Es gibt ja Schriftsteller, über deren Namen stolpert man hin und wieder, hat aber noch nie bewusst etwas von ihnen gelesen. Erwin Strittmatter ist für mich ein solcher Autor. Klar, ich habe damals „Der Laden“ im Fernsehen gesehen und seitdem immer mit dem Gedanken gespielt, ihn mal zu lesen, es dann aber aus Zeit- und Interessenmangel wieder beiseitegeschoben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich so gar nichts über den Autor weiß und deswegen nicht lange gezögert habe, zumindest mal eine Biografie über ihn zu lesen, bevor ich mich an einen autobiographischen Roman von ihm wage …
Zunächst mal erfahre ich etwas relativ verblüffendes, nämlich dass dieser unbekannte Autor in der DDR ein absolut gelesener und geliebter Autor war, vielfach ausgezeichnet und gerne als Klassenlektüre genutzt. Irgendwie ist das an mir vorbeigegangen – Kunststück, als er gestorben ist, war ich grade mal zwölf Jahre alt und meine literarischen Vorlieben an anderen Stellen verortet. Einen DDR-Autor habe ich so bewusst unter der Voraussetzung noch nie kennengelernt, wenn man von dem gescheiterten Versuch meines Deutschlehrers in der 11.Klasse absieht, uns für Christa Wolf zu begeistern. Allerdings ist diese durchaus lange Phase seines Lebens in der Biographie … nein, formulieren wir es etwas anders.
Erwin Strittmatter wurde 1912 geboren, was dazu führt, dass er den Nationalsozialismus im interessanten Alter des jungen Erwachsenen erlebt hat – alt genug, um zu wissen, was er tut und um eine andere Kindheit erfahren zu haben als die durch den Nationalsozialismus gesteuerte. Deshalb war es auch nicht großartig überraschend, dass er im Krieg war. Allerdings tauchten dann 1994 Dokumente auf, die zumindest deutlich nahelegten, dass Strittmatter nicht nur einfacher Soldat bei den Gebirgsjägern war, sondern dass er sich eigentlich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatte und seine Einsätze als Gebirgsjäger sich nicht nur auf das Einfangen durchgegangener Pferde beschränkt hatten. Da er selbst in seinen Werken und auch bisherige Biografien diese Zeit aber eher beiläufig abgehakt hatten, legt Annette Leo in ihrer neu erschienenen Biografie den Fokus verstärkt auf die Zeit zwischen 1941 und 1945. Das begünstigt zwar eine sehr wissenschaftlich-analytische und überzeugende Beweisführung unter der Frage „Was wusste Strittmatter von Massenerschießungen und dergleichen?“, geht aber eindeutig zuungunsten einer vollständigen Darstellung von Strittmatters Leben. Irgendwie bleibt dieser Mann auch nach der Lektüre, für mich zumindest, merkwürdig blass und wenig greifbar, ich hätte mir gewünscht, mehr über ihn zu erfahren und sein durchaus spannendes Privatleben – aber da ist dann ein Cut gemacht. Am Bild des etwas wunderlichen, liebenswert ins Chaos verstrickten Mannes wird nur im Ansatz gekratzt. Dass die meisten seiner fünf (oder waren es mehr? Da ist das Buch nicht so präzise) Söhne aus drei Ehen im Kinderheim aufwachsen, weil Strittmatter mit Kindern nicht klarkommt und sich in seinem Schaffen gestört fühlt, dass er seine Ehefrauen effektiv permanent betrügt – das wird mal so am Rande kurz erwähnt, bleibt aber letztlich ohne die große Aufarbeitung, die die Autorin für die Kriegsjahre in Anspruch nimmt. Ähnliches gilt für die Kindheit und Jugend, auch hier ist es irgendwie zwar detailliert aber unpräzise, ein starkes Skelett ohne ein Gramm Fleisch auf den Knochen.
Insgesamt muss ich sagen: die Autorin versteht, durchaus unterhaltsam zu schreiben und mit ihren Ausführungen zu fesseln. Dabei schießt sie gelegentlich fast schon über das Ziel hinaus, belegt alles mit Quellen und Interviews – eine sehr gute Aufarbeitung. Schwachstelle, zumindest für mich, ist die Tatsache, dass ihr Forschungsobjekt dabei trotz allem sehr blass bleibt, ja bleiben muss, weil sie sehr stark fokussiert und die restliche Biografie dann eher im Schnelldurchgang abhandelt.
Eine sehr treffende Besprechung, die auch in der Strittmatter-Tour empfohlen ist http://kulturreise-ideen.de/literatur/autoren/Tour-erwin-strittmatter.html
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