Vor etwa zwei Jahren habe ich hier eien Rezension zu dem Buch "Evangeline" veröffentlicht, das mich immer noch geglentlich beschäftigt. Mit "Überleben" habe ich jetzt ein Tatsachenbuch gelesen, das die Überlegungen aus dem Roman nochmal deutlich verschlimmert hat.
1972 stürzte eine Maschine mit 45 Menschen an Bord mitten in den Anden ab. An Bord war eine Rugby-Mannschaft aus Urugay mit ihren Verwandten und Freunden, die zu einem Freundschaftsspiel nach Chile unterwegs waren. Nach zehn Tagen wurde die Suche eingestellt, da man davon ausging, dass niemand den Absturz und die eiskalten Temperaturen in den Anden überlebt haben konnte. Nach 72 Tagen fand ein Bauer zwei abgemagerte, bärtige Männer, die erklärten, sie und 14 weitere Menschen hätten überlebt. Nachdem die Überlebenden ins Krankenhaus gebracht wurden, veröffentlichte eine chilenische Zeitung Fotos von der Absturzstelle, auf denen deutlich zu sehen war, dass die 16 Menschen zum Teil die anderen Opfer des Absturzes gegessen hatten, um nicht zu verhungern. So weit die Fakten.
"Überleben" ist eine zum Teil wirklich knochentrockene Aufzählung dieser Fakten und der Entwicklung in zweieinhalb Monaten, die nicht zuletzt auf Wunsch der Überlebenden geschrieben wurde, um sowohl Gerüchten als auch Heldenstilisierungen entgegenzuwirken. Dementsprechen liest sich das Buch gelegentlich wirklich zäh, vor allem, wenn z.B. minutiös die einzelnen Versuche der Verwandten in Urugay zur Sprache kommen, die Suche nach den Abgestürzten voranzutreiben. Was mir auch ein bisschen gefehlt hat, war das Bildmaterial, hinten am Ende sind zwei Seiten mit kleinen Schwarz-Weiß-Bildern inr relativ schlechter Qualität - auf diese Weise hatte ich leider immer ein bisschen Probleme, die Leute auseinander zu halten.
Weswegen ich das Buch gelesen habe? Na klar, aus Sensationslust. Ich wollte wissen, wie diese Entscheidung zum Kannibalismus vonstatten ging. Ich wollte wissen, wie es ist, wenn man vor der Entscheidung steht, etwas zu tun, was eigentlich unvorstellbar ist, oder zu verhungern. Die 16 Männer haben jeder ihre eigenen Möglichkeit gefunden, damit umzugehen. Indem sie sehr bewusst Menschenfleisch aßen in Dankbarkeit undd em Wissen, der nächste sein zu können, oder indem sie quasi abschalteten und das Fleisch als Fleisch ohne Herkunft betrachteten. Die ganze Zeit hat man beim Lesen natürlich die Frage im Hinterkopf: was würdest du in dieser Situation machen? Und erstaunlicherweise ist es bei mir weniger die Tatsache, Menschen zu essen, die mich Angst haben lässt vor der Situation, sondern die Tatsache, rohes Fleisch zu essen. Klingt das verrückt? Vielleicht. Wenn ich aber eins beim Lesen gelernt habe, dann dass es eigentlich nichts Verrücktes gibt in Anbetracht der Frage nach Leben oder Tod.
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