Samstag, 27. Dezember 2014

[Jahresrückblick] Meine Bücher 2014

 
 
Die Statistik in diesem Jahr ist deprimierend für eine Leseratte wie mich. Eigentlich dachte ich, ich würde wie jedes Jahr 100 Bücher spielend schaffen und jetzt? Jetzt hänge ich grade mal bei 93 Bücher rum (ja, zwei fehlen hier in der Bebilderung, die kamen heute auf der Zugfahrt noch dazu). Woran lag das nur?

Mit Sicherheit fordert die Arbeit ihren Tribut - nach Hause kommen und dann nichts mehr tun wollen, nicht einmal lesen, dieses Gefühl hatte ich seit Mai immer öfter. Darunter hat auch der Blog gelitten, ihr wisst gar nicht, wie viele Rezensionen ich euch schuldig bin. Shame on me - ich gelobe Besserung.
Und dann ... ich habe dieses Jahr so wenig gute Bücher gelesen. So wenige gefunden, die ich geradezu verschlungen habe. Eine Ausnahme war - danke, Schwesterchen - die "Ein Lied von Eis und Feuer"-Reihe von George R.R. Martin. Die Bücher 8 bis 10 liegen auch schon für nächstes Jahr bereit hier, eigentlich ein guter Einstieg, wie ich finde. Auch "Die Vermessung der Welt" war ein Highlight, das ich nicht missen möchte. Oder "Zusammen ist man weniger allein", ein so bezaubernd leichter, französicher Roman mit liebenswerten Figuren, dass ich mich völlig verliebt habe. Und dank der Lieblingsbücher-Challenge habe ich das ein oder andere Buch wiederentdeckt, das schon viel zu lange im Regal vor sich hinstaubte. Dementsprechend heißt es auch für 2015, dass ich versuchen möchte, ein Buch pro Monat wiederzuentdecken und neu zu lesen :-)

Richtig ins Klo gegriffen habe ich mit "Lehrerkind", das ich so absolut unlustig fand, dass ich nicht einmal eine Rezension dazu verfasst habe. Obwohl, ich habe mal wieder Lust, zu lachen, also werde ich die vielleicht noch nachreichen ... Alles in allem also ein sehr durchwachsenes, fast schon enttäuschendes Lesejahr. Möge 2015 deutlich besser werden!!

[Challenges] Meine Challenges für 2015

Hach ja, es ist wieder einmal an der Zeit :-)

Ein Jahr neigt sich dem Ende, und nachdem ich die gewählten Challenges in diesem Jahr sträflich vernachlässig habe, möchte ich es im nöchsten Jahr trotzdem wieder versuchen. Und natürlich habe ich direkt so viele spannende Herausforderungen gefunden, dass es schwer wird, sich für ein paar davon zu entscheiden. Aber letzlich habe ich es geschafft.

Zunächst einmal werde ich mich an die "Einmal durchs Regal"-Challenge von Sasijas TARDIS machen. Das Schöne daran ist nämlich: ich kann nahezu alles dafür lesen, so lange das Buch über 200 Seiten hat. Und das bedeutet vor allem auch, meinen SUB weiter abzubauen, ein Ziel, das ich mir für 2014 fest vorgenommen habe. Mal sehen, wie weit ich damit komme ... Die Themen für Januar stehen bereit und ich habe auch schon Ideen, welche Bücher dafür in Frage kommen werden. Die Hauptaufgabe hat es allerdings in sich ... ich hätte mit "Smoke and Mirrors" vielleicht doch noch warten sollen :-p

Um möglichst viel Abwechslung in meinem Regal zu haben, werde ich mich auch an wörterkatzes Weltenbummler-Challenge beteiligen. Auch hier gilt: ich kann und darf alles lesen, je mehr Länder ich dabei aber bereise, desto besser ist das für mich.

Außerdem findet auch kastanies Leseecke die Verstaubte-Bücher-Challenge einen weiteren Teilnehmer. Denn hier sind es zwölf Bücher, die ich lesen muss, einzige Voraussetzung ist es, dass sie vor 2007 erschienen sind. Mein SUB jubiliert noch viel mehr :-)

Ich freue mich ehrlich und hoffe, dass ich dieses Jahr ein wenig mehr schaffe. Späätestens im März werde ich vermutlich ächzen und stöhnen, wenn ich einen Monat in Neuseeland unterwegs bin. Ach ja, falls es jemanden interessiert, für diese Reise habe ich hier einen kleinen Reiseblog angelegt, der aber erst ab März wirklich gefällt werden wird. Aber er freut sich sehr über jeden neuen Leser ;-)




Mittwoch, 19. November 2014

[Buchgedanken] Joachim A. Lang - Heinrich George. Eine Spurensuche

Es gibt Personen, die selbst nach ihrem Tod noch eine Aura umgibt, dass man vor ihnen niederknien möchte. Oder zumindest ihren Namen nur sehr, sehr leise und ehrfürchtig aussprechen möchte. Heinrich George muss ein solcher Fall sein - oder, wie ihn selbst seine Söhne heute noch nennen "George" ist ein solcher Fall.

Heinrich George gehört zu der alten Schauspielgarde der Zwanziger und Dreißiger Jahre. Als Theatermensch feiert er Triumphe, Goethes Götz von Berlichingen ist seine Paraderolle.Und 1933 steht er wie alle anderen Künstler plötzlich vor der Frage, was zu tun ist: sich it den Nazis arrangieren oder emigrieren? George entscheidet sich für Ersteres, versucht unpolitisch zu bleiben und lässt sich gleichzeitig für Propagandafilme buchen. Spielt den kommunistischen Vater in "Hitlerjunge Quex", hält im Krieg tapfere Durchhalteansprachen, wird hofiert und bleibt gleichzeitig immer dre Polterer, der zuhause Gemälde angeblich entarteter Maler offen aufhängt ...

Das Buch - Nebenprodukt des Films "George", der letztes Jahr in der ARD lief - ist der Versuch einer Annäherung an diesen Menschen. Weniger eine Spurensuche, denn dazu wird zu wenig nachgefragt, sondern vielmehr eine Sammlung von Interviews bzw. Erinnerungen seiner Wegbegleiter. Seien es die zwei Söhne, deren ehrfürchtiges Nichtwissen um den Vater immer wieder durchscheint, seien es Kollegen aus der Zeit des Natioanlsozialismus und Mitgefangen aus dem Lager, in dem George schließlich starb, sie alle geben ihre Eindrücke von ihm wieder und schaffen es, ein irritierendes Bild vieler Facetten zu malen, die George aber dennoch nicht immer greifbar werden lassen. Niemand außer ihm kann beantworten, warum er sich so verhielt, wie er es tat. Mich als Leser hat das Buch mit sehr vielen Fragen zurückelassen, gleichzeitig aber auch mit sehr vielen spannenden Informationen versorgt, die ich so nicht parat hatte. Als Ergänzung sicher nicht übel, als einzige Informationsquelle fehlt mir aber zu viel Autorenarbeit.

Samstag, 15. November 2014

[Buchgedanken] Stephen Rebello - Hitchcock und die Geschichten von Psycho

Diese Kritik muss ich einem Freund widmen, der mich zweieinhalb Monate lang genervt hat, bis ich endgültig die Schnauze voll hatte und das Buch gelesen habe. Vielen Dank, ohne dieses auf-die-Zehen-Treten hätte ich ein geradezu geniales Sachbuch verpasst und nie erfahren, dass man auch Sachbücher verfilmen kann ...

Die Rede ist von einem Klassiker der Filmwissenschaften. Stephen Rebello stellt in diesem Buch die Entstehung des Filmklassikers "Psycho" dar und analysiert dabei sowohl den Entstehungshintergrund als auch das extrem zerbrechliche Geflecht zwischen Alfred Hitchcock und seinen Mitarbeitern. Während der "Meister des Schreckens" filmtechnisch nur Verneigungen ernten kann, war Mitarbeiterführung für ihn eher ein Fremdwort. Quasi diktatorisch herrschte Hitchcock am Set, nahm nur das zur Kenntnis, was für sein Schaffen notwendig war, und ließ die langweiligen Arbeiten lieber von anderen erledigen. Wobei er auch da immer die Eminenz im Hintergrund war, eigenständige Arbeit war nur dann möglich, wenn sie in sein Gesamtkonzept passte. Auch seine Hauptdarstellerinnen wurden von ihm gegängelt und gedrängelt, da er mit Grace Kelly eine Art Gesamtkunstwerk geschaffen hatte, das es dann wagte, ihm durch ihre Hochzeit mit einem dahergelaufenen Monarchen die Pläne zu versauen! Als Hitchcocks Interesse für "Psycho" geweckt wurde, begannen nicht nur intensive Produktionsarbeiten, sondern auch eine sehr spannende Neuerung im Bereich des Kinofilms - das Publikum dazu zu bringen, einen Film von Anfang an zu sehen ...

Das Buch ist chonologisch aufgebaut und folgt den Dreharbeiten von der ersten Drehbuchidee bis zum ausgeklügelten Werbefeldzug und den enttäuschten Oscar-Hoffnungen. Das ist besonders gut für jemanden, der keine Ahnung hat, was eigentlich alles zum Filme-Machen dazugehört - man wird da vermutlich fast erschlagen von Berufen, die man noch nie zuvor gehört hat. Was ich mir hier und da gewünscht hätte, wäre umfangreicheres Bildmaterial gewesen, mit dem man die betreffenden Personen mal gesehen hätte und vor allem auch die Szenen aus "Psycho" noch einmal hätte nachvollziehen können - ich habe mir den Film letztlich tatsächlich auf DVD besorgt, weil es verdammt spannend war, die Szenen zu Rebellos sehr klugen Analysen noch einmal anzuschauen. Das Buch ist interessant, lehrreich, faszinierend und extrem spannend geschrieben - trotz des extrem langweilig klingenden Themas - wer sich auch nur im Ansatz für Filme interessiert, sollte hier mal zugreifen. Oder sich den Film "Hitchcock" ansehen - der ist nämlich das Buch als Film :-p

[Buchgedanken] Markus Heitz - Die Mächte des Feuers

München, 1925. Silena arbeitet wie ihre beiden Brüder für eine Orgaisation der katholischen Kirche, die sich einem einzigen Ziel verschrieben hat: Drachen zu töten. Da Flugdrachen bis in die Gegenwart hinein aktiv sind, haben sich die Nachfahren der Drachenheiligen ihrer Vernichtung verschrieben, wobei jede Familie sich ein wenig spezialisiert hat. Und so ist Silena eine der wenigen Pilotinnen, die es wagt, die Viecher direkt im Luftkampf zu besiegen. Als ihre beiden Brüder getötet werden, bekommt Silena von ganz oben den Befehl, Pause zu machen und dafür zu sorgen, dass ihre Linie nicht ausstirbt - doch sie hat ganz andere Pläne, will sie doch den Tod ihrer Brüder rächen. Was jedoch auch sie nicht ahnt: neben den gewöhnlichen Drachen gibt es die Altvorderen, Drachen, die man nur aus den Mythen und Legenden kennt. Sie sind es, die die Welt beherrschen und die gerade wieder einmal zu einem neuen Krieg rüsten ...

