Sonntag, 27. Oktober 2013

Morton Rhue - Boot Camp


Stell dir vor, du bist grade im Sommerurlaub im Ferienhaus deiner Eltern. Alles ist cool, du liegst im Bett - und plötzlich stehen ein Mann und eine Frau vor dir, fesseln dich und stecken dich in ein Auto. Sie fahren einfach nur mit dir weg. Aber nicht, weil sie Lösegeld erpressen wollen, sondern weil deine Eltern das so wollen. So ergeht es Connor, einem Teenager, der seinen Eltern zu rebellisch geworden ist. Nicht nur, dass er Widerworte gibt oder gelegentlich die Schule schwänzt, weil er sich dort langweilt - er hat auch noch ein Verhältnis mit einer zehn Jahre älteren Lehrerin begonnen. Deshalb wird er von ihnen in ein Boot Camp gesteckt, das den Ziel hat, ihn in ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft zu verwandeln - und dabei auch vor Misshandlungen nicht zurückschrecken wird ...

Wenn ich schon dachte, die anderen Bücher Morton Rhues sind nichts für schwache Nerven, wurde ich hier eines besseren belehrt. Dieses Buch ist wirklich streckenweise einfach nur brutal und grausam - dabei aber nie unrealistisch, das ist das fiese an der Sache. Man kann sich nicht nur vorstellen, dass es so sein könnte, sondern man stellt sich vor, dass es genau so ist. In Lake Harmony, wie dieses Boot Camp zynischerweise heißt, gelten eigene Regeln, die vom Anstaltsleiter gemacht werden, und die von Grundrechten nur wenig halten. Connors Eltern sind der Meinung, ihr Sohn müsse erzogen werden - und Erziehung bedeutet für sie Anpassung. Dass Connor sich eigentlich nur so verhält, wie jeder 15-Jährige, der sich selbst für zu cool und zu clever hält und meint "das System" zu durchschauen, spielt dabei keine Rolle. Sie haben das Geld, dafür zu bezahlen.
Dieses Bild, das Rhue hier darstellt, soll tatsächlich Realität sein. 50 bis 100 private Boot Camps gibt es anscheinend in den USA, also Erziehungsanstalten, die nicht als Ersatzgefängnis dienen, sondern deren Insassen von den Eltern dorthin geschickt werden. Dementsprechend bleiben die Jugendlichen dort entweder, bis sie volljährig sind oder bis sie als reif betrachtet werden - je nachdem, was früher eintritt. Ich hätte mir diesmal einen noch umfangreicheren Anhang gewünscht, als es bei Rhues Romanen der Fall ist, um dieses hier doch unbekannte System darzustellen. Denn hier in Deutschland assoziiert man damit ja vor allem die Anstalten für jugendliche Häftlinge, in die sie statt Gefängnisse verlegt werden können. Die Geschichte an sich ist spannend erzählt und wie immer bei Rhue bietet sie mehr als nur eine Sichtweise und ein Ende, das man in viele Richtungen weiterdenken kann. Deshalb absoluter Kauftipp ;-)

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