London im Winter 1920. Als die Mittzwanzigerin Elsie Cameron den neunzehnjährigen Norman Thorne trifft, ist sie hin und weg. Elsie, die Angst hat, als alte Jungfer zu enden, ergreift die Initiative und Norman ist durchaus angetan von ihr. Doch als er ein Jahr später arbeitslos wird, verstärken sich die Probleme mit Elsie. Während sie alles daran setzt, Norman zu heiraten, würde er zumindest gerne ihre ständigen Nervenzusammenbrüche, ihre Launenhaftigkeit ändern. Die Idee, eine Hühnerfarm in Sussex zu eröffnen und sich so allmählich von Elsie zu lösen, kommt da wie gerufen. Doch als er sich mit ihr verlobt, die Hochzeit immer wieder verschiebt und schließlich eine andere kennenlernt, weiß er nicht mehr, wie er aus dieser Situation rauskommen soll ...
"Der Schrei des Hahns" ist eine sehr kurze Nacherzählung des tatsächlichen Mords an Elsie Camerson, für den Norman Thorpe 1925 hingerichtet wurde. Bis heute ist die Beweisführung im Fall nicht hundertprozentig schlüssig, denn während die Anklage erklärte, keine Strangulierungsmerkmale an Elsies Hals und am Balken, an dem sie sich angeblich erhängt hatte, feststellen zu können, behaupteten die Gutachter der Verteidigung das genaue Gegenteil. Über den Fall bin ich im Rahmen meiner True-Crime-Erfahrungen immer wieder gestolpert und dementsprechend war es zumindest für mich ein bewusst gewählter Abschluss der Krimi-Cover-Challenge, endlich auch das Buch zu lesen.
Minette Walters steht eindeutig auf der Seite Normans und geht davon aus, dass Elsies Tod tatsächlich ein in die Hose gegangener Fake-Selbstmord war, mit dem sie hoffte, Norman an sich binden zu können, und dass Norman bei der Entdeckung ihrer Leiche einfach durchdrehte und sie zerteilte, um sie besser verstecken zu können. Da dies aber nicht beweisbar ist, entscheidet sich Walters dafür, diese Szene komplett auszulassen. D.h. das Buch hat in der Mitte eine ziemliche Bruchstelle. Während bis dahin die Gedanken und Gefühle Elsies und vor allem Normans geschildert werden, unterbricht das Buch diese Ebene mit dem Auftauchen der Polizei, den Verhören Normans und der Hinrichtung. Dieser zweite Teil der Handlung ist ziemlich kurz gehalten, das sind etwa dreißig Seiten, in denen man keinen Zugang mehr zum Innenleben der Figuren bekommt. Das ist schade, denn hätte Walters sich die Zeit genommen, das darzustellen (oder einfach nur ein bisschen mehr des Prozesses, der eben allein durch den Gutachterstreit spannend und interessant ist), hätte das Buch echt sehr gut werden können. So bleibt es extrem skizzenhaft, was sicher auch daran liegt, dass die Autorin hier kein Sachbuch schreiben wollte, sondern eine literarische Verarbeitung. Das gelingt im ersten Teil bis zum Verschwinden Elsies besser. Nichtsdestotrotz, wer einfach mal reinschauen will, die 140 Seiten lohnen sich schon ;-)
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