1957 wurde der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt darum gebeten, das Drehbuch für einen Film zu entwickeln, der Sexualverbrechen an Kindern thematisieren sollte. Während der Arbeit am Film kam es jedoch immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Dürrenmatt, dem Regisseur und den Produzenten, und auch wenn er den Film am Ende nicht ablehnte, war es für Dürrenmatt keine wirklich befriedigende Aufgabe geworden. Ihn hätte vielmehr die Frage interessiert, ob ein Mörder denn tatsächlich allein durch clevere Polizeiarbeit gefasst werden kann oder ob nicht vielmehr der Zufall die Polizeiarbeit steuert. Um dieser Frage nachzugehen, schrieb er nach Ende der Drehbucharbeit den Roman "Das Versprechen", der die Handlung des Films als Ausgangslage nimmt, allerdings auch deutliche Änderungen aufweist, die er im Film nicht hatte durchsetzen können.
Den Inhalt kurz zusammenfassen kann ich fast gar nicht, denn dadurch würde die Qualität des Romans schon dadurch verloren gehen, dass man die Rahmenhandlung nicht würdigt. In ihr ist ein Schweizer Kriminalschriftsteller auf einer Tagung und lernt dort einen Kriminalkommissar kennen. Bei einem gemeinsamen Abendessen kommen die beiden ins Diskutieren über den Anspruch des Kriminalromans, eine Lösung zu präsentieren und die Leser zu unterhalten, der mit der Realität des Polizeialltags nichts zu tun hat. Um dies zu beweisen, nimmt der Polizist den Schriftsteller mit zu einer Tankstelle, die von einem ehemaligen Kollegen betrieben wird, und erzählt dessen Geschichte. Besagter Kommissar Matthäi ermittelte in einem Fall eines ermordeten Mädchens und gab den Eltern das Versprechen, den Mörder zu finden. Der schon bald festgenommene Hausierer, der sich im Gefängnis umbringt, ist nach Matthäis Überzeugung nicht der Täter und so ermittelt er privat weiter.
Ich habe das Buch wirklich in kurzer Zeit durchgehabt, denn Dürrenmatts Schreibweise kommt mir sehr entgegen: keine langen Worte, keine unnötigen Zwischenschritte, sondern sehr klare und präzises Aussagen mit messerscharfen Beobachtungen. "Das Versprechen" ist kein klassischer Kriminalroman, sehr früh steht fest, dass Matthäi scheitern wird, ja im Dienst der Geschichte einfach scheitern muss, und dennoch hofft man als Krimileser das Gegenteil. Ich finde sogar, dass das dann in der Rahmenhandlung präsentierte Ende fast noch gestrichen werden sollte, es kommt mir ein bisschen so vor, als wollte Dürrenmatt hier dem verwirrten Leser doch noch eine gewohnte Auflösung schenken - dabei ist doch das eigentlich Interessante am Buch, dass dies eben nicht so ist. Dass die Probleme der Polizei nicht die Verbrechen sind, sondern die Ungewissheit, den Verbrecher zu finden - und dass die größten Versprechen nichts nützen, wenn der Zufall sich dagegen wendet. Matthäi ist jemand, der dieses Prinzip nicht wahrhaben will und daran zugrunde geht, ein verbissener Jäger, der seine Beute nicht loslassen will und dafür im Notfall über Leichen geht. Eigentlich ein Unsympath, und dennoch empfindet man für ihn Mitleid - es ist nicht seine Entscheidung, so zu werden, es ist das Verprechen, das er halten will und nicht halten kann. Bei seiner Seligkeit schwört er der Mutter des toten Mädchens, den Mörder zu fassen, und genau die riskiert er auch mit seiner jahrelangen Suche.
Ein deprimierendes Buch? Ja. Aber trotzdem ein Buch, das es auf die "Zum Glück endlich gelesen"-Liste schaffte.
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