Stephen King ist ein Autor, den ich erst relativ spät tatsächlich für mich gewonnen habe. Ich hab zwar schon relativ früh Bücher von ihm gelesen - wenn ich mich richtig erinnere, dann habe ich mit ungefähr 13 "Shining" und "Friedhof der Kuscheltiere" gelesen, unmittelbar danach kam "Es". Ich fand die Bücher immer gut und gruselig, aber es war nie so, dass ich der Meinugn war, in ihm einen herausragenden Autor gefunden zu haben. Das hat sich erst geändert, als ich - neben "Sie", das für mich der wohl grausamste, brutalste und fürchterlichste Thriller überhaupt ist, obwohl eigentlich kaum Blut fließt! - auf seine Novellen gestoßen bin. "Frühling, Sommer, Herbst und Tod" ist ein ziemlich bescheidener Titel, aber dafür sind die vier Geschichten in diesem Band einfach unglaublich (und drei davon inzwischen hervorragend verfilmt ;-) ), so etwas dichtes, bewegendes und vor allem un-king-iges hatte ich noch nie zuvor gelsen. Und seitdem glaube ich, dass Stephen King zwar gute Kurzgeschichten schreibt und, von eingien Ausnahmen abgesehen, sehr gute Romane, aber dass seine wahre Meisterschaft im Kurzroman und in der Novelle liegt. "Zwischen Nacht und Dunkel" bestätigt mich erneut in dieser Ansicht.
Das Buch beinhaltet vier mehr oder weniger kurze Geschichten, die kürzeste umfasst 50, die längste 150 Seiten, die alle ein Thema variieren, dass man bei Stephen King immer wieder findet: der gewöhnliche Mensch in einer außergewöhnlichen Situation. In "1922" ermordet ein Farmer mit der Hilfe seines vierzehnjährigen Sohnes seine Ehefrau, ohne zu ahnen, welche Kette an Ereignissen er damit anstößt. In "Big Driver" gerät die Autorin Tessa nach einer Lesung auf eine Abkürzung und in die Hände ihres Vergewaltigers. In "Faire Verlängerung" erhält der krebskranke Streeter eine sehr fair scheinendes Angebot, sein Leben zu verlängern. Und in "Eine gute Ehe" muss Darcy Anderson nach 27 Jahren Ehe erkennen, dass ihr Mann ein Doppelleben der blutigen Art führt. Mehr kann man von den Geschichten gar nicht verraten, aber man kann viel zu ihnen sagen.
Im Nachwort erklärt King, dass Horrorromane einen besonderen Zweck erfüllen: sie leuchen dunkle Orte aus. Denn warum sollte man sich überhaupt in das Dunkel wagen, wenn man nicht die Lampe hineinrichten möchte? Und genau das tut er in den Geschichten, er nimmt den Leser mit in dunkle Abgründe von Rache, Vergeltung und Hass, von Nicht-Wissen-Können und Nicht-Wissen-Wollen. Und das ganze wird so fulminant erzählt, immer im genau richtigen Tempo, in der genau der richtigen Sprache, dass ich zum ersten Mal verstehe, was einen Autor wie Stewart O'Nan an King fasziniert ;-) Das Buch ist perfekt, leise, laut, seltsam, bizarr, und immer King. Mehr will man von einem hervorragenden autor doch gar nicht, oder?
Lustigerweise habe ich grade folgends beim googlen entdeckt: als Werbung für die Veröffentlichung des englischen Originals wurden auf youtube vier Filme gepostet, die den Geschmack auf die Geschichten machen sollen. Und ich dachte noch beim lesen von "1922", dass ich das verdammt gerne verfilmt sehen würde. Voila ;-)
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