Ich habe das Buch jetzt endlich mal wieder gelesen, da ich nach einer riesigen medimops-Bestellung die Fortsetzung "Drachenkaiser" im Schrank stehen habe und doch nochmal kurz nachvollziehen wollte, was da eigentlich los ist. Wie immer bei Markus Heitz haben wir hier ein hochgradiges Action-Spektakel, bei dem viel Geknalle und Explosionen gepaart mit einem hohen Bodycount auftritt. Das ganze aber so charmant und schnell erzählt, dass man sich dabei vor allem blendend unterhalten fühlt. Das Reizvolle an "Die Mächte des Feuers" ist einfach die Tatsache, dass wir es hier mit einer Art Paralleluniversum zu tun haben, in der Drachen alltägliche Behinderungen des Flugverkehrs sind und noch immer die alten Königreiche existieren, da der Erste Weltkrieg ein wenig anders ausgegangen ist als wir es kennen. Dass nämlich Staatsoberhäupter nichts anderes sind als Spielfiguren in einem Jahrtausende alten Kampf der Urdrachen ist ein spannender Schachzug, aus dem Heitz hier einiger herausholt. Die abgedrehten Ideen und vor allem der Machtkampf der Drachen untereinander sind spannend ausgearbeitet und vor allem der finale Endkampf bietet alles, was das Actionherz benötigt.

Allerdings finde ich dann doch, dass in diesem Buch die sehr eindimensionalen Figuren mehr als offen zutage treten. Mir ging gerade Silenas permanente Tough-heit zunehmend auf den Wecker, die dann in einer extrem klischeehaften Liebesepisode endet. Aber andererseits: diese Drachen sind schon verdammt cool :-)

Dienstag, 14. Oktober 2014

[Hörbuch] "Der Trümmermörder" ( gelesen von Burghart Klaußner)

Hamburg, 1947. In der britischen Besatzungszone versuchen die Menschen mehr schlecht als recht durch den Winter zu kommen. Zu ihnen gehört auch Kommissar Stave, der in diesem klirrenden Winter mit einer Mordserie konfrontiert wird. Alles nimmt seinen Anfang mit einer weiblichen Leiche, die nackt in einem Trümmergrundstück gefunden wird ohne einen einzigen Hinweis auf ihre Identität. Schon bald finden sich dazu die Leichen einer weiteren Frau, eines kleinen Mädchens und eines alten Mannes. Doch was haben die vier gemeinsam? Staves Ermittlungen führen ihn hinein in eine Welt, in der Fälschungen und Lügen für die Menschen aus purer Not zum Alltag geworden sind, in der die letzten vierzehn Jahre noch immer Schatten werfen, in die die niemand eintauchen will, und in der er selbst sich immer wieder die Frage stellen muss, wie viel Wahrheit er herausfinden will ...

Hmmm ... Ich habe dieses Hörbuch vor einiger Zeit schon im CD-Player gehabt und schiebe die Rezension seitdem vor mir her. Ich fand den Fall wirklich nur leidlich spannend, die Auflösung hat sich schon sehr früh zumindest für mich erahnen lassen. Das fand ich besonders schade, denn eigentlich beruft sich Rademacher auf einen realen Fall aus Hamburg im Jahr 1947, der bis heute als ungeklärt gilt, und für mich war die Lösung schon sehr an den Haaren herbeigeschrieben. Garniert wurde das Ganze dann mit sehr vielen Beschreibungen von Elend, Leid und Alltag der unmittelbaren Nachkriegszeit im kältesten Winter 1947 - die an und für sich bestimmt interessant sind, für mich aber auch wahnsinnig langatmig daherkamen. Allein die Beschreibung der Szene, wenn Stave morgens aufsteht, hat mir fast die Lust verdorben, weiterzuhören, weil mich nicht jede kleine Kleinigkeit interessiert. Dass wir dann auch noch in einer Zeit sind, in der Polizeiermittlungen halt nicht per Telefon und Computer, sondern in guter alter Fußarbeit erledigt werden müssen, vergeht auch zwischen zwei Hinweisen, die den Fall mal weiterbringen, eine so unendlich lange Zeitspanne, dass ich abzuschweifen beginne. Und darin lag für mich die größte Schwäche dieses Buches, das so immer weniger Krimi und immer mehr Sittengemälde sein wollte, und dann so viel reingepackt hat, dass ich langsam die Lust auf alles verloren habe. Wenigstens eine der Stories hätte man doch erst in Band zwei oder drei auftauchen lassen können, so hatte ich das Gefühl, das dient in erster Linie dem Seitenfüllen, weil es im Fall so gar nicht weitergeht.

Immerhin war das Hörbuch dank des Sprechers nicht langweilig. Burghart Klaußner spricht Hamburgerisch, radebrecht englischen Akzent, parliert in dezentem Französisch, und schafft für die Figuren individuell erkennbare Sprechweisen, die mich bei der Stange halten. Seine Klangfarbe und dieses Variationenreichtum sind es dann auch, die das Hörbuch für mich wieder zu einem echten Tipp werden lassen, denn so langatmig der Fall auch sein mag, am Ende wollte ich halt doch hören, wie es weitergeht ;-)

Samstag, 13. September 2014

[Bedeutende literarische Ereignisse] Am Grab von Douglas Adams

Lieber Mr. Adams!


Ich wollte Ihnen ja immer mal Danke sagen.
Danke, dass Sie mit dem "Anhalter" ein Buch geschaffen haben, dass meinen Vater und mich zusammengebracht hat.
Danke für den Namen Trillian.
Danke, dass Sie mir gezeigt haben, wie wunderschön Manatees sind.
Danke für Ihre Inspiration.
Ich hab es nie gemacht.
Gab immer anderes zu tun als Ihnen zu schreiben.
2001 sind Sie gestorben.
Scheiße, ich unterrichte Kinder, die da nicht einmal auf der Welt waren.
Und dann stolpere ich im Urlaub per Zufall über Ihren Grabstein
Und dann wird mir klar, dass es das war.
Und dann stehe ich heulend auf dem Highgate Cementary.
Und dann sehe ich den kleinen blauen Daumen, den Ihnen jemand auf das Grab gelegt hat.
Und dann weiß ich, dass Sie da draußen mit einem Yangtse-Delphin durchs Weltall schwirren und ich wünsche mir, dass ein oder zwei Ihrer Moleküle in mir stecken.
Und dann sage ich es laut auf dem Friedhof.

DANKE!

Dieser Text ist tasächlich nach Jahrzehnte ein Versuch, mal wieder aktiv zu schreiben. Seht es mir nach. Es war ungelogen der bewegendste Moment seit langem, auf dem Friedhof zufällig zu sehen, dass der Lieblingsschriftsteller dort begraben liegt.

[Buchgedanken] Elke Schulze - Erich Ohser alias e.o.plauen. Ein deutsches Künstlerschicksal

Es gibt Autoren, deren Leben tritt so vollständig hinter ihren Werke zurück, dass man immer wieder überrascht davon ist, dass sie reale Personen waren. e.o.Plauen gehört mit Sicherheit zu diesen Personen, denn mal ehrlich, was weiß man über ihn? Mit viel Glück, dass der Erich Ohser aus Plauen kam und einen Sohn hatte - und da sind wir auch schon bei "Vater und Sohn" angekommen. Dabei ist das Leben dieses Mannes so was von verflucht ... kompliziert und spannend, dass es sich lohnt, sich damit näher zu beschäftigen.

Elke Schulze nimmt den Leser dieser sehr reich bebilderten Biografie mit in dieses Leben, allerdings - und das ist mein wesentlicher Kritikpunkt - streift sie dabei nur an der Oberfläche. Wir begleiten Erich kurz zur Schule, erfahren von seiner Entscheidung, Künstler werden zu wollen, und von den zwei Freundschaften, die sein Leben prägen werden: Erich Kästner, dessen Gedichtbände er zum Teil später illustriert, und Erich Knauf, einem Zeitungsredakteur, mit dem Ohser schließlich 1944 gemeinsam ins Gefängnis wandern sollte. Doch bis dahin liegt noch ein Weg, auf dem e.o.plauen alles mitnimmt, was möglich ist. Eine On-Off-Beziehung mit seiner großen Liebe Marigard, eine Künstlerin wie er, die nach der Machtübernahme die Familie alleine durchbringen musste, weil Ohser dank seiner politischen Karikaturen ein Berufsverbot erhalten hatte. Dann 1934 die Möglichkeit, unter Pseudonym Comic Strips zu veröffentlichen - und der Durchbruch mit "Vater und Sohn", zwei trotz aller NS-Anpassung des Künstlers so unpolitischen und unangepassten Figuren, dass man sie liebhaben muss. Die sogar Goebbels mit dem Karikaturisten versöhnen, der bald zum Erfolgsgaranten wird und einen Popularitätsaufschwung erlebt, dass er schließlich sogar wieder politische Karikaturen anfertigen darf. Und schließlich 1944 der Selbstmord unmittelbar vor dem Beginn eines Prozesses, weil der schwerhörige Ohser seinem Freund Erich wieder einmal zu laut politische Witze erzählt und diesmal die falschen Leute zuhören ... Dieses Leben wird in Zitaten, Faksimiledrucken und vor allem Fotografien ausgebreitet in einem überbordenden Bilderreigen, der zum Weiterlesen verführt, gepaart mit einfachen und gut recherchierten Kapiteln zu all diesen Stationen. Die Autorin schreibt einfach, klar und sachlich, ich habe mich jede Sekunde informiert und unterhalten gefühlt, wenn auch wie gesagt, sehr vieles nur an der Oberfläche blieb.

Ich hoffe, dass es bald mal eine richtig lange, gut aufbereitete Biografie über ihn gibt, für die dieses Buch eine gute Grundlage sein kann. Ich würde sie sofort kaufen!!

[Buchgedanken] Friedrich Dürrenmatt - Das Versprechen

1957 wurde der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt darum gebeten, das Drehbuch für einen Film zu entwickeln, der Sexualverbrechen an Kindern thematisieren sollte. Während der Arbeit am Film kam es jedoch immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Dürrenmatt, dem Regisseur und den Produzenten, und auch wenn er den Film am Ende nicht ablehnte, war es für Dürrenmatt keine wirklich befriedigende Aufgabe geworden. Ihn hätte vielmehr die Frage interessiert, ob ein Mörder denn tatsächlich allein durch clevere Polizeiarbeit gefasst werden kann oder ob nicht vielmehr der Zufall die Polizeiarbeit steuert. Um dieser Frage nachzugehen, schrieb er nach Ende der Drehbucharbeit den Roman "Das Versprechen", der die Handlung des Films als Ausgangslage nimmt, allerdings auch deutliche Änderungen aufweist, die er im Film nicht hatte durchsetzen können.

Den Inhalt kurz zusammenfassen kann ich fast gar nicht, denn dadurch würde die Qualität des Romans schon dadurch verloren gehen, dass man die Rahmenhandlung nicht würdigt. In ihr ist ein Schweizer Kriminalschriftsteller auf einer Tagung und lernt dort einen Kriminalkommissar kennen. Bei einem gemeinsamen Abendessen kommen die beiden ins Diskutieren über den Anspruch des Kriminalromans, eine Lösung zu präsentieren und die Leser zu unterhalten, der mit der Realität des Polizeialltags nichts zu tun hat. Um dies zu beweisen, nimmt der Polizist den Schriftsteller mit zu einer Tankstelle, die von einem ehemaligen Kollegen betrieben wird, und erzählt dessen Geschichte. Besagter Kommissar Matthäi ermittelte in einem Fall eines ermordeten Mädchens und gab den Eltern das Versprechen, den Mörder zu finden. Der schon bald festgenommene Hausierer, der sich im Gefängnis umbringt, ist nach Matthäis Überzeugung nicht der Täter und so ermittelt er privat weiter.

