Ostern hat es meine Schwester endlich geschafft, mich so richtig, richtig süchtig zu machen. Ich bin kein großer Fantasy-Fan, deshalb habe ich bislang auch einen kleinen Bogen um den ziemlichen Run auf "Game of Thrones" gemacht. Nachdem meine Eltern dann aber der Serie verfallen waren und die Bücher gelesen haben, wurde ich Ostern wirklich mit einem Buch an der Tür empfangen und den Worten "Lies es!" Ich kam diesem Wunsch nach und ... naja, zweimal fünfhundert Seiten in zwei Tagen dürfte wohl Werbung genug sein.
George R.R.Martin entführt seine Leser in den ersten beiden Bänden (die im Original ein Band sind, also nicht verwirren lassen) nach Westeros, einem Kontinent, der in sieben Reiche zerteilt ist, die von unterschiedlichen Familien beherrscht werden. Wir folgen zunächst einmal der Familie Stark, den Herren von Winterfell, dem Reich im Norden. Eddard Stark ist ein ruhiger Herrscher, der den Respekt seiner Ritter genießt und eine sehr große Familie sein eigen nennt. Als der König- ein Jugendfreund Neds - ihn zu seiner rechten Hand ernennt, bricht Ned mit seinen Töchtern Arya und Sansa in den Süden auf. Dort, in der Hauptstadt, soll Sansa später den Sohn des Königs heiraten und die Verbindung der Familien verstärken. Besagter Prinz Geoffrey ist im zarten Alter von 13 bereits ein ziemliches Arschlochkind, was vielleicht daran liegen könnte, dass er das Ergebnis eines Seitensprungs der Königin mit ihrem Zwillingsbruder ist. Cercei, die Königin, stammt aus dem Haus Lannister, dessen Machtgier nur noch von der Größe seines Geldbeutels überragt wird. Gleichzeitig zieht im Osten ein Sturm auf, denn der letzte Erbe des früheren Königs versucht eine Armee auf die Beine zu stellen. Dabei hilft die Ehe seiner Schwester Danarys, die er an den Khal Drogo verkauft, den Anführer einer Reiterarmee ...
So, wenn ihr bis jetzt alle Namen behalten habt, habt ihr noch nicht einmal im Ansatz die Hälfte der beteiligten Personen im Buch. Interessenten verweise ich an den Wikipedia-Eintrag ;-) Um es kurz zu machen, ich liebe diese Serie. Der erste Band ist nicht nur eine Einführung der Figuren, sondern es geht auch ziemlich die Post ab. Martin nimmt wenige Blätter vor den Mund, egal, ob es um Sex geht, um Gewalt oder darum, dass man im Notfall auch bereit sein sollte, über Leichen zu gehen. Er ist ungeheuer realistisch, wenn es darum geht, darzustellen, dass Herrschaft auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, die man nur schwer tragen möchte, er ist an den nötigen Stellen brutal - eine Hinrichtung ist nichts nettes, es ist etwas, an dem auch der Scharfrichter zu tragen hat - er ist explizit, wenn es darum geht, Machtpositionen auszunutzen oder Sex als Währung zu nutzen. Und er ist ein großartiger Erzähler, der es schafft, mich keinen Moment darüber im Unklaren zu lassen, wo ich gerade bin. Bei dem Arsenal an Hauptfiguren, die er aufstellt, verliert man nie den Überblick, und das, obwohl die Handlungen dieser Figuren so vielschichtig sind, dass man immer wieder überrascht wird von ihnen.
Keine der Figuren, die dir hier begegnen, ist auch nur im mindesten eindimensional. Sie sind tatsächlich Menschen, die in diesem Spiel um die Thronherrschaft geschoben werden oder sich selbst schieben, die ihre wahren Gefühle verstecken oder ihre Handlungen verschleiern, die sich nach dem Umblättern einer Seite als etwas ganz anderes entpuppen als man anfangs erwartet hat. Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das ich nicht einmal zur Seite legen konnte, um aufs Klo zu gehen, sondern das ich mitgenommen habe, um nur ja keine Sekunde aus dieser Welt auszutauchen. Und das Schlimmste ist: die Serie ist haargenau so. Exzellente Besetzung, großartige Bilder - und sie nimmt sich jede Menge Zeit, den Zuschauer in Martins Welt einzuführen.
Ja, ich lese dann mal die Bände 3 bis 10 nach ;-)