdötchen zusammenhalten könnte - und da ist schon die letzte Buchseite.

Nein, so wirklich warm geworden bin ich nicht mit "Maria, ihm schmeckt's nicht". Es ist kein hochgradig schlechtes Buch, aber auch nicht wirklich gut.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Hans Fallada - Ein Mann will nach oben

Der 16jährige Karl Siebrecht bricht nach dem Tod seines Vaters aus der Provinz auf nach Berlin, um die Hauptstadt zu erobern. Man schreibt das Jahr 1906 und Karl wäre in der Stadt verloren, träfe er nicht schon im Zug Rieke Busch, eine patente Vierzehnjährige, die ihn unter ihre Fittiche nimmt. Und so verfolgt der Leser Karls Weg nach oben, der geprägt ist, vom Scheitern, von Erfolgen, und von den Frauen, die Karls Leben prägen.

Mein zweiter Fallada und ebenso gut wie der erste, wenn auch unter ganz anderen Bedingungen. Während ich bei "Jeder stirbt für sich allein" vor allem von der geschilderten Geschichte gefessel war, hat mich in diesem Fall das dichte Lokalkolorit im Roman einfach gepackt. Es war grandios, Karl durch die Großstadt zu folgen, und Riekes Berliner Schnauze bringt immer genau die richtigen Worte im richtigen Moment hervor. Der langsam wachsende Erfolg der Gepäckbeförderung, die Karl mit seinem Freund Kalli aufzieht, freut mich als leser einfach, weil ich mit den Personen so mitfiebere. Fallada ist ganz dicht an seinen Figuren dran, nimmt den Leser an die Hand und Karls Geschichte habe ich bis 1914 gut folgen können. Aber danach ist ein ziemlicher Bruch drin im Lesefluss. Die kreigsjahre werden völlig unterschlagen und Karl kommt 1919 aus der Gefangenschaft nach Hause heiratet urplötzlich Rieke und ich frag michd ie ganze Zeit, wie er überhaupt auf diese Idee verfallen ist. Da wqird nichtmal angedeutet, dass er sich seine Liebe einbildet, das ist einfach so ... willkürlich gewählt. Fallada verarbeitet da anscheinern dvor allem seine eigene, sehr unglückliche Ehe, aber diese Motivation seiner Figuren sit eifnach nicht nachvollziehbar. Dazu kommt, dass der Roman bis ca. 1930 spielt, also auch rein in die Wirtschaftskrise, und das, wo zuvor schon die Inflation von 1923 beschrieben wird. Ich hatte das Gefühl, jetzt wiederholt sich nochmal alles von vorn. Aber gut, das hatten die Menschen in diesen Jahren vermutlich auch...

Nichtsdestotrotz war das Buch unglaublich gut, ein paar Falladas stapeln sich hier noch, ich freu mich schon drauf, sie zu lesen.