Ich habe das Buch wirklich in kurzer Zeit durchgehabt, denn Dürrenmatts Schreibweise kommt mir sehr entgegen: keine langen Worte, keine unnötigen Zwischenschritte, sondern sehr klare und präzises Aussagen mit messerscharfen Beobachtungen. "Das Versprechen" ist kein klassischer Kriminalroman, sehr früh steht fest, dass Matthäi scheitern wird, ja im Dienst der Geschichte einfach scheitern muss, und dennoch hofft man als Krimileser das Gegenteil. Ich finde sogar, dass das dann in der Rahmenhandlung präsentierte Ende fast noch gestrichen werden sollte, es kommt mir ein bisschen so vor, als wollte Dürrenmatt hier dem verwirrten Leser doch noch eine gewohnte Auflösung schenken - dabei ist doch das eigentlich Interessante am Buch, dass dies eben nicht so ist. Dass die Probleme der Polizei nicht die Verbrechen sind, sondern die Ungewissheit, den Verbrecher zu finden - und dass die größten Versprechen nichts nützen, wenn der Zufall sich dagegen wendet. Matthäi ist jemand, der dieses Prinzip nicht wahrhaben will und daran zugrunde geht, ein verbissener Jäger, der seine Beute nicht loslassen will und dafür im Notfall über Leichen geht. Eigentlich ein Unsympath, und dennoch empfindet man für ihn Mitleid - es ist nicht seine Entscheidung, so zu werden, es ist das Verprechen, das er halten will und nicht halten kann. Bei seiner Seligkeit schwört er der Mutter des toten Mädchens, den Mörder zu fassen, und genau die riskiert er auch mit seiner jahrelangen Suche.

Ein deprimierendes Buch? Ja. Aber trotzdem ein Buch, das es auf die "Zum Glück endlich gelesen"-Liste schaffte.

Sonntag, 24. August 2014

[Buchgedanken] David Sedaris - Sprechen wir über Eulen - und Diabetes

Ich habe wirklich sehr lange warten müssen, bis ich endlich wieder einmal von meinem Lieblingsautor gehört habe. David Sedaris ist der Held meiner Teenagerzeit, seit ich mit 17 zum ersten Mal "Nackt" gelesen habe, wirklich gefangen hat er mich dann mit "Ich ein Tag sprechen hübsch". Seitdem muss ich automatisch jedes Buch besitzen, auf dem sein Name steht, und ich überlege ernsthaft, ein Abo des New Yorker zu erwarben, in dem er immer wieder veröffentlicht. Dementsprechend bin ich natürlich sehr, sehr voreingenommen, was das neue Werk betrifft ... Aber zurück zum Buch ;-)

Eigentlich gefiel es mir wirklich sehr gut, allerdings sollte man es sich doch eher auf Englisch besorgen. Da ich zwei der Geschichten im Original kenne, konnte ich hier ein bisschen sehen, dass der Übersetzer zwar ganz okay gearbeitet hat, die absurde Sprachkunst von Sedaris aber einfach nicht hingekriegt hat, und das erklärt vielleicht den Smilie in der Bewertung am besten. Das Buch versammelt zunächst einmal viele Impressionen aus dem Leben des David S., in denen er absurde Begebenheiten des Alltags aufgreift, darüber reflektiert, sie auf die Spitze treibt. Es gibt ein Wiedersehen mit der chaotischen, verrückten und nichtsdestotrotz liebenswerten Familie Sedaris, mit Davids Langzeitlebenspartner Hugh (grade eben habe ich auf Facebook gelesen, sie sind seit 23 Jahren ein Paar :-) ) und es gibt dazwischen auch einige "nicht-David"-Geschichten, in denen aus der Sicht von Teenagern, einer Tea-Party-Anhängerin und anderen Leuten geschrieben wird, deren Weltsichten auch nicht viel verquerer sind als in den restlichen Geschichten. Obwohl, vielleicht doch ein kleines bisschen ...

Man muss sich auf das Buch einlassen, habe ich festgestellt, nachdem ich es voller Begeisterung anderen Leuten ausgeliehen habe. Einfach nur ein bisschen unterhalten wird man bei Sedaris selten, dazu sind bei ihm Triumph und Tragödie zu nahe beieinander. Aber wenn man es tut, wird man wirklich belohnt mit einem berührenden Buch. Berührend beim Lachen, beim Nachdenken, beim Kopfschütteln - man wird es sicher nicht zuklappen und es danach komplett vergessen ;-)

[Buchgedanken] Jeffrey Deaver - Todeszimmer

Als der Aktivist Roberto Morano auf den Bahamas in seinem Hotelzimmer erschossen wird, steht schnell fest: er muss sich mit Drogenkartellen eingelassen haben und wurde aus dem Weg geräumt. Doch die Staatsanwältin Nance Laurel glaubt das nicht und bittet Lincoln Rhyme um Hilfe. Ihr wurden Dokumente zugespielt, dass Morano im Auftrag der amerikanischen Regierung von einem Geheimdienst beseitigt wurde, da er als Terrorist gehandelt wurde - wobei die Beweise seiner Terrorbereitschaft gefälscht wurden. Lincoln Rhyme und Amelia Sachs ermitteln mit ihrem kleinen Team fast undercover, denn eine Anklage gegen den Chef der Nationalen Sicherheitsbehörde vorzubereiten ist etwas, was nicht unbedingt Freunde schafft. Und in der Tat gibt es jemanden, der dabei ist, die Zeugen des Attentats zu töten - und dieser Jemand ist Amelia Sachs gefährlich nahe ...

Mit "Todeszimmer" packt Deaver ein heißes Eisen an, nämlich die Frage nach der Berechtigung von gezielten Anschlägen auf Terrorverdächtige. Darf ein Staat Menschen prophylaktisch töten? Diese Diskussion ist im Ansatz vorhanden, wird aber leider nicht völlig zuende geführt und an vielen Fällen verschenkt. Zu sehr sieht man im ganzen Buch die Bedenken des Autors, auch nur im Ansatz eine Meinung durchscheinen zu lassen, die die US-amerikanische Regierungshaltung schärfer zu kritisieren als nur ein bisschen durch die Blume. Deshalb wird dann am Ende auch an der Deaver-typischen Plottwist-Schraube so lange gedreht, bis sie fast schon aus dem Gewinde bricht (und das von mir, die ich Deavers Twist-Vorlagen einfach genial finde um immer wieder mit Vergnügen darauf reinfalle!) - und das alles nur, damit man doch noch etwas anderes präsentieren kann als das, was vielleicht ganz interessant zu diskutieren wäre ... Es sind wirklich nur die letzten dreißig Seiten, die sich Deaver hätte sparen müssen, um das Buch für mich extrem überzeugend zu machen, denn bis dahin kommen einfach so viele verschiedene Aspekte eines hochmoralischen Themas im Buch vor, wie ich es nicht erwartet hätte.

Die Figurenzeichnung ist wieder einmal ein wenig klischeehaft in den nicht-dauerhaften Figuren, dafür aber wird die Geschichte rund um Amelia und Lincoln wieder vorangetrieben. Lustigerweise habe ich kurz bevor ich das Buch gelesen habe einer Freundin von der Reihe vorgeschwärmt und ihre ersten Bedenken waren "Aber die kommen doch nicht zusammen, oder?", was ich dann mit "Doch, aber das dient alles der Geschichte, die werden dadurch immer wieder neu charakterisiert" entkräften konnte. In diesem Buch sind vor allem wieder Lincolns Wunsch nach Operationen und Amelias zunehmende Verschleißerscheinungen ein immer wiederkehrendes Motiv, die auch zur Frage führen, wie viel Gesundheit ein Mensch braucht und wo der schmale Grad zwischen Gesundheit und Krankheit genau definiert wird. Ich bin vor allem gespannt, was in dem grade auf Englisch erschienenen elften Band da noch auf mich zukommt.

Alles in allem ist das jetzt nicht der beste Band der Reihe, aber zumindest ist mein Dreamteam ENDLICH zurück auf den Seiten und wie haben hier immer noch einen Thriller mit einigen erstklassigen Plottwists, die sehr viel Spaß machen ;-)

Samstag, 16. August 2014

[Buchgedanken] Ulrike Edschmid - Das Verschwinden des Philip S.

Philip S. kommt als Student aus der Schweiz nach Deutschland. Sohn aus gutem Hause, Erziehung durch Kindermädchen und vermögende Eltern, wirkt er als Filmstudent im Berlin der 68er wie ein Fremdkörper und fügt sich gleichzeitig perfekt ein in diese Welt. Seine Freundin und er ziehen schnell zusammen und Philip wird zum Ersatzvater ihres Sohnes. Beide verbringen die Nächte mit Diskussionen über Kommunismus, Philosophie, die Ungerechtigkeit des Staates - und irgendwann ist man mit dabei bei den Demonstrationen gegen den Springer-Verlag, bei den Steinwürfen auf Polizisten. Und dann steht plötzlich die Polizei morgens in deinem Schlafzimmer und durchsucht deine Wohnung, verhaftet dich wegen des Verdachts, ein Terrorist zu sein. Während sie die Notbremse zieht, entscheidet sich Philip S. für das gegenteil - er wird noch radikaler, wagt den Schritt in den Untergrund und den Terrorismus. Bis er 1974 bei einer Fahrzeugkontrolle einen Polizisten erschießt und dabei selbst erschossen wird ...

"Das Verschwinden des Philip S." ist schwer zu beschreiben. Ein Tatsachenroman? Eine Reflexion? Es ist von allem ein bisschen was und nichts ganz. Die Autorin ist die besagte Freundin von Philip S., die nach vierzig Jahren versucht, sich selbst eine Antwort darauf zu geben, warum er zum Terroristen wurde, warum er und nicht sie. Ihn fragen kann man nicht mehr, so bleibt sie die Antwort mehr oder weniger schuldig, sie schildert nur das langsame Abgleiten, das irritierende Anderswerden. Besonders fasziniert hat mich, dass sie ihre eigene Rolle einerseits hinterfragt, andererseits aber auch nicht diskutiert - dass sie sich z.B. weiterhin mit Philip trifft, auch als klar ist, dass er eben nicht mehr ein "Worttäter" ist, sondern nachdem er an den ersten Anschlägen beteiligt war. Das Buch wirft mehr Fragen auf, als es Antworten bietet, genau das finde ich aber sehr spannend daran und werde es auf jeden Fall noch ein bisschen in meinem Regal stehen lassen ...

Sonntag, 10. August 2014

[Lebenszeichen] Da bin ich dann mal wieder ;-)

Uff, ich hätte nie gedacht, dass der letzte nicht vorgepostete Blogbeitrag schon wieder so lange her ist. Aber zusätzlich zu ein paar privaten Stressfaktoren kam seit Mai bei mir die erste Abschlussprüfung meines Lebens dazu, die ich abnehmen durfte. Inklusive mündliche Prüfungen in vier verschiedenen Fächern und jeder Menge Arbeit führten dazu, dass ich erst einmal den Blog nach hinten geschoben habe. Vor allem aber führten sie dazu, zwei ganze Monate nicht lesen zu können. Also wirklich so gar nicht. Ich hatte einfach keine Zeit. Dass die Arbeit dazu führen wird, dass ich weniger lesen kann, war mir von Anfang an klar, aber über diese Entwicklung war ich dann doch ziemlich erstaunt ... Immerhin habe ich dann meinen Geburtstag für einen kleinen Ausflug in den Süden genutzt und die Stadtbibliothek meines Herzens aufgesucht - und mit vollen Körben verlassen. Meine ???-Leidenschaft wurde wieder einmal voll befriedigt, aber auch etliches andere an Druckmaterial wurde in einer Woche geradezu aufgesogen und wartet nur darauf, hier besprochen zu werden. Ich hoffe, ab nächstem Wochenende ein bisschen mehr Zeit feigeschaufelt zu bekommen :-)

Dementsprechend liegt auch ein größeres Blogprojekt brach, dass ich eigentlich ab September starten wollte. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, ich werde das auf jeden Fall weiter im Kopf behalten und dafür fleißig lesen!

