Dienstag, 30. Oktober 2012

John Boyne - Der Junge im gestreiften Pyjama

Ich hab ziemlich lange an dieser Rezension geknapst, denn um ehrlich zu sein, habe ich bis heute nach zweimaligem Lesen immer noch nicht entschieden, wie ich zu diesem Buch stehe. Dieses Buch hat für mich eine ganz erhebliche Diskrepanz zwischen Inhalt und Form, die ich für dieses Thema einfach nicht völlig mittragen kann.

Bruno ist ein kleiner Junge, der als Sohn eines hangrohen SS-Offiziers aufwächst. Sein Vater wird eines Tages aus heiterem Himmel versetzt an einen anderen Ort und Bruno zieht natürlich mit. Dort, an diesem anderen Ort, leitet der Vater ein Konzentrationslager und Bruno sieht zumindest von fern die Häftlinge in ihren gestreiften Anzügen. Eines Tages begenet ihm am Zaun ein Junge in seinem Alter und Bruno freundet sich mit ihm an - bis zu einem tragischen Ende.

Das ist, grob zusammengefasst, der Inhalt. Allerdings bekomme ich als Leser ihn nicht so serviert, sondern allein aus der Kinderperspektive Brunos. Und da sind wir schon am ersten Problem des Buches angelangt: ich finde diese Perspektive unerträglich unrealistisch und nervig. Gut, Bruno ist ein kleiner Junge und nimmt die Rolle des seit der ersten Parzival-Erzählung beliebten "reinen Toren" ein, das kann ich akzeptieren. Aber in dieser Rolle liegt einfach en Denkfehler, wenn Boyne sie dazu verwendet, sämtliches Wissen über den Nationalsozialismus zu verschleiern. Entschudligung, Brunos Vater ist ranghoher SS-Führer und der Junge ist im Nationalsozialismus in einer linientreuen Familie aufgewachsen - und dann soll ich es glauben, dass er noch nichtmal Hitler erkennt, wenn der in Person bei ihnen zum Abendessen auftaucht? Mal abgesehen davon, dass der sicher nicht Eva Braun mitgebracht hätte ... Aber gut, gehen wir weiter vor: Bruno freundet sich mti dem anderen Jungen an. Und er bemerkt nicht im Ansatz, dass dieses Lager, in dem sein neuer Freund lebt, kein Abenteuerspielplatz ist? Die beiden hocken stundenlang am Lagerzaun ohne dass es jemand bemerkt und dagegen vorgeht? Ja, Herr Boyne, genau ...

Versteht ihr mein Problem? Ich finde diese naive Darstellung einfahc dem Sujet absolut nicht angemessen - und damit meine ich nicht, dass man bei Büchern, die den Nationalsozialismus behandeln, nur Fachliteratur veröffentlichen sollte. Aber verdammt, dieses Buch st so unglaublich naiv, dass ich einfach auch Angst habe, was da beim Leser hängenbleibt, grade bei Jugendlichen, die Boyne als Leser ansprechen will. Auschwitz als eine Art Walderholungsheim mit meditativer Mauerschau? Eine Bevölkerung, die - um mal Brunos Perspektive mit krassen Worten zu beschreiben - zu doof war, Hitler zu erkennen? Nein, das passt absolut nicht zusammen und ist wirklich deprimierend in die Hose gegangen. Und das, wo das Buch so wichtig wäre. Wo das Buch die Möglichkeit gäbe, aus der Perspektive eiens Kindes zu zeigen, wie leicht Manipulation funktioniert. Aber das alles tritt zurück hinter dieser schrecklichen Machart.

3 Kommentare:

  1. Hmm, interessant... Ich glaube allerdings schon, dass der größte Teil der Bevölkerung der ganzen Sache wirklich naiv gegenüber getreten ist, denn die Leute wollen an einen starken "Führer" glauben und dem kritisch gegenüber aufzutreten, war für die meisten fürchterlich unbequem und manchmal sogar lebensgefährlich... Allerdings finde ich es auch nicht angemessen, wenn es im Buch so rüberkommt, als wäre solch eine Einstellung in Ordnung...

    lg
    Esra

    http://nachgesternistvormorgen.de/

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  2. Hi,

    Du sprichst mir mit Deiner Rezi wirklich aus der Seele. Ich habe das Buch auch vor einiger Zeit gelesen und war wirklich geschockt über so viel Naivität und verklärter Darstellung.

    Entsprechend ähnlich wie Deine ist auch meine Rezi ausgefallen ... über der ich übrigens auch mehrere Tage gesessen hatte. Wenn Du magst, hier ist meine Rezi zu dem Buch http://bellexrsleseinsel.blogspot.de/2010/09/der-junge-im-gestreiften-pyjama-von.html

    LG Isabel

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  3. Danke für diese Rezi, ich kann dir wirklich zu 100 % zustimmen. Klar ist die Geschichte aus den Augen eines Kindes geschrieben, aber so derart naiv und weltfremd, dass es es schon völlig unglaubwürdig und unrealistisch ist.

    Die Buch-Idee ansich finde ich so prinzipiell recht ansprechend, aber die Umsetzung..enttäuschend.

    LG
    Angie

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