Michael Kuppisch ist 16 Jahre alt und verliebt. So, wie nahezu alle anderen 16-Jährigen, die Ende der Siebziger Jahre leben. Miriam heißt Mischas Angebetete und wie so oft ist auch Miriam ein unterreichbarer Stern. Denn sie steht nun einmal auf Westdeutsche, die mit den schicken Autos und den Taschen mit Geld - beides unerreichbare Ziele für Michael, der mit seinen Eltern, seiner Schwester und deren Ehemann in einer viel zu kleinen Wohnung in der Berliner Sonnenallee lebt. Die Mauer teilt die Straße in Ost und West, und die Kuppischs leben in der DDR. Während sich Michaels Freunde Mario von einer Existentialistin entjungfern lässt und Wuschel auf der Suche nach einer Original-LP der Rolling Stones in Bereiche vordringt, in die nicht einmal ein Abschnittsbevollmächtigter einfach so hinein darf, sucht Michael nach einer Möglichkeit, Miriam zu beeindrucken. Revolutionär müsste man halt sein ...
Das Buch, wusste ich vorher auch nicht, ist eigentlich der Roman zum Film "Sonnenallee", denn Brussig hat zusammen mit Leander Haussmann erst das Drehbuch geschrieben und dann alle anderen Ideen mit in den Roman gepackt. Dementsprechend handelt es sich hier eher um eine Sammlung kleiner Szenen, eine wirklich fortlaufende Handlung ist eher nicht gegeben. Eher ist das wie ein Fotoalbum, das man durchblättert, um immer wieder hängen zu bleiben und die Geschichte von Michael und Miriam ist eher eine Klammer, die das Paket zusammenhält, so wie der Clip an einem Fotoalbum, das bis zum Platzen gefüllt ist.Das ist einerseits das schöne an dem Buch, andererseits aber auch sehr nervig. Statt einfach einen Roman hat man hier eine Art Polaroidsammlung von "drüben", in dem man sich als Leser zurechtfinden muss. Das kann sehr nervig sein beim Lesen, denn wirklich ausgearbeitet sind die Figuren nicht. Es sind eher "Typen", die dir hier vorgesetzt werden, denen ich auch beim Lesen meistens gerne in ihr Leben gefolgt bin, aber hier und da fände ich ein wenig weniger Slapstick und ein wenig mehr Charakter ganz angenehm.
Brussig wurde oft vorgeworfen, in seiner DDR-Nostalgie die Schattenseiten zu vergessen und zu übertünchen. Es ist vermutlich dasselbe Prinzip, warum meine Freundin ihre DDR-Schulbücher nicht wegwerfen will und immer noch aus Prinzip eine Original-Sechziger-Jahre-Küchenaccessoires-Dichte ihr eigen nimmt, die das DDR-Museum erblassen lässt. In all der Aufarbeitung der DDR fehlt vielleicht vielen Menschen die Akzeptanz dessen, dass sie ihr Leben dort reichlich normal geführt haben. Nach der Wiedervereinigung wurde die DDR einfach so komplett übertüncht, dass auf der Nostalgieebene einmal das Leichte und Schöne daraus ausbricht und um Aufmerksamkeit ringt. Vielleicht auch deshalb, weil man den von Nina Hagen besungenen Farbfilm benötigt, um Dinge real und wirklich erscheinen zu lassen. Eine pure Negativzeichnung macht s uns nämlich zu einfach, uns zu distanzieren, so waren wir doch nicht und wären wir nie gewesen. Aber so jung, dumm und verliebt wie Mischa und Konsorten - das kennen wir doch alle ;-)
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