Ich wünsche euch erst einmal einen schönen Restsommer und viele gute Bücher auf dem Weg in den Herbst :-)

Montag, 4. August 2014

[Buchgedanken] Lucy Maud Montgomery - Anne auf Green Gables

Es gibt Bücher, die haben mich in meiner Kindheit so lange begleitet, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich ohne sie ausgekommen bin. "Anne auf Green Gables" ist so ein Fall, eine Geschichte aus der Jahrhundertwende auf der kleinen kanadischen Insel Prince Edward Island.

Anne Shirley ist elf Jahre alt, hat karottenrotes Haar und den Kopf irgendwo in den Wolken. Sie ist Waise und landet durch einen Zufall bei Marilla und Matthew Cuthbert, einem alten Geschwisterpaar, das einen Jungen adoptieren wollte, der ihnen auf ihrer Farm Green Gables zur Hand geht. Zumindest sind die beiden fair und geben dem Mädchen eine Chance, sich zu beweisen - und damit zieht in Green Gables ein Wesen ein, wie man es nie erwartet hätte. Annes Träumereien und erfundene Geschichten begleiten den Leser durch den ersten Band, wir werden Zeuge von ganz alltäglichem Chaos einer Heranwachsenden (wie dem Versuch, sich die ungeliebten Haare zu bleichen) und dem Aufeinanderprallen von Erziehungsstilen (Annes Versuch, sich bei der Nachbarin Rachel Lynnde zu entschuldigen), von erster Liebe und urkomischen Szenen (als Anne ihre beste Freundin Diane versehentlich mit Alkohol statt Beerensaft abfüllt). In den folgenden Jahren begleiten wir Anne auf das College nach Kingston und in ihre erste Stelle als Lehrerin, werde Zeugen einer Hochzeit (ausgerechnet mit Gilbert Blythe, dem Anne im ersten Band eine Schultafel auf den Kopf zerbricht, als er sich über ihre Haare lustig macht!) und sehen Annes Kindern beim Aufwachsen zu. Wir erleben rührende Szenen und Momente der Trauer, und über all dem schwingt ein Geruch nach Ahornsirup und frischen Brötchen, nach Kindheit und Unbeschwertheit mit. Und das, obwohl die Geschichte rund hundert Jahre vor unserer eigenen Kindheit spielt - das soll man Lucy Maud Montgomery mal nachmachen!

Ich habe die Bücher auf deutsch gelesen und dann auch im englischen Original. Das lohnt sich allein schon deshalb, weil "Rainbow Valley", der siebte Band, nie auf Deutsch veröffentlich wurde. Auch in ihm spielen Annes Kinder die Hauptrollen, die wir schon in "Anne in Ingleside" kennengelernt haben, und ich bin immer wieder bezaubert und gerührt. So kitschig manches im Buch auch anmutet, es ist nie zuviel, wird abgefedert durch andere Situationen, in denen man sich ausschütteln will vor Lachen. Es gibt eine Stelle, an der ich, seit ich sie zum ersten Mal gelesen habe, weinen muss, egal wie vorbereitet ich darauf bin. Montgomery ist eine starke Szenenerzählerin, insgesamt sind die Bücher eine Sammlung von bezaubernden Einzelepisoden, ganz wie ein guter Rückblick auf das Leben, das sich im "weißt du noch, als ..." verliert und dem man gerne folgt in diese Erinnerungen.

Sonntag, 13. Juli 2014

[Buchgedanken] Daniel Kehlmann - Die Vermessung der Welt

Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter, in dem die bisher gemachten Entdeckungen vor allem kategorisiert, erforscht und weitergeführt wurden, mit dem Resultat, dass es immer neue Entdeckungen geben sollte. Auch Deutschland war in diesem Reigen beteiligt, vor allem durch zwei Männer, deren Lebenslauf Kehlmann in seinem Roman gegenüberstellt und weiterführt. Alexander von Humboldt, Sohn eines früh verstorbenen Barons, wird gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm schon früh in die Welt der Wissenschaften eingeführt und auf das Dasein als Forscher gedrillt. Sein Interesse für die Naturwissenschaften und vor allem die belebte Natur führt ihn schließlich auf den amerikanischen Kontinent, den er gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bonpland erforscht. Dabei entdeckt er Tiere, beweist quasi nebenbei, wie die Welt entstanden ist, und kommt doch nie wirklich zu einem Ziel. Ganz anders bereist Carl Friedrich Gauß die Welt. Das mathematische Wunderkind aus armen Elternhaus darf dank eines herzoglichen Stipendiums studieren, und auch wenn er die Welt draußen vor seiner Türe vor allem für gefährlich hält, gelingt es ihm alleine durch sein Zahlenverständnis immer neue Wege in die Welt zu ermöglichen. Jahrzehnte vergehen, bis die beiden ungleichen Brüder im Geiste sich tatsächlich gegenüberstehen, und dennoch scheint es zumindest in diesem Buch fast unausweichlich ...

Ich weiß gar nicht, warum ich das Buch so lange nicht gelesen habe. Als ich es jetzt schließlich mit auf eine Klassenfahrt genommen habe, war es für mich wirklich das ideale Buch, um im Zug zu lesen, immer wieder in mich hineinzulächeln und gelegentlich auch lauter zu lachen. Streckenweise erinnerte es mich sehr an "Wassermusik" von T.C.Boyle, zumindest was die Schilderungen der Fahrten von Humboldts betrifft. Wie ein großes Kind ist er von allem beeindruckt, sammelt er alles, was ihm unter die Finger kommt und bekommt doch kaum etwas von dem mit, was um ihm herum geschieht. Mit seinem Auftreten eckt er gerne an und kümmert sich wenig um den Eindruck, den er nach außen vermittelt. Die Szenen mit ihm leben von absurden Elementen, in denen meistens zwei Kulturen aufeinanderprallen - meine Lieblingsstelle ist definitiv, als er und Bonplant selig grinsend und im Vollrausch irgendwo vor einer Hütte sitzen, nachdem sie mit Curare experimentiert haben. Warum? Weil ich glaube, dass diese Forscher tatsächlich in gewissem Maße so waren, alles riskiert haben nach dem Motto "wenn ich dabei draufgehe, war es wenigstens für die Wissenschaft". Gauß dagegen ist ein fast typischer "zerstreuter Professor", an dem selbst die Geburt seines Kindes vorbeigeht. Geweint habe ich aber definitiv, als seine erste Frau stirbt, weil Kehlmann hier nur in sehr kurzen Szenen den gesamten Sterbeverlauf von zwei Tagen schildert.

Überhaupt gefiel mir am Buch am allermeisten die Sprache. Immer ein wenig distanziert, immer ein wenig verschroben und altertümlich angehaucht - was vor allem auch daran liegt, dass ein Großteil der Dialoge in indirekter Rede geführt wird. So, als würde man einen Forscherbericht lesen, das passt so hervorragend zum Buch, dass ich gar nicht langsam genug lesen konnte. Es ist diese "Dr. Livingston, I presume"-Attitüde, mit der Kehlmann die Protagonisten aber nie lächerlich erscheinen lässt. Dennoch sind sie nicht einfach nur die liebenswert-schrulligen Charaktere, die man vielleicht erwarten würde, sondern zum Teil extrem unsympathisch oder auch einfach in ihren Entscheidungen ruppig, hart oder anders, als man selbst es tun würde. Ich habe die beiden Herren gerne kennengelernt und werde definitiv wieder einmal in das Buch schauen :-)

Sonntag, 22. Juni 2014

[Lieblingsbücher] Ephraim Kishon - Kein Applaus für Podmanitzki

Als ich 13 war, habe ich in einem meiner Schulbücher eine Satire von Ephraim Kishon entdeckt. Beim Lesen fiel mir ein, dass meine Eltern von ihm ein Buch irgendwo im Regal stehen hatten, das ich mir kurzerhand auslieh. Nach knapp zwei Stunden war ich ein ziemlicher Fan und die nächsten Jahre vergingen damit, mir so ziemlich jedes Bastei-Lübbe-Buch zu besorgen, auf dem vorne sein Name stand. Mit 17 bin ich sogar auf die Frankfurter Buchmesse gefahren, um ein Autogramm des Meister der Satire zu erhalten :-p  Angefangen hat es alles mit diesem Buch, das ich bis heute nicht meinen Eltern zurückgegeben habe, sondern dass inzwischen vier Umzüge mitgemacht hat, und das ich bis heute immer noch für das beste halte. (Wobei, die erste Liebe ist ja immer was Besonderes ...) Also ist es ja nur selbstverständlich, dass ich es im Rahmen der Lieblingsbuch-Challenge noch einmal gelesen habe. Und zwar schon vor drei Monaten, aber verdammt, ich komm ja gar nicht mehr mit rezensieren hinterher ;-)

"Kein Applaus für Podmanitzki" ist eine Sammlung von Satiren, die sich samt und sonders um den Bereich Theater und Film drehen (mit kurzen Exkursen ins Hörspiel und das Musical), lose zusammengehalten durch den immer wieder auftretenden Jarden Podmanitzki, einen mittelmäßigen Schauspieler, der auf der Bühne nicht den Helden gibt, sondern den hinzurichtenden Volkstribun, dessen Zeilen meistens so gekürzt werden, dass er nur noch stumm über die Bühne stolpert, und der sich deshalb mit diversen anderen Engagements über Wasser halten muss. Diese Figur stolpert als Bindeglied durch eine Reihe von Satiren, verschwindet gelegentlich, um dann aber doch wieder wie ein Schachtelteufel aufzuploppen. Und auch, wenn er gar nicht genau beschrieben wird, hat man doch eine bestimmte Figur dazu vor Augen, einen Schauspieler jenseits des jugendlichen Liebhabers, der den Sprung zum Charakterdarsteller noch immer nicht geschafft hat ... Fast täte er einem Leid, wäre da nicht sein Hang zum Melodramatischen und zum Chargieren, mit dem er dem Publikum jedes Mal beweist, dass es ganz richtig tut mit seiner Einschätzung. Natürlich gibt es auch einige Auftritte der besten Ehefrau von allen (diesmal als bezaubernde Hexe, die den Gatten in die Arme einer alten Bühnenoma treibt)und dem Kritiker I.L.Kunststetter, dessen Willen zur bedingungslosen Vernichtung eines Schauspiels ungebrochen ist.

Die Bühne, so erklärt Kishon, ist ein gnadenloses Irrenhaus, bei dem selbst die Wärter verrückt sind - und das man deshalb einfach lieben muss. Er entführt seinen Leser mitten hinein in diese Welt der Kritiker und Kleinkünstler, setzt sie aus, bis ihnen ebenso schwindelig ist wie dem Erzähler, und holt sie immer wieder zurück auf den Boden der "so ist es wirklich"-Tatsachen. Sei es durch die Überlegungen eines wachsamen Intendanten, wie das nächste Stück durch geschickte Kritikerarrangements auf jeden Fall zum Erfolg wird oder die Beschreibung eines Chansons-Abends, bei dem das Publikum nicht im mindesten versteht, was da gesungen wird - man amüsiert sich einerseits über diesen Irrsinn, andererseits ahnt man, dass es tatsächlich so abgehen könnte hinter den Kulissen. Dabei schaut Kishon genau hin, legt den Finger in die Wunde der Kulturbetreibenden, die kein Geld haben, aber wahre Kunst machen wollen, und bleibt ganz bei seinen Figuren, die er nie vorführt, egal, wie seltsam sie sein mögen.

