Als ich zehn Jahre alt war, lag ich irgendwann mal zwei Wochen mit einer Angina völlig ausgeknockt zu Hause und hatte zwangsmäßig schulfrei. Meine Mutter hatte für solche Fälle vorgesorgt und im Schlafzimmer einen gebunkerten Vorrat an Büchern, die wir dann als Trostpflaster für die Krankheitstage bekommen haben. Bei der Angina muss es gewesen sein, dass ich zum ersten Mal den Beginn einer Serie las, die den Titel "Die Kinder aus Nummer 67" trug. Insgesamt sind es acht Bände, die Lisa Tetzner (die frau des Autors Kurt Held, der mit "Die rote Zora" ebenfalls ein Buch verfasst hat, das ich im Krankenstand zum ersten Mal gelesen habe) im Exil verfasste, die inzwischen in einer wunderschön gestalteten Sammeledition herausgegeben wurden. Dabei fehlt allerdings Band 9, "Der neue Bund", den es aber immerhin als Taschenbuch gibt. Es sind jeweils zwei Bände pro Buch, in denen das Leben einer Berliner Hausgemeinschaft in der Hausnummer 67 zwischen 1931 und 1945 geschildert wird.
Nummer 67 ist ein Haus in einer normalen Berliner Straße. Im Hinterhaus leben Erwin und sein bester Freund Paul. Beide Jungs sind Arbeitersöhne, doch während es bei Erwn mehr schlecht als recht läuft und man schon über die Runden kommt, läuft bei Pauls Familie ziemlich viel schief. Der Vater verliert immer wieder seine Stelle, die Kinder vermehren sich und Paul ist viel zu stolz, um zuzugeben, dass er Hunger hat. Als seine Familie ihre Wohnung verliert, zeigt sich aber, was für Freunde sie im Haus haben. Zu diesen gehören erstaunlicherweise aus Frau Manasse aus dem Vorderhaus, die dort einen Maskenverleih betreibt, und ihre Nichte Miriam, die bei ihr lebt und sich schnell mit Erwin anfreundet. Doch nach der Machtergreifung brechen die Freundschaften auseinander - Erwins Vater geht ins Exil nach Schweden und nimmt den Sohn mit, Miriam und ihre Tante versuchen, nach Amerika zu emigrieren, und Paul macht eine deutsche Karriere in HJ und Wehrmacht. "War Paul schuldig?" heißt dann auch der letzte Band, der in der direkten Nachkriegszeit angesiedelt ist.
Die Bücher sind einerseits recht hartet Tobak für kleine Leser. Andererseits hat Lisa Tetzner es geschafft, die Geschichten so kindgerecht zu schildern, so einfach und verständlich, dass man gut mitkommt. Als Erwachsener vermisst man vielleicht gelegetnlich ein wenig Tiefgang, als Kind ist es genau das, was einen auf die Geschichten einlassen lässt. Es geht um Abenteuer und Spannung, um Kinder wie du und ich es vielleicht mal waren, um Freundschaft und Herausforderungen - und genau dadurch funktioniert das Buch. Einzelschicksale im Nationalsozialismus werden sehr deutlich sichtbar, trotz der einfach gehaltetnen Figurenzeichnung wirken die Hauptfiguren nicht nur eindimensional, sondern sind gute Identifikationsobjekte. Wer die Bücher noch nicht kennt, sollte zumindest mal reinschauen - und wer sie kennt, dem sei diese Neuauflage empfohlen, wunderschöne Bilder und eine gut erzählte Geschichte lohnen sich.
Ich habe sie alle geliebt, alle Bände mehrfach gelesen.... wo sind die eigentlich?
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