Das Tagebuch von Anne Frank gehört zu den Büchern, die einfach jeder kennt. Und selbst wenn man es nie gelesen hat, ist zumindest der Titel fast automatisch ein Begriff. Dennoch sind es gerade oft junge Leser, die heute eher einen Bogen um das Buch machen oder es vor allem deshalb kennen, weil es Pflichtlektüre in vielen Schulen ist. Deshalb versucht Sharon Dogar etwas völlig Neues - sie erzählt die Geschichte der Familien Frank, van Pels und Pfeffer aus einer anderne Perspektive. Nicht Anne führt den Leser diesmal ins Hinterhaus, sondern der Junge, der zwei Jahre lang mit ihr das Hinterhaus teilt: Peter van Pels.
Das Faszinierende an diesem Buch ist, dass es eignetlich nichts Neues berichtet, dass man einfach weiß, wie es endet und was geschehen wird, und man dennoch sehr gebannt weiterliest. Das liegt vielleicht vor allem daran, dass Sharon Dogar eine flüssige, jugendliche und sehr glaubwürdige Sprache gefunden hat, die Peter sehr lebendig erscheinen lässt. Und es liegt daran, dass es durch die Perspektive des Romans gelingt, ein Manko des Tagebuchs von Anne aufzufangen. Wir erlbene die Welt des Hinterhauses nicht mehr gefiltert durch die Vierzehnjährige, die sehr genau weiß, dass sie dieses Tagebuch später veröffentlichen wird. Dadurch schafft die Autorin es, das Leben im Hinterhaus noch plastischer und vor allem auch die Figuren deutlich zwiegespaltener und lebendiger erscheinen zu lassen. Während sich im tagebuch vor allem alles um Annes Innenleben dreht, was eignetlich logisch ist, ist hier plötzlich eine andere Sichtweise. Peter findet Anne anfangs ziemlich doof und verwöhnt, ohne jedoch so hart mit ihr ins Gericht zu gehen, wie es Anne zum Teil mit den anderen in ihrem Tagebuch tut. Im Roman werden viele Szenen, die man bereits aus Annes Sichtweise kennt, aus einer anderne Perspektive geschildert und erhalten dadurch zum Teil eine andere Deutung, zum Teil bekräftigen sie aber auch die Empfindungen, von denen Anne berichtet. Das ist, einerseits eine große Stärke des Buchs, andererseits ist es auch Kritikpunkt: kann man tatsächlich Dinge, die man nur aus einer Perspektive kennt, in eine andere setzen und sie im literarischen Werk bewerten - ird man damit lebenden Personen wirklich gerecht? Aber ich glaube, darum geht es bei dem Buch gar nicht. Das Buch soll einen Zugang zu dem Leben im Hinterhaus ermöglichen, der fernab von Anne Frank liegt, wodurch diese Geschichte aus ihrem üblichen "ja, das war schon schlimm"-Status heruasgelöst wird, in den sie grade durch die häufige Nutzung des Tagebuchs als Lektüre ein bisschen abzugleiten droht, und neue Ansätze zu bieten. Und das finde ich für ein Jugendbuch ziemlich gut.
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