Was mich aber diesmal beim Lesen gestört hat (und was ich gar nicht mehr so auf dem Schirm hatte), ist die Tatsache, dass das Buch ja nur eine Sammlung völlig verschiedener Satiren ist. Jemand hat einfach alle Satiren zum Thema "Kulturbetrieb" zusammengestellt, einen hübschen Titel überlegt und fertig war das Buch. Blöderweise heißt das aber auch, dass sich hier doch einige Ideen wiederholen und immer wieder variiert werden, bis der Esel halb tot im Stall ankommt und dort in Form einer weiteren Variante den Gnadenschuss bekommt. Da wäre ein bisschen weniger viel mehr gewesen  aber nichtsdestotrotz fand ich es schön, mal wieder reingeschaut zu haben :-)

Samstag, 21. Juni 2014

[Hörbuch] "Täuscher" gelesen von Julia Fischer

Landshut, 1922. Die 32 Jahre alte Klavierlehrerin Clara Ganslmeier und ihre 77jährige Mutter werden in der gemeinsamen Wohnung bestialisch ermordet. Vermutlich ein Raubmord, so glaubt die Polizei zunächst, wird dann aber durch Zeugenaussagen auf einen anderen Verdächtigen gelenkt. Hubert Täuscher, Mitte 20, Sohn eines Bürstenfabrikaten und der Verlobte der Ganslmeier, soll hinter den Morden stecken. Zuzutrauen ist es ihm - denn nicht nur, dass er die gutbürgerliche Verlobte ausnimmt wie eine Weihnachtsgans, er hat auch noch in München eine andere sitzen, jünger, hübscher, leider ärmer. Tatsächlich wird Täuscher festgenommen und in einem spektakulären Prozess zum Tode verurteilt und hingerichtet. Soweit hält sich  die Handlung an die tatsächlichen Gerichtsakten und Presseberichte, die von der Autorin Andrea Maria Schenkel akribisch aufbereitet und literarisch verarbeitet werden. Doch sie geht einen Schritt weiter und erzählt über diesen Handlungsrahmen hinaus - düsterer, als von ihr gewohnt, bis zu einem Ende, bei dem man sich fragt, wieso es Menschen gibt, die immer auf den Füßen landen.

Als Hörbuch fand ich "Täuscher" sehr nett, mehr aber auch nicht. Das lag an der Geschichte.
Diese ist ganz typisch für Andrea Maria Schenkel: viel Lokalkolorit, viel Dialekt und Umgangssprache, oftmals kein Erzähler, sondern eine Collage aus Vernehmungsprotokollen, Gerichtsakten, Presseberichten, kurzen Erzählpassagen. Das ist beim Lesen bereits anstrengend, aber beim Hörbuch eine echte Herausforderung. Nicht nur, dass man sich darauf konzentrieren muss, wer jetzt was sagt, zusätzlich ist die Geschichte auch noch nicht chronologisch erzählt. Da gibt es Zeitsprünge zuhauf, mit deren Hilfe alles auf das doch einigermaßen spannende Ende hin entwickelt wird, aber so richtig packen will einen das Buch dadurch nicht. Vor allem dienen die Sprünge dazu, die Figur von Täuscher immer weiter zu charakterisieren und die Frage nach seiner Schuld zu wecken. Während die übrigen Figuren in ziemlichen Klischeekisten verweilen, ist zumindest Hubert eine sehr widersprüchliche Person. Traumatisiert von seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg, ein Schöngeist, der nicht Vaters Fabrik übernehmen, sondern berühmt werden will. Einer, der nicht "nein" sagen kann, sondern mitgezogen wird von allem und dadurch in Situationen gerät, die er gar nicht haben wollte. Ein Meinungswechsler par excellence, ein arroganter Bengel - jeder sieht in ihm etwas anderes und nur das gesamte Buch bildet ihn vollständig ab.

Um dieser doch verwirrenden Erzählstruktur etwas entgegen zu setzen, muss man einen Sprecher haben, der zumindest sehr schnell beim Leser wachruft, wer denn da jetzt grade spricht. Julia Fischer gelingt das auch recht gut - ihr Stimmumfang ist nicht sooo facettenreich, aber zumindest schafft sie es, durch Betonungen und Lautstärke die Figuren unterscheidbar zu halten. Die Dialektpassagen klingen absolut authentisch, wodurch die Stärke des Hörbuchs betont wird, Lokalkolorit vor Augen zu führen. Mitunter sind mir aber die Erzählpassagen zu einförmig vorgetragen, so dass ich mich hier extrem konzentrieren musste. Für ein Hörbuch erwarte ich aber eindeutig mehr Vielfalt, die mich am Ball bleiben lässt. Die Tracks waren relativ lang gemessen am Umfang der Aufnahmen, zumindest aber in sich abgeschlossen, so dass es möglich war, die CD auch mal aus dem Auto mit in die Wohnung zu nehmen.

Fazit also: Hörbuch und Story okay, aber man muss sich nicht drauf stürzen und um jeden Preis haben.


[Buchgedanken] Thomas Brussig - Am kürzeren Ende der Sonnenallee

Michael Kuppisch ist 16 Jahre alt und verliebt. So, wie nahezu alle anderen 16-Jährigen, die Ende der Siebziger Jahre leben. Miriam heißt Mischas Angebetete und wie so oft ist auch Miriam ein unterreichbarer Stern. Denn sie steht nun einmal auf Westdeutsche, die mit den schicken Autos und den Taschen mit Geld - beides unerreichbare Ziele für Michael, der mit seinen Eltern, seiner Schwester und deren Ehemann in einer viel zu kleinen Wohnung in der Berliner Sonnenallee lebt. Die Mauer teilt die Straße in Ost und West, und die Kuppischs leben in der DDR. Während sich Michaels Freunde Mario von einer Existentialistin entjungfern lässt und Wuschel auf der Suche nach einer Original-LP der Rolling Stones in Bereiche vordringt, in die nicht einmal ein Abschnittsbevollmächtigter einfach so hinein darf, sucht Michael nach einer Möglichkeit, Miriam zu beeindrucken. Revolutionär müsste man halt sein ...

Das Buch, wusste ich vorher auch nicht, ist eigentlich der Roman zum Film "Sonnenallee", denn Brussig hat zusammen mit Leander Haussmann erst das Drehbuch geschrieben und dann alle anderen Ideen mit in den Roman gepackt. Dementsprechend handelt es sich hier eher um eine Sammlung kleiner Szenen, eine wirklich fortlaufende Handlung ist eher nicht gegeben. Eher ist das wie ein Fotoalbum, das man durchblättert, um immer wieder hängen zu bleiben und die Geschichte von Michael und Miriam ist eher eine Klammer, die das Paket zusammenhält, so wie der Clip an einem Fotoalbum, das bis zum Platzen gefüllt ist.Das ist einerseits das schöne an dem Buch, andererseits aber auch sehr nervig. Statt einfach einen Roman hat man hier eine Art Polaroidsammlung von "drüben", in dem man sich als Leser zurechtfinden muss. Das kann sehr nervig sein beim Lesen, denn wirklich ausgearbeitet sind die Figuren nicht. Es sind eher "Typen", die dir hier vorgesetzt werden, denen ich auch beim Lesen meistens gerne in ihr Leben gefolgt bin, aber hier und da fände ich ein wenig weniger Slapstick und ein wenig mehr Charakter ganz angenehm.

Brussig wurde oft vorgeworfen, in seiner DDR-Nostalgie die Schattenseiten zu vergessen und zu übertünchen. Es ist vermutlich dasselbe Prinzip, warum meine Freundin ihre DDR-Schulbücher nicht wegwerfen will und immer noch aus Prinzip eine Original-Sechziger-Jahre-Küchenaccessoires-Dichte ihr eigen nimmt, die das DDR-Museum erblassen lässt. In all der Aufarbeitung der DDR fehlt vielleicht vielen Menschen die Akzeptanz dessen, dass sie ihr Leben dort reichlich normal geführt haben. Nach der Wiedervereinigung wurde die DDR einfach so komplett übertüncht, dass auf der Nostalgieebene einmal das Leichte und Schöne daraus ausbricht und um Aufmerksamkeit ringt. Vielleicht auch deshalb, weil man den von Nina Hagen besungenen Farbfilm benötigt, um Dinge real und wirklich erscheinen zu lassen. Eine pure Negativzeichnung macht s uns nämlich zu einfach, uns zu distanzieren, so waren wir doch nicht und wären wir nie gewesen. Aber so jung, dumm und verliebt wie Mischa und Konsorten - das kennen wir doch alle ;-)

Samstag, 7. Juni 2014

[Plauderei] Bücher in meinem Regal

Bei bunte Worte bin ich heute über ein nettes Bild von Berfrois gestolpert, das mich aufs Regal hat schauen lassen ;-) Welche dieser Kategorien sind denn da eigentlich alle versammelt? Da der Tag heute ganz dem Buch gewidmet ist, hat es mich nicht losgelassen und ich habe direkt mal nach Bücher gesucht. Die ersten beiden Kategorien sind leicht, denn die findet ihr alle hier auf dem Blog versammelt :-p Aber der Rest?
 

 
Half-read:  J.R.R. Tolkiens "Der Herr der Ringe". Ich will es immer noch irgendwann richtig komplett lesen, aber ich habe es einfach nicht geschafft bislang und zehre daher von meinen Leseerinnerungen, als ich 16 war. Damals war ich so genervt von den endlosen Landschaften und Schlachten, dass ich ab Band 2 nur quergelesen habe ...
 
Pretend I've read: Gustav Schwab "Sagen des klassischen Altertums". Mein Wissen über griechische Sagen stammt aus vielen Quellen, aber sehr wenig aus Gustav Schwabs Klassiker. Ich finde ihn viel zu sperrig, um ihn genussvoll zu lesen, aber er macht sich so gut im Regal ;-)
 
Saving for when I have more time: "The Swan Thiefes" von Elizabeth Kostova. Ich fand ja "Der Historiker" wundervoll, aber ihr Stil will wirklich verdaut werden und im Moment habe ich so gar keine Zeit dafür
 
Will never read: Die gesammelten Sachbücher meines Mannes über das deutsche Kaiserreich, das ist einfach so gar nicht meine Tasse Tee.
 
Purely for Show: "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" von Hannah Arendt. Ich habe das Buch in einigen Kapiteln für meine Diplomarbeit gelesen, aber es vollständig mal so zu lesen? Nie im Leben. Aber es macht sich so gut in seiner vollen Breite ;-)
 
Read, but can't remember a single Thing about it: "Stadt aus Glas" von Paul Auster. Ich weiß noch, dass ich sehr irritiert war und mir Austers Stil so gar nicht zusagte, während meine Schwester ein totaler Fan geworden ist durch das Buch. Ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht doch nochmal einen Blick hineinwerfen sollte ...
 
Wish I hadn't read: Da habe ich keines im Regal. Denn diese Bücher landen so schnell an anderen Orten, die haben gar keine Zeit, sich irgendwo ein Plätzchen zu suchen :-)
 


[TAG] "Seite 44, Satz 3"-Geschichte

Gerade eben haben ich auf lullabys Bücherkiste einen Tag entdeckt, den ich unbedingt mit euch teilen will. Es geht relativ einfach: geh an dein Regal, suche dir wahllos 16 bis 20 Bücher aus und schlage beim ersten Buch Seite 44 auf. Suche den dritten Satz auf dieser Seite und schreibe ihn ab. Mach das so lange, bis du beim letzten Buch angelangt bist. Hier schlägst du die letzte Seite auf und schreibst den letzten Satz ab.

