BEginnen wir zunächst mit den historischen Details. Im Jahr 1897 bestellt sich der Kurator des Natural History Museums in New York einen Eskimo. Ja, der Satz klingt komisch, tatsächlich ist es aber genau das. Der Kurator Franz Boaz hätte geren einen lebenden Inuit als Forscungsobjekt im Museum und der Nordpol-Forscher Robert peary soll sich darum kümmern. Er schließt eine Art Vertrag mit einer Gruppe Inuit und bringt sechs von ihnen für ein Jahr nach New York, das übrige Dorf erhält dafür Waffen und Verpflegung. In New York werden die Inuit im Museum als lebende Objekte ausgestellt, zu ihnen gehört auch der erst siebenjährige Minik. Doch innerhalb der ersten Monate sterben vier der sechs Inuit an Tuberkulose, der letzte erwachsene Überlebende wird postwendend nach Grünland zurückgeschickt und Minik bleibt mutter- und vaterseelen allein in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht spricht, zurück. Das ist er übrigens damals. Er wird von einem Mitarbeiter des Museums adoptiert und soll fortan in der fortschrittlichen amerikansichen Zivilisation leben. Das funktioniert, bis er 16 ist und erfährt, dass sein verstorbener Vater nicht, wie von Franz Boas behauptet, im Garten des Museums begraben liegt, sondern sein Vater und die übrigen drei Inuit auch weiterhin im Museum sind - ausgestellt als namenlose Eskimo-Skelette in der Polar-Abteilung. Minik verklagt das Museum mehrfach auf Herausgabe der sterblichen Überreste - was scheitert - und kehrt schließlich den USA den Rücken, um wieder in Grönland zu leben. Doch auch hier findet er sich nicht mehr zurecht, er spricht die Sprache seiner Eltern kaum noch, kennt sich in den Riten der Inuit nicht mehr aus und kehrt schließlich 1916 zurück nach Amerika, wo er schließlich 1918 während einer Grippeepidemie stirbt. Erst als 1993 ein kanadischer Journalist eine Dokumentation über diesen Fall dreht, sieht sich das Museum dazu veranlasst, die sterblichen Überreste der vier Inuit nach Grönlad zu überführen und zu beerdigen. Weitere Äußerungen zu diesem Fall gibt es seitens des Museums nicht.
Diese Geschichte hat Ralf Isau in seinem Jugendroman verarbeitet und ich glaube, er hätte ein echt tolles Werk abliefern können, aber irgendwie packt mich der Roman einfach nicht. Er ist seltsam distanziert erzählt, ich bekomme keinen Zugang zu Minik oder den anderne Personen des Romans. Ich erfahre zwar viel theoretisches Wissen über das Leben der Inuit in Grönland und die Geschichte von Minik, aber das bleibt alles irgendwie wie im Lehrbuch erklärt und nicht aus der Erfahrung heraus beschrieben. Es klingt oft so, als hätte Isau etwas in einem Buch gelesen und schreibt das jetzt eben mal als Fakt hin, er bindet das aber nicht ein in die Geschichte. Das ist sowas von schade, denn diese Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Der Umgang mit indigenen Völkern Anfang des 20.Jahrhunderts ist eine so aberwitzige Geschichte, dass man sie endlich wieder ins Bewusstsein holen muss - deshalb emfpehle ich das Buch trotzdem zum Lesen, auch wenn man es deutlich besser hätte machen können.
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