Die Warringham-Saga geht einem fulminanten Ende entgegen. Doch anfangs weist noch nichts darauf hin. Nicholas of Warringham, der zwar den Charme seiner Vorfahren geerbt hat, nicht jedoch deren Vermögen geerbt hat, ist grade einmal fünfzehn Jahre alt, als sein Leben sich über Nacht auf den Kopf stellt. Seine Stiefmutter ist sowieso nicht sehr begeistert vom Landleben und das heruntergekommene einstige Vorzeigesgestüt der Warringhams steht vor der Pleite. Und dann wird auch noch der Vater wegen Häresie vom König verhaftet und stirbt im Tower zu London. Um die Sache noch zu verschlimmern, stellt sich Nicholas auch noch auf die völlig falsche Seite im kurz darauf ausbrechenden Streit um Scheidung oder Nicht-Scheidung des englischen Königs und unterstützt Katarina von Aragon und ihre Tochter Mary. Und damit sind die Warringhams wieder einmal mitten drin in den Intrigen der Mächtigen und den Ereignissen der englischen Geschichte, die man nur ungefähr aus dem Geschichtsunterricht kennt.
Uiuiui, da hat sie sich aber an etwas gewagt, die gute Frau Gablé – sagt sie doch von sich selbst, Heinrich VIII. für den größten Mistkerl auf dem englischen Thron zu halten und insgesamt der englischen Renaissance nicht viel abgewinnen zu können. Und dennoch siedelt sie diese Warringham-Saga genau in dieser Zeit des Umsturzes an, die eigentlich wie geschaffen zu sein scheint für den Niedergang und Wiederaufstieg dieses Geschlechts von Pferdezüchtern. Was ich dieses Mal wirklich bewundert habe, war der Blick ins Personenregister, das in ihren Romanen immer am Beginn steht: dieser Roman setzt sich – mit wenigen Ausnahmen – fast vollständig aus den Handlungen realer Personen zusammen, die lediglich an den Stellen durch erfundene Figuren ergänzt werden, die nicht durch Quellen belegt werden können. Gerade das macht ihre Romane so interessant und bringt so viel Atmosphäre ins Buch, dass sehr viel einfach nicht direkt erfunden ist sondern zum Beispiel Szenen wie Krönungen nach Quellenlage geschildert werden und lediglich durch die Phantasie der Autorin etwas ausgeschmückt sind. In „Der dunkel Thron“ steht vor allem eine Person im Vordergrund, die von der Geschichte nicht unbedingt sympathisch behandelt wird, nämlich Mary Tudor, die erste Tochter Heinrich VIII. Wir kennen sie nur als „Bloody Mary“, aber Rebecca Gablé versucht die Antwort zu geben, warum sich dieses Mädchen zu einer so überzeugten Vertreterin des Katholizismus entwicklen konnte. Diese Darstellung der Tudors hat nichts zu tun mit der Fernsehserie – allein die Beschreibung des im Laufe seines Lebens immer widerlich werdenden Heinrich VIII. lässt einem das Essen zum Teil wieder hochkommen – und die detaillierte Schilderung diverser Hinrichtungen in allen grausamen Details (Merke: Wenn du hingerichtet wirst, bete darum, einen erfahrenen Henker zu bekommen, der dir den Kopf abschlägt!) führt zu manchem Schauer. Gablé ist eine gute Erzählerin, sie schafft Witz und Ironie und gleichzeitig immer ein glaubwürdiges Ambiente. Ich mag ihre Erzählstimme sehr gerne und freue mich jedes Mal darauf, ein neues Buch von ihr zu lesen. Auch wenn mit den Warringhams Schluss ist, wird sie mich hoffentlich noch oft nach England entführen – und gerne auch wieder in die Renaissance, die durchaus spannend ist.
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