Wenn eine Autorin eine Autobiographie schreibt, läuft sie immer Gefahr, dass man sich in zuviel Pathos verstrickt. Irene Dische umgeht diese Klippe in ihrem Buch gekonnt, denn erstens schreibt sie hier einen Roman und zweitens schnappt sie sich eine Erzählerfigur, die man hätte er finden müssen, gäbe es sie nicht in der Familie: ihre Großmutter.
Elisabeth Rother, aus rheinischem Niederadel stammend, ist alles andere als begeistert, als sie im Jenseits zusehen muss, wie ihre Enkelin die Familienjuwelen verkauft. Wo käme man denn hin, wenn jeder sowas tun würde! Großmutter packt also mal aus und erzählt von der ... nennen wir es mal turbulenten Familiengeschichte. Die beginnt mit ihr selbst, einem Mädchen, das im Gegensatz zu den Schwestern länger als fünf Minuten im Beichtstuhl verbringen muss und sich in den Kopf setzt mit Carl Rother ausgerechnet einen konvertierten jüdischen Arzt zu heiraten. Was sie auch tut. Die Ehe wird mit einer Tochter gesegnet und 1938 gelingt es der Familie gerade noch, in die USA zu emigrieren. Dort wird Renate Leichenbeschauerin und erzieht ihre beiden Kinder vornehmlich in der Pathologie - na kein Wunder, dass Irene bei den Voraussetzungen noch nichtmal einen Schulabschluss zustande bekommt.
Ich habe das Buch immer wieder kichernd und verblüfft gelesen. Kichernd, weil Elisabeth sich zu Wort meldet wie man es von einer katholischen Rheinländerin nicht erwarten würde. Kein Blatt nimmt sie vor dem Mund, kein noch so schlüpfirges Detail wird ausgelassen - und kein noch so althergebrachtes Klischee bleibt unbedient. Elisabeths Vorurteile sind perfekt eingeübt und werden selbst durch erlebte Gegenbeweise eigentlich nicht verändert werden. Standesdünkel und Vorurteile auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Fähigkeit, auszuteilen und kein Blatt vor den Schnabel zu nehmen - Großmama ist eine brillante Figur. Überhaupt sind die Frauenfiguren in diesem Buch unglaublich gut entwickelt und werden stark cahrakterisiert, die Männer bleiben dagegen sehr blass. Aber wie stellt die Oma schon zu Beginn fest: "Dass meine Enkeltochter so schwierig ist, hängt vor allem mit Carls geringer
Spermiendichte zusammen." Na wenn das nicht alles erklärt :-p
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