Dabei entstehen, mysteriöse, urkomische oder auch dem Wahnsinn nahe stehende Geschichten, die vor allem eins machen: Lust aufs Lesen :-)  Und da ich ja nett bin, dürft ihr gerne einfach so an diesem Tag teilnehmen - postet doch den Link hier, ich hab grade Lust auf Lesen.

Ich habe nicht geschummelt bei der folgenden Geschichte, also nicht extra nach Sätzen gesucht. Ich habe mir nur erlaubt, die gezogenen Sätze zu ordnen und Gedanken kursiv zu setzen. Ich bin wirklich doch ganz angetan, was hier rausgekommen ist :-)



Das Gehen der Schritte oben wurde lauter. Der kleine Chuck brachte ihr Wasser in einem Plastikbecher, das sie dankbar trank. Noch während er sie überrascht anschaute, mit offenem Mund und fragendem Blick, fasste sie ihn an der Hand und zog ihn zum Bett. Die eine Seite der großen schwarzen Pupille reflektierte einen kleinen Lichtfunken. Noch nie hatte jemand sie so unglücklich gemacht, so unsicher. Er hat nur vier Tage gebraucht, was nicht viel ist in dieser Zeit, ich meine, in einer Zeit, die so langsam vergeht. "Ich habe keine Schwierigkeiten mit Ihnen." Nichts. Catelyn hatte Übung im Warten.
An den Wänden standen Regale aus Eichenholz, die alle zehn Meter von Türen mit Milchglasscheiben unterbrochen wurden. Der See schaukelte ganz leise und spielte - plitsch, plitsch - am Ufer.
"Ich konnte dich schließlich nicht einfach da liegen lassen."
"Ja", räumte Crispin bereitwillig ein, "Jonah hat wieder einmal großartig gespielt."
Als sie ermordet wurde, trug sie einen grünen Rock, einen braunen Unterrock, eine lange schwarze Jacke, eine schwarze Haube und Knöpfstiefel, "alles alt", laut Polizeibericht.
Abgesehen von derlei Experimenten gab es Fälle von zufälliger Isolation - Kinder, die sich im Wald verirrten, Seeleute, die auf Inseln ausgesetzt wurden - und die Fälle grausamer, sadistischer Eltern, die ihre Kinder aus keinem anderen Grund als unter dem Zwang ihres eigenen Wahnsinns einsperrten, an Betten ketteten, in Kammern prügelten und marterten. So hatten sie ihn noch nie erlebt. Was Sie betrifft, bin ich mir da nicht ganz so sicher.

Freitag, 30. Mai 2014

[Buchgedanken] Frank McCourt - Tag und Nacht und auch im Sommer

Tausende von Unterrichtsstunden hält ein Lehrer bis zur Pensionierung, hunderte von Schülern kreuzen seinen Weg und werden von ihm mehr oder weniger für den Stoff begeistert. Ganz diese Erfahrungen machte auch Frank McCourt, der nach seiner Kindheit in Irland zurück in seine Geburtsstadt New York ging, dort Lehrer wurde und Jahrzehnte im Schuldienst verbrachte. Nach seiner Pensionierung begann er zunächst, die Geschichte seiner Kindheit zu erzählen, die mit "Die Asche meiner Mutter" zu einem Überraschungserfolg wurde. Mit "Ein rundherum tolles Land" und "Tag und Nacht und auch im Sommer" legte er zwei weitere Bände nach, die sein Leben in den USA zeigten. Beide Bände finde ich persönlich aber nicht mehr so gelungen, was vor allem daran liegt, dass McCourt doch wieder zum großen Teil Geschichten aus Limerick rekapituliert, die man bereits im ersten Teil gelesen oder angedeutet bekommen hat.

"Tag und Nacht und auch im Sommer" ist dementsprechend in vielen Seiten sehr redundant. Es ist in gewisser Weise wie ein Dialog in einem durchschnittlichen Unterricht aufgebaut, bei dem die Schüler den Lehrer vom Unterrichtsthema ablenken wollen und der nur zu gerne darauf einsteigt. Das ist ganz nett und ich habe mich als Kollegin wiedererkannt ;-) Es wird aber mit der Zeit ein wenig langweilig, wenn das Buch nicht linear erzählt wird, sondern sehr springt und sehr episodenreich erzählt. Dadurch fehlt mir ein wenig Hintergrundinfo - plötzlich ist Frank verheiratet und ich weiß gar nicht, woher die Frau kommt, dann sind sie geschieden und man weiß wieder nicht so richtig warum oder wieso. Das ist mein größter Kritikpunkt am Buch, der den Leseeindurck wirklich extrem runtergezogen hat.

Warum ich das Buch aber andererseits wirklich gerne gelesen habe? Es ist ein ideales Buch Junglehrer, die im Referendariat total zerbrochen wurden und eh nichts richtig machen konnten. Frank McCourt geht es so ähnlich, er steht nach dem Studium vor Klassen und lernt erst langsam, sich in die Lehrerrolle hineinzufühlen. Egal, ob es um völlig danebengegangene Lehrproben geht oder Ausflüge mit desinteressierten Klassen in öffentlichen Verkehrsmitteln, du wirst es überleben und du wirst daran wachsen. Ich hoffe, dass ich später ein klen wenig wie er vor den Klassen stehen kann, ein klein wenig Schüler inspirieren kann, aber selbst wenn nicht, ich werde wissen, dass ich nicht allein mit meinem Gefühl der chronischen Überforderung und des chronischen Neulernens sein muss ;-)

[Buchgedanken] Stephen King - Doctor Sleep

Danny Torrance war ein kleiner Junge, als sein Vater einen Job annahm, der das Leben der gesamten Familie verändern sollte. Im über die Wintersaison geschlossenen Overlook Hotel sollte er als Hausmeister tätig werden und parallel einen Roman beenden. Doch dann explodierte ein Gaskessel, tötete Jack Torrance und Danny und seine Mutter bekamen nie wieder einen Fuß auf den Boden. So lautet zumindest die offizielle Version, die tatsächlichen Ereignisse kann man in Stephen Kings Roman "Shining" genauer nachlesen. "Doctor Sleep" setzt fast vierzig Jahre später ein. Danny ist inzwischen Daniel und er hat vor allem die Alkoholkrankheit seines Vaters übernommen. Dank eines Freundes und früheren Chefs besucht er nun seit Jahren die Treffen der Anonymen Alkoholiker und ist trocken, er hat sogar einen Job gefunden, in dem ihm sein Shining helfen kann: als Sterbebegleiter in einem Hospiz. Doch in dieses ruhige Leben platzt eines Tages ein kleines Mädchen namens Abra. Abra besitzt das Shining, allerdings deutlich ausgeprägter als man es von Danny kennt. Die beiden stehen über eine Tafel in Dannys Arbeitszimmer in Kontakt, auf der Abra Kraft ihrer Gedanken immer mal wieder Nachrichten hinterlässt. Eines Tages, nach fast zwölf Jahren Telepathiefreundschaft, ruft Abra ihren Freund um Hilfe. In einem Traum wurde sie Zeuge, wie eine Gruppe von Menschen einen Jungen getötet und sein Shining "aufgesogen" hat. Denn auf den Straßen der USA ist eine Sekte unterwegs, die sich vom Shining ernährt. Sie sind getarnt als dynamische Rentner in Wohnmobilen, doch Abra und Danny ist klar, dass hier das Böse lauert ...

Hach, ich weiß auch nicht. Ich muss jetzt dazu sagen, dass ich "Shining" zwar diverse Male angefangen, aber dann doch nie zu Ende gelesen habe. Von daher kann ich mich nicht dazu äußern, ob das Buch jetzt eine gelückte Fortsetzung ist oder nicht. Aber zumindest kann ich sagen, dass "Doctor Sleep" für mich eines der schlechteren  King-Bücher geblieben ist. Sehr lange hatte ich das Gefühl, dass King selbst nicht wirklich wusste, worauf der Roman hinauslaufen soll. Das Buch ist gerade am Anfang extrem episodenhaft und ich kam mir ein wenig vor wie in der Disco, wenn das Licht beginnt zu flackern und mann nur abgehackte Bewegungen erkennen kann. Mir fehlte ein wenig der ausufernde Erzähler, was ich sehr schade finde, denn auf diese Weise habe ich einfach keinen Zugang zu den Personen gefunden. Dannys Leidensmine ging mir zunhemend auf den Keks und Abra "ich bin sooooooo paranormal" wirkte auf mich leicht unglaubwürdig, da sie einfach alles kann. Telepatie, wahrsagende Träume, durch fremde Augen sehen - alles, was grade gebraucht wird, taucht plötzlich bei Abra auf wie das Kaninchen aus dem Zauberhut. Ja, kann man als Autor einmal machen, aber einen gesamten Roman darauf basieren zu lassen? Nein, Mr. King, ich verzichte lieber auf die Forsetzung zu "Shining", wenn es dazu führt, keinen lauwarmen Horror lesen zu müssen. Für Fans ist das Buch mit Sicherheit ein absolutes Muss, aber man kann auch auf die Taschenbuchausgabe warten ...

[Buchgedanken] Colette McBeth - Zorneskalt

Rachel Walsh ist Kriminalreporterin für einen Lokalsender. Deshalb wird sie auch nach Brighton geschickt, als die dortige Polizei eine Pressekonferenz abhält, mit der nach einer jungen Frau gefahndet werden soll, die vermisst wird. Als Rachel das Konferenzzimmer betritt, sieht sie zum ersten Mal ein Foto der Toten: es ist Clara, Rachels älteste Freundin, mit der sie vor drei Tagen in einer Bar verabredet war und die nicht aufgetaucht ist. Rachel will herausfinden, was passiert ist, und verstrickt sich dabei immer mehr in einem Geflecht aus Lügen und falschem Spiel ...

Ich bin so froh! Eigentlich hatte ich mir das Buch am Flughafen kaufen wollen, es dann aber doch stehen lassen und es schließlich bei medimops für einen Euro gekauft. Immerhin ist dadurch der Verlust nicht so groß, wenn es jetzt direkt wieder im Verkauf landet, denn ehrlich, aufheben muss ich dieses Buch nicht. Ich hatte mich verlassen auf den Werbespruch hinten ("Sie weiß alles von dir ... das macht sie gefährlich ... deine beste Freundin") und den "Thriller"-Aufdruck vorne. Bekommen habe ich einen eher lauwarmen Krimi, dessen Überrschungseffekte eher dahindümpeln und dessen Ende so bestechend unglaubwürdig ist, dass ich beim Lesen laut lachen musste. Gut, die Entwicklung von Rachel ist schon ziemlich interessant und hat durchaus Potential. Dieses scheitert allerdings an der Erzählstruktur. Das Buch ist ein langer Brief, den Rachel an Clara schreibt, wobei sie chronologisch die Zeit seit der Pressekonferenz darstellt und parallel die Geschichte ihrer Freundschaft, die in der Pubertät beginnt. Rachels Kindheit leidet unter einem lieblosen Elternhaus, in der ihre Mutter ihr nie den Namen ihres Vaters mitteilen möchte, und sie das Gefühl vermittelt bekommt, völlig unzulänglich zu sein. Clara, die ungekrönte Königin der Klasse, wählt die neu zugezogene Rachel zu ihrer besten Freundin aus, weshalb sie viele Mädchen beneiden. Warum sich Rachel dann am Abend von Claras Verschwinden mit denen trifft? Keine Ahnung, vielleicht Masochismus ... Jedenfalls ist schon schnell klar für den Leser, dass da noch mehr hinter der Geschichte stecken muss, dass eine der beiden Freundinnen eine extrem unglaubwürdige Zeugin sein muss. Ist Clara manipulaitv? Oder Rachel eine eiskalte Psychopatin? Beides wäre möglich, der Krimi folgt schließlich einer Spur, die man aber nur als an den Haaren herbeigezogen bezeichnen kann.

