Wie ihr seht, ist diese Rezension ein wenig anders als alle anderen auf diesem Blog. Das liegt vielleicht vor allem daran, dass es dieses Buch einem sehr schwer macht, einfach nur zu sagen "dieses Buch ist super, lest es".
Ich habe das irritierende Glück gehabt, Christoph Schlingensief kennenzulernen. Nein, wir waren keine besten Freunde oder dergleichen, aber ich habe zumindest ein paar nette Anekdoten, die ihn einschließen, und mit ihm mehr als einen Satz gewechselt. Das alles war nur kurz vor seiner Krebserkrankung und vielleicht habe ich deshalb sehr lange einen Bogen um dieses Buch machen müssen, weil ich es so persönlich finde und das Gefühl hatte, nicht das Recht zu haben, in sein Leben so einzudringen. Das klingt vielleicht komisch, wenn man bedenkt, dass er das Buch schließlich veröffentlich hat, aber es war einfach ein seltsames Gefühl, das Buch letztlich in die Hand zu nehmen.
"Tagebuch einer Krebserkrankung", das klingt so nach Selbsthilfebuch. Nach "der große Schicksalsroman", der in der Frau im Spiegel wochenweise veröffentlich wird. Wer so etwas erwartet, wird hier ein wenig enttäuscht werden. Im Gegenzug zu allen Erwartungen ist das kein Buch, bei dem sich ein Aktionskünstler in den Mittelpunkt stellt, sondern eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Diagnose Krebs. Es ist ein Wüten und Toben, ein Fluchen und Schreien - und gleichzeitig immer wieder ein Lachen und Leben. Es ist der Versuch, weiterzumachen und sich mit diesem Krebs auseinanderzusetzen. Schlingensief hadert mit seinen Glauben, ohne sich zum neuen Hiob zu stilisieren. Er bleibt er selbst und trotzdem merkt man eine Veränderung an ihm. Während er am Anfang noch "Kunst" aus der Krankheit zu machen versucht, wird es im Laufe des Buchs immer mehr zu einem Teil seiner selbst und ist dann sehr viel kürzer und "normal" in Sätzen wie "Ich will nicht so jung sterben." Denn genau darum geht es, diese Angst vor dem Sterben. Das klingt jetzt deprimierend, dabei ist es das Buch gar nicht. Es ist bewegen und erschütternd, vielleicht auch gerade, wenn man vor Augen hat, dass all dies letzten Endes nichts genutzt hat, sondern Schlingensief ein Jahr nach Veröffentlichung doch gestorben ist. Ich wollte jetzt schreiben "dem Krebs erlegen" - aber genau das ist er nicht. Vielleicht ist das die beste Lehre, die man aus diesem Buch ziehen kann, dass man nicht erliegt, sondern es sich trotz allem einfach lohnt, weiterzuleben mit all seinem Hader, all seinen Ängsten und all seinen Leidenschaften. Was soll man also zu so einem Buch in nur einem einzigen Satz schreiben, wenn es schon so viele Buchstaben braucht, nur einen kurzen Einblick zu geben?
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