Annie und Duncan sind seit langem ein Paar und seit langem leben sie eher nebeneinander her. man hat sich eben eingerichtet im gemeinsamen Alltag. gerade Duncan ist rundum zufrieden mit allem, hat er doch sein Hobby. Duncan ist ein fanatischer, enthusiastischer, manchmal schon zum Fremdschämen reizender Fan des Songwriters Tucker Crowe. 1986 zog sich Crowe unmittelbar vor einem Auftritt aus dem Showbusiness zurück und ist seitdem untergetaucht - alles, was seinen Fans geblieben ist, sind seine Songs, allen voran das Album "Juliet", das seitdem auf der Suche nach Hinweisen analysiert wird. Und dann geschieht alles Schlag auf Schlag. Duncan erhält von Crowes Plattenfirma ein unbekanntes Album, Rohaufnahmen zu "Juliet", die als "Juliet, Naked" veröffentlicht werden sollen. Während Duncan auf seiner Fanseite eine begeisterte Rezension veröffentlicht, antwortet ihm Annie ebendort mit einer sehr viel dezenteren Kritik: für sie ist das Album, einfach nur durchschnittlich. Die Beziehung gerät in eine ernsthafte Krise und wird nicht dadurch gestärkt, dass sich bei Annie plötzlich jemand meldet, der sich von ihrer Kritik endlich verstanden fühlt - Tucker Crowe himself.
Nick Hornby ist ein Musikenthusiast, wer sich ein wenig mit ihm beschäftigt, weiß das. Insofern ist "Juliet, Naked" eigentlich nur ein weiterer Schritt auf seiner Schriftstellerleiter, in der er dies thematisiert. Die Figuren sind älter geworden, statt Mittzwanziger hat man nur Enddreißiger/Anfangvierziger als Protagonisten, die aber immer noch an den alten Problemen kranken. Sie können nicht wirklich erwachsen werden und verbeißen sich in etwas, das sie mit ihrer Jugend verbindet. Tucker Crowe (der entgegen aller Fangerüchten zum trotz ein so grundsolides und anständiges Leben führt, wie man es nur kann) kann mit diesem Kult um sich und "Juliet" nichts anfangen, für das Duncan zum Stellvertreter wird. Überhaupt geht es in diesem Buch immer wieder um Auseinadersetzungen mit sich und seiner Umwelt, um die Frage, was man aus seinem Leben macht und gemacht hat. So surreal eine Inhaltszusammenfassung des Buchs auch klingen mag, so realistisch erscheint es, was vor allem an der sehr gelungen Figurencharakterisierung liegt. Hornby gelingt es hier, allein durch Handlungen und Dialoge seine Figuren bereits genau zu zeichnen, und dadurch versetzt man sich als Leser auch so gut in sie hinein. Egal, welche Figur man betrachtet, es gibt eigentlich keinen Fiesling oder Guten, es gibt einfach Menschen, die ihr Leben so gut wie möglich hinbekommen möchten. Ein Selbstfindungstrip nicht nur zu den Charakteren, sondern letztlich auch zu sich selbst, der nur von einem ein wenig getrübt wird. Horny ist ein großartiger Plauderer, doch hier im Buch ist er manchmal eine Spur zu stark am Abschweifen, zu sehr am Plaudern statt den Figuren einfach ihren Raum zum Handeln zu lassen. Aber darüber kann man hinwegsehen, denn trotz allem ist "Juliet, Naked" ein verdammt gutes Buch geworden ;-)
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