Wie gesagt, ich bin froh, dass ich das Buch ohne großen Verlust gleich weiter verkaufen kann ;-)

Sonntag, 18. Mai 2014

[Buchgedanken] Lauren Willig - Ashford Park

New York, 1999. Clemmie ist Rechtsanwältin und arbeitet sich die Seele aus dem Leib, um in ihrer Kanzlei als Partnerin einsteigen zu dürfen. Selbst für den 99.Geburtstag ihrer Großmutter Addie kann sie sich nur notdürftig Zeit freischaufeln. Als sie dort eintrifft, erleidetet Addie einen Schwächeanfall und spricht ihre Enkelin danach immer wieder mit dem Namen Bea an. Neugieirig macht sich Clemmie mit ihrem Stiefcousin Jon an Nachforschungen. Auch erfährt der Leser - im Gegensatz zu den beiden - viel über Addies Kindheit. Mit sechs Jahren sterben ihre Eltern, eine Schriftstellerin und ein enterbter Adeliger bei einem Autounfall, und das Mädchen wird in die Obhut von Tante und Onkel gegeben. Im Herrenhaus Ashford Park verlebt sie eine eher freudlose Jugend, die einzig durch ihre Cousine versüßt wird. Die drei Jahre ältere Bea nimmt sie unter ihre Fittiche. Nach dem ersten Weltkrieg steckt Bea in einer eingeschlafenen Ehe, während Addie ihre Jugendliebe Frederick wiedertrifft. Der ist durch seine Zeit im Schützengraben jedoch zynisch und verbittert geworden und als Bea ihn kennenlernt, beginnt sie eine heftige Affäre ...

Das Buch ist ein richtiges Flutschbuch - allerdings so flutschig, dass darunter einiges gelitten hat. Es ist eine nette Geschichte und die Auflösung ist ebenfalls ... joah, nett halt. Happy Ends winken um die Ecke und düstere Geschehnisse werden beleuchtet. Ich will nicht zuviel spoilern, aber der Leser erfährt es ja sowieso schon am Anfang, dass Addie und Frederick sich doch noch kriegen. Leider, möchte ich sagen, denn die Hälfte des Buches fragte ich mich, was sie mit so einem Arschloch will. Und danach, was er mit so einer Zicke will. Also, eigentlich finden sich genau die richtigen zusammen und man könnte glücklich sein. Allerdings sind mir die Figuren - allen voran Clemmie und Jon, aber auch Bea und Addie - zu eindimensional und charakterarm geraten. Sie überraschen nicht wirklich und aufkommende Probleme werden entweder innerhalb einer Seite gelöst oder totgeschwiegen und ignoriert. Es ist ziemlich schade, dass da so viel verschenkt wird, das Buch wäre wirklich gut, wenn ein paar mehr Entwicklungen drin stecken würden. Spätestens bei Addies Reise nach Afrika wünsche ich mir mehr als kuhäugiges "Frederick ist so sexy"-Verhalten! Überhaupt fehlte mir in dem Buch die Atmosphäre, denn ehrlich, nur ein bisschen roter Sand reicht nicht, um mir den afrikanischen Kontinent vor Augen zu führen. Da war wenig schriftstellerisches Können am Weg und mehr ausgetretener Weg, den man schon hundertmal erlesen hat.

Fazit also: ein nettes Buch, aber man kann getrost drauf warten, bis es als Taschenbuch erscheint und es sich dann mal ausleihen.

[Buchgedanken] George R.R. Martin - Ein Lied von Eis und Feuer 2. Das Erbe von Winterfell

Ich hatte im letzten Eintrag ja vor allem über diese Reihe an sich geschwärmt, dieses Mal schwärme ich eben über das Buch spezifisch.

Die Ereignisse in Westeros wenden sich persönlichen Entwicklungen zu, noch mehr als im ersten Buch. Während Jon Snow in die Nachtwache eintritt und dort seinen Dienst an der Mauer ableistet, muss er sich immer mehr fragen, was er sein will: ein Stark, der er aber nie legitim sein wird, oder doch ein Bruder der Nachtwache, dessen Name sich nur durch seine dortigen Taten messen lässt. Sein Vater Ned Stark dagegen hat eine Handvoll Probleme als Hand des Königs zu lösen. Die Schulden des Königshauses haben es immer stärker in die Hände der Lannisters getrieben, die nur zu gern ihre Machtposition ausbauen - und gleichzeitig weiß er nicht, ob er König Robert erzählen soll, dass der Thronfolger Geoffrey nicht dessen leiblicher Sohn ist oder nicht. Und dann geschehen zwei Unglücke parallel. Neds Ehefrau setzt kurzerhand Tyrion Lannister unter Anklage, weil dieser den Mord an ihrem Sohn Bran in Auftrag gegeben haben soll, woraufhin die Lannisters zum Krieg gegen Winterfell rüsten - und der König stirbt durch einen Jagdunfall. Ned bereitet einen Putsch vor, er will statt Geoffrey den bruder des Königs auf den Thron verhelfen, durch Cercei ist schneller, und *zack* - innerhlab kurzer Zeit entwickelt sich der schönste Erbschaftskrieg, Ned sitzt wegen Hochverrats im Gefängnis und die kleine Sansa ist weniger Verlobte des Königs, sondern mehr Geisel des Königs - dessen sadistische grausamkeit sich immer deutlicher zeigt ...

Ich habe jetzt nur einmal die Haupthandlungslinie zusammengefasst und selbst hier schon wieder das Problem, dass dabei so viel drum herum passiert, was zum Teil noch in Band 1 beginnt und angelegt wird, dass ich die Hälfte vergessen habe und die andere Hälfte nicht ohne explizite Spoiler schreiben könnte. Aber ich muss sagen, dass ich diesen zweiten Band noch besser fand als den Vorgänger, was aber einfach daran lag, dass hier wirklich alles nebeneinander läuft und vor allem die verzwickten Zugeständnisse, taktischen Überlegungen und das Bündnisschmieden unglaublich gelungen dargestellt wird. Jeder will ein Stück vom Kuchen haben, im Hintergrund werden die Messer gewetzt und plötzlich bricht ein Krieg los, auf den jeder nur gewartet zu haben scheint. Währenddessen ist auch bei den Targaryen die Hölle losgebrochen. Danerys - die immer mehr neben Tyrion zu meiner Lieblingsfigur wird - integriert sich in ihre neue Familie, die sie im Volk ihres Ehemannes gefunden hat, nimmt dessen Sitten und Gebräuche an und lässt sich ihre Rolle als Königin gelegentlich ein wenig zu sehr raushängen. Jedenfalls für den Geschmack ihres Bruders, der wie ein bockiges Kleinkind neben dem Khal herstapft und kein anderes Wort mehr rausbringt als "Meine Armee, meine Armee, ich will meine Armee!"

Sehr gelungen ist auch dieses Mal die Figurenzeichnung. Die Hauptcharaktere - Ausnahme bildet vielleicht Sansa, die hoffentlich im Laufe der Zeit eine Entwickung machen wird, die sie rausbefördert aus dieser Spielball-Ecke, in der sie jetzt steckt - stehen vor Entscheidungen, die ihre eigenen Wertvorstellungen hinterfragen oder torpedieren können, und ein klitzeklitzekleines bisschen wird mir sogar Jamie Lannister sympathisch (da ich die Serie inzwischen weitergeschaut habe, weiß ich, dass diese Entwicklung anhalten wird - ein Glück, wenigstens die jüngere Männergeneration in diesem Haus ist so menschlich wie gelgentlich edel!) Geoffrey ist eine Figur, gegen die man sofort Hass verspürt, der muss nur den Mund aufmachen und mir geht ein Messer in der Tasche auf. Wobei ich glaube, so wird man einfach, wenn man als Soziopath zum Thronfolger erzogen wird :-D

Alles in allem geht hier weiter, was sich im ersten Band bereits gezeigt hat: ein Buch von epischem Ausmaß, bei dem jetzt auch noch die Schlachten beginnen. Freu ich mich auf Ende Mai, wenn ich die nächsten beiden Bände ausgeliehen bekomme ;-)

Samstag, 10. Mai 2014

[Buchgedanken] George R.R. Martin - Ein Lied von Eis und Feuer 1. Die Herren von Winterfell

Ostern hat es meine Schwester endlich geschafft, mich so richtig, richtig süchtig zu machen. Ich bin kein großer Fantasy-Fan, deshalb habe ich bislang auch einen kleinen Bogen um den ziemlichen Run auf "Game of Thrones" gemacht. Nachdem meine Eltern dann aber der Serie verfallen waren und die Bücher gelesen haben, wurde ich Ostern wirklich mit einem Buch an der Tür empfangen und den Worten "Lies es!" Ich kam diesem Wunsch nach und ... naja, zweimal fünfhundert Seiten in zwei Tagen dürfte wohl Werbung genug sein.

George R.R.Martin entführt seine Leser in den ersten beiden Bänden (die im Original ein Band sind, also nicht verwirren lassen) nach Westeros, einem Kontinent, der in sieben Reiche zerteilt ist, die von unterschiedlichen Familien beherrscht werden. Wir folgen zunächst einmal der Familie Stark, den Herren von Winterfell, dem Reich im Norden. Eddard Stark ist ein ruhiger Herrscher, der den Respekt seiner Ritter genießt und eine sehr große Familie sein eigen nennt. Als der König- ein Jugendfreund Neds - ihn zu seiner rechten Hand ernennt, bricht Ned mit seinen Töchtern Arya und Sansa in den Süden auf. Dort, in der Hauptstadt, soll Sansa später den Sohn des Königs heiraten und die Verbindung der Familien verstärken. Besagter Prinz Geoffrey ist im zarten Alter von 13 bereits ein ziemliches Arschlochkind, was vielleicht daran liegen könnte, dass er das Ergebnis eines Seitensprungs der Königin mit ihrem Zwillingsbruder ist. Cercei, die Königin, stammt aus dem Haus Lannister, dessen Machtgier nur noch von der Größe seines Geldbeutels überragt wird. Gleichzeitig zieht im Osten ein Sturm auf, denn der letzte Erbe des früheren Königs versucht eine Armee auf die Beine zu stellen. Dabei hilft die Ehe seiner Schwester Danarys, die er an den Khal Drogo verkauft, den Anführer einer Reiterarmee ...

So, wenn ihr bis jetzt alle Namen behalten habt, habt ihr noch nicht einmal im Ansatz die Hälfte der beteiligten Personen im Buch. Interessenten verweise ich an den Wikipedia-Eintrag ;-) Um es kurz zu machen, ich liebe diese Serie. Der erste Band ist nicht nur eine Einführung der Figuren, sondern es geht auch ziemlich die Post ab. Martin nimmt wenige Blätter vor den Mund, egal, ob es um Sex geht, um Gewalt oder darum, dass man im Notfall auch bereit sein sollte, über Leichen zu gehen. Er ist ungeheuer realistisch, wenn es darum geht, darzustellen, dass Herrschaft auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, die man nur schwer tragen möchte, er ist an den nötigen Stellen brutal - eine Hinrichtung ist nichts nettes, es ist etwas, an dem auch der Scharfrichter zu tragen hat - er ist explizit, wenn es darum geht, Machtpositionen auszunutzen oder Sex als Währung zu nutzen. Und er ist ein großartiger Erzähler, der es schafft, mich keinen Moment darüber im Unklaren zu lassen, wo ich gerade bin. Bei dem Arsenal an Hauptfiguren, die er aufstellt, verliert man nie den Überblick, und das, obwohl die Handlungen dieser Figuren so vielschichtig sind, dass man immer wieder überrascht wird von ihnen.

