Es ist soweit, endlich ist Band 4 der Reihe um Carl Morck und das Sonderdezernat Q im Buchhandel. Da noch Ferien sind und mich akute Unlust von meinen zu erledigenden Pflichten abhält, habe ich es mir am Wochenende gemütlich gemacht und „Verachtung“ gelesen…
Es ist wiedermal eher Zufall, dass das Dezernat an seinen neuen Fall kommt. Eine alte Akte, die die Sekretärin Rose aus dem Stapel zieht, behandelt das Verschwinden von Rita Nielsen im Jahr 1987. Die Polizei hatte sich nicht allzu lange mit der Suche aufgehalten, wer vermisst schon eine alternde Callgirl-Chefin? Als Selbstmord deklariert wurde der Fall eigentlich geschlossen, aber eins riecht nach einem neuen Fall: dass nämlich im selben Monat noch vier andere Menschen spurlos verschwunden sind, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen: ein Rechtsanwalt, dessen Kanzlei vor der Pleite stand; ein ehemaliger Fischer, der jetzt vor allem schwankt, weil er dauernd besoffen ist; eine Krankenschwester, ebenfalls im dauerblauen Zustand, und ein Sozialhilfeempfänger. Was das Dezernat erstmal nicht ahnt, sondern nur der Leser parallel serviert bekommt, ist die Geschichte von Nete Rosen, einem jungen Mädchen, das in den Fünfziger Jahren nach einer Abtreibung in die Mühlen der Fürsorgejustiz gerät und schließlich in einem Heim für Schwererziehbare und Geisteskranke landet…
Es ist starker Tobak, den Jussi Adler Olsen dem Leser diesmal zumutet, denn zumindest der Bereich über die Vorgänge in solchen Heimen beruht einzig und allein auf Tatsachen. Bis in die Sechziger hinein wurden Mädchen, die uneheliche Kinder bekommen hatten oder die von der Polizei wegen Prostitution oder dergleichen Delikte verhaftet worden waren, als Geisteskranke behandelt (schließlich waren sie promiskuitiv!) und wurden zum Zwecke der Resozialisierung in Heimen behandelt. Die Chance, aus dem Heim wegen guter Führung entlassen zu werden, war gering, bei einer Entlassung wurden die Mädchen sterilisiert. Klingt ein bisschen nach Nazi? Es basiert auf denselben Theorien zur Eugenik, die zu Beginn des 20.Jahrhunderts in ganz Europa aufkamen. Stärker als in den bisherigen Büchern versucht Jussi Adler Olsen hier (ähnlich wie z.B. Henning Mankell) gesellschaftskritische Themen mit dem Fall zu kombinieren, wodurch dieser gelegentlich ein wenig ins Hintertreffen gerät. Darüber hinaus will er in dem Buch auch noch zusätzlich die Figuren weiterentwickeln und neue Ansätze in deren Privatleben schaffen. Das Ganze führt dazu, dass das Buch für mich zumindest nicht an seine drei Vorgänger in der Spannung heranreichen kann – auf der anderen Seite fand ich die Geschichte von Nete so spannend und interessant, dass ich da gerne noch mehr gelesen hätte. Was mir sehr gut gefallen hat: Adler Olsen scheint seine Serie inzwischen mit etwas mehr Ironie zu sehen und ihm scheint klar zu sein, dass sie nicht unbedingt die Realität wiedergibt, insofern sind seine Figuren – fernab jeder Überzeichnung und Überspitzung – eher mit einem Augenzwinkern geschrieben und selbst das neue Einsatzfahrzeug passt da wie die Faust aufs Auge. Außerdem gab es am Ende der Geschichte einen kleinen Twist, der mir sehr gut gefallen hat, weil er für mich eher unberechenbar auftauchte und trotzdem sehr logisch mit der Geschichte verschmolz.
Fazit für mich: nicht der beste aller Krimis, aber dennoch ein würdiger Teil der Serie, die sich immer mehr zu einer eher zwinkernden Parallelwelt des typisch skandinavischen Krimis entwickelt.
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