Keine der Figuren, die dir hier begegnen, ist auch nur im mindesten eindimensional. Sie sind tatsächlich Menschen, die in diesem Spiel um die Thronherrschaft geschoben werden oder sich selbst schieben, die ihre wahren Gefühle verstecken oder ihre Handlungen verschleiern, die sich nach dem Umblättern einer Seite als etwas ganz anderes entpuppen als man anfangs erwartet hat. Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das ich nicht einmal zur Seite legen konnte, um aufs Klo zu gehen, sondern das ich mitgenommen habe, um nur ja keine Sekunde aus dieser Welt auszutauchen. Und das Schlimmste ist: die Serie ist haargenau so. Exzellente Besetzung, großartige Bilder - und sie nimmt sich jede Menge Zeit, den Zuschauer in Martins Welt einzuführen.

Ja, ich lese dann mal die Bände 3 bis 10 nach ;-)

[Buchgedanken] Alina Bronsky - Nenn mich einfach Superheld

Der 16jährige Marek fühlt sich leicht verarscht, als seine Mutter ihn in einer Selbstbilfegruppe unterbringt. Denn er will sich nicht helfen lassen, er will einfach nur in Ruhe gelassen werden und mit seiner Vergangenheit abschließen, statt sie aufzuarbeiten. Denn Mareks Leben gliedert sich in zwei Zeitabschnitte. Die Zeit vor dem Kampfhund, als er als Star der Schultheatergruppe und beliebter Schüler glänzte - und die Zeit nach dem Kampfhund, der ihm das Gesicht zerbissen hat. Marek ist verbittert und kapselt sich von seiner Umwelt ab - und dass er jetzt mit einer Horde Behinderter über seine Probleme sprechen soll, findet er alles andere als angenehm. Als er dann auch noch mit der Gruppe in ein verlängertes Wochenende in die mecklenburgische Pampa fahren muss, hält ihn nur die Hoffnung auf einen verlängerten Flirt mit seiner Gruppenkameradin aufrecht. Und dann stirbt plötzlich sein Vater und Marek muss sich nicht nur zur Beerdigung aufmachen, sondern sich allmählich die Frage stellen, ob er tatsächlich weiterhin sein Leben von seinem Gesicht beeinflussen lassen will...

Ich habe das Buch spontan mitgenommen, weil es diesen hübschen rosa Umschlag hat. Okay, und weil ich nach "Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche" wirklich angetan war von Alina Bronskys Erzählen. Auch in "Nenn mich einfach Superheld" war ich sehr schnell in der Geschichte drin und habe mich mit Marek gut unterhalten. Und das, obwohl dieser Junge eigentlich ein ziemliches Arschloch ist, das seine Verletzungen zu einer hervorragenden Ausrede verwendet, um diesen Charakterzug voll auszuspielen. Je mehr Seiten ich gelesen habe, desto mehr habe ich mich gefragt, wie schlimm seine Narben wohl tatsächlich sind, denn wirklich beschrieben wird das nicht. Seine Mutter, die ihn dazu bewegen will, weiterzumachen und sein Leben wieder aufzuführen, tut so, als wäre es nur ein Kratzer - er selbst klingt, als hätte er die Hälfte seines Gesichts eingebüßt. Marek ist zumindest ein ungewöhnlicher, weil extrem egoistischer Held, kommt aber nicht im Ansatz an die Oma aus der tartarischen Küche heran.

Was ich vom restlichen Buch halten soll, weiß ich aber immer noch nicht. Irgendwie ist mir die ganze Geschichte mit ihrer Auflösung zu unrealistisch, zu simpel an der ein oder anderen Stelle, zu ... ich kann es nicht genau sagen. Als ich das Buch gelesen habe, ist es quasi an mir vorbeigeflossen und ich hatte das Gefühl irgendetwas wichtiges übersehen zu haben. Aber ich könnte nicht sagen, was das sein soll. Der Subtext, der hier mit Sicherheit vorhanden ist, hat mich nicht beachtet, und ich selbst war zwar unterhalten, aber es war ein bisschen wie mit einem McDonalds-Burger: wenn man ihn isst, schmeckt er lecker, aber lange hält er nicht vor.

Mittwoch, 30. April 2014

[Buchgedanken] Wolfgang Herrndorf - Tschick

Maik Klingenberg ist 14 Jahre alt und mehr als nur unglücklich verliebt in die Klassenschönheit Tatjana. Aber wer nicht mal cool genug für einen Spitznamen ist, wird von ihr ungefähr so bemerkt wie Nagelstaub. Als er nicht einmal zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen wird, steht fest, dass die Sommerferien nur bescheiden werden können. Zumindest ein Lichtblick ist gegeben: Maiks Mutter ist (wieder einmal) in einer Entzugsklinik und sein Vater wird zwei Wochen mit seiner Assistentin in den Urlaub fahren. Am ersten Tag dieses freien Lebens taucht schließlich Tschick auf. Andrej Tschichatschow, russischer Spätaussiedler und Klassenkamerad von Maik, hat es irgendwie von der Förderschule aufs Hellersdorfer Gymnasium geschafft, aber jeder fragt sich, wie das zuging, da Tschick gerne mal betrunken im Unterricht auftaucht und sein Leistungsspektrum von alptraumhaft bis herausragend alles umfasst. Als nun Tschick bei Maik vor der Tür steht, hat er auch noch einen geklauten Lada dabei und die beiden kommen auf die Schnapsidee, in ebendiesem zu Tschicks Großvater in die Walachei aufzubrechen. Wo die genau liegt, weiß keiner von beiden, Karten haben sie sowieso nicht dabei, also fahren sie einfach nach Süden. Dabei begegnen ihnen verschiedenste Figuren, die man so wohl nie kennenlernen würde, und die beiden lernen zumindest eins: dass mindestens ein Prozent der Menschen gar nicht so schlecht ist, wie man es immer erzählt bekommt.

Ich habe lange einen Bogen um "Tschick" gemacht, weil Jugendlicher auf Roadtrip mich immer zu sehr an das unsägliche "Fänger im Roggen" erinnert, an das ich so ziemlich die schlechtesten Leseerinnerungen hege. Aber nachdem ich "Tschick" vor kurzem im Theater gesehen habe, wollte ich es endlich auch lesen und bin mehr als angetan. Vor allem der Schreibstil sucht meiner Meinung nach seines Gleichen. Während andere Autoren versuchen, Jugendliche exakt abzubilden und dabei in der Wiedergabe von Jugendsprache herausragend scheitern, tut Herrndorf eigentlich das Gegenteil: er will eben nicht wie ein Jugendlicher klingen und schafft es genau dadurch, Authentizität zu erreichen, die zum Niederknien ist. Ob das jetzt die Beschreibung Tatjanas ist - die "insgesamt einfach super" seiende Angebetete - oder tiefphilosophische Unterhaltungen zu Richard Clayderman, man sieht die Figuren vor sich und hört sich so reden. Ohne "ey", ohne "krass" ohne alles. In einem völlig normalen Tonfall schildert Maik das Leben in einer komplett dysfunktionalen Familie, in der der Vater offen seinen Affären nachgeht und die regelmäßigen Aufenthalte der Mutter in einer Entzugsklinik zum Running Gag geworden sind. Maiks unverstellter Blick, mit dem er sich keiner Inllusion über Familienfrieden hingeben will, lässt mich als Leser nicht unbeeindruckt, sondern zieht mich in diese Welt. Und damit wirkt die Geschichte so nachvollziehbar und realistisch, dass ich ihm selbst das ziemlich doofe Ende verzeihe. 

Donnerstag, 24. April 2014

[Buchgedanken] Alexander Solschenizyn - Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch

Am Morgen wacht Iwan Denissowitsch auf, wartet auf den Weckdienst, geht gemeinsam mit seiner Gruppe zum Essen, geht gemeinsam mit ihnn zur Arbeit, geht gemeinsam mit ihnen zurück in die Baracke, geht gemeinsam mit ihnen schlafen. So ist jeder einzelne Tag im Gulag, in dem Iwan Denissowitsch wegen Vaterlandverrats sitzt. Als Überlebender der Kriegsgefangenschaft gilt er als Spion und wurde in einer der vielen Aktionen verhaftet und im Schnellverfahren verurteilt. Immerhin nur zu zehn Jahren, die nach ihm schon für zwanzig für dasselbe Vergehen. Dreitausendsechshundertdreiundfünzig Tage werden so vergehen.

Alexander Solschenizyn weiß, wovon er schreibt, denn er selbst war ebenfalls im Gulag, anschließend in der Verbannung, dann erfolgte die Ausbürgerung - sein Leben lang verbrachte der Schriftsteller damit, das System der Erniedrigung und des Terrors anzuklagen, dem nicht nur er im sowjetischen Russland ausgesetzt war. Mit den einhundertfünfzig Seiten dieses Buchs legte er ein Dokument vor, das mich beim Lesen extrem erschüttert hat. Zum einen deshalb, weil es wirklich so ein typischer Tag ist, der hier beschrieben wird. Kein großangelegter Ausbruchsplan, keine hoffnungsvollen Nachrichten über den Tod Stalins, kein gar nichts. Einfach nur dasselbe Spiel wie jeden Tag, das da lautet: Überleb bis morgen. Iwan Denissowitsch ist froh, dass er am Ende des Tages zwei Rationen Suppe bekommen hat, Brotreste klauen und verstecken konnte und immer noch seine warmen Stiefel hat. Was morgen kommt, weiß er nicht, er denkt auch nicht dran, sondern muss sich auf den heutigen Tag konzentrieren, und wer das nicht kann, der wird untergehen. In kleinen, oft nur angedeuteten Episoden beschreibt Solschenizyn, wie sich jeder einzelne Gefangene in diesem Lager einrichtet oder es auch nicht schafft und untergeht. Besonders diese kleinen Skizzen haben mich fasziniert und beschäftigen mich zum Teil immer noch. Was mich ebenfalls nachhaltig schockiert hat, war der Alltag, der hier beschrieben wird, und der effektiv darauf abzielt, möglichst wenig der Sträflinge über den Winter zu bringen. Zu wenig zu essen, so dass sich darum fast schon geprügelt wird, andererseits die Möglichkeit, sich Essen schicken zu lassen und dadurch Unfrieden und Streit zu provozieren, ein ausgeklügeltes Handelssystem, mit dem man sich durch das Lager schlägt, und vor allem - unendliche Zeit. Irgendwann bin ich drüber gestolpert, dass in der Geschichte erst eine Stunde vergangen ist, dass noch der ganze Tag vor einem liegt, und man jetzt schon nicht mehr kann, jetzt schon die erlösende Bettzeit herbeisehnt, um die Decke über den Kopf zu ziehen und dieses Elend nicht mehr mitansehen zu müssen. Das hat mich am meisten gequält bei diesem Buch, dass eigentlich nichts passiert, nichts passieren kann, sondern einen so hemmungslos furchtbaren Alltag so alltäglich schildert. Das ganze, ohne Mitleid einzufordern, ohne zu jammern, deshalb funktioniert es beim Leser auch. Wie kann man nicht zum dem Schluss kommen, das

Ich bin froh, mir mal wieder das Ziel gesetzt zu haben, mich an einen Literaturnobelpreisträger zu wagen, ich hätte sonst ein großartiges Buch verpasst,