Montag, 31. März 2014

[Bücherfriedhof] Beerdigt im März 2014

Julie Zeh mag eine bekannte und bleibte Autorin sein. Aber mal ehrlich: "Spieltrieb" habe ich nicht durchgehalten. Bereits nach wenigen Seiten gingen mir die Protagonisten so richtig übel auf den Senkel. Nicht, dass ich keine arroganten, überheblichen, selbstbezogenen Protagonisten mag! Aber diese hier sind ja noch nicht einmal darum bemüht, einen Ansatz von Glaubwürdigkeit zu präsentieren. Das sind einfach nur langweilige Pappbildchen, die Sätze von sich geben wie gedruckt. Ich habe in meinem Leseleben noch nie so langweilige, nichtssagende, aufgepumpte Monologe gelesen, die angebliche Unterhaltungen sein sollen. Ja, das soll bestimmt große Literatur sein und künstlerisch wertvoll und hat bestimmt die Absicht der Autorin klar gemacht, die Einsamkeit der Protagonisten zu illustrieren ... ach, schietegal, es packt mich einfach nicht! Ich will nicht wissen, wie es mit Ada weitergeht oder welches Spiel sie sich denn jetzt ausdenken - ich will einfach nur, dass der bohrende Kopfschmerz weggeht, der mich beim Lesen dieses Buchs begleitet hat. Der wurde nicht durch Trinkwassermangel hervorgerufen, sondern durch diese unerträgliche Arroganz der Protagonisten. Ich konnte mir sogar ihre Stimmen vorstellen, den näselnden Tonfall mit viel zu leiser Stimme, die leicht hochgezogene Augenbraue, die da besagt: "Wieso sollte es mich überhaupt interessieren, ob du mich verstehst?" Und ja, nennt mich doof, aber das kann ich bei einer Figur nicht ab. Da fühle ich mich als Leser unwohl und unwillkommen - und so muss "Spieltrieb" auch in Zukunft ohne mich auskommen.

Sonntag, 23. März 2014

[Buchgedanken] Elizabeth George - Keiner werfe den ersten Stein

Es ist tiefster Winter in Schottland und der Landsitz Westerbrae liegt tief verschneit von aller Welt abgeschnitten irgendwo in den Highlands. Eine Londoner Theatergruppe hat ausgerechnet diesen Ort ausgewählt, um ihr neues Stück zu proben. Doch bereits am ersten Morgen erschüttert ein Mord die Kulisse, denn die Autorin Joy Sinclair liegt erdolcht in ihrem Bett. Noch bevor die Ortspolizei wirklich loslegen kann, wird Scotland Yard nach Schottland geschickt. Oder um genau zu sein, Inspector Lynley wird von ganz oben damit beauftragt, den Fall mit den Samthandschuhen eines Earl zu behandeln, schließlich sind unter den Anwesenden niemand geringerer als Sir Stirnhurst, ein bekannter Londoner Produzent, nebst Gattin und Tochter. Während Havers sich wie ein Terrier auf die Spur des Adels setzt und dessen tief vergrabene Geheimnisse freilegt, gerät Lynley in einen doppelten Konflikt. Einerseits den mit den althergebrachten Gentleman-Traditionen, die er mit der Muttermilch aufgesogen hat. Und andererseits mit der Tatsache, dass zu den Verdächtigen ein Mann gehört, der die Nacht mit niemand anderem als Helen Clyde verbracht hat, Lynleys unerwiderter Liebe ...

Ehrlich gesagt habe ich mich bei dem Buch immer wieder gefragt, ob es nicht vielleicht eine Nummer kleiner geht. Die Suche nach dem Mörder geriet immer mehr in den Hintergrund, stattdessen wurde das Thema "er muss doch wohl der Mörder sein, ich hasse ihn, er hat's mit meiner Freundin getrieben" x-mal variiert und nervte in den letzten zweihundert Seiten zunehmend. Vor allem, weil Lynley im Zuge dieses massiven Anfalls von Eifersucht gleich sämtliche Objektivität zum Teufel schickt und sich einzig an die Ferse des Regisseurs Rhys Davies-Jones heftet.

Was an dem Buch ebenfalls extrem nervig wurde, war die Vielzahl an Personen, die hier auftaucht. Und natürlich hat jeder ein Mordmotiv - außer die engelsgleiche Helen, deren Naivität mich persönlich eher abschreckt - es ist schlimmer als bei Agatha Christie. Das Stochern in der Vergangenheit, das Havers und St.James betreiben, rettet da zwar doch ein wenig, aber auch hier kommen mir dann zu viele Schatten der Vergangenheit emporgekrabbelt, die ihre düsteren Finger ausstrecken. Nein, für mich war das Buch trotz der ein oder anderen Spannung nur absoluter Durchschnitt mit langen Durststrecken. Sollte man gelesen haben, um die Folgebände zu verstehen, aber es wird kein Liebling werden von mir ...

[Buchgedanken] Elizabeth George - Auf Ehre und Gewissen

Während Thomas Lynley sich in Arbeit vergräbt, um über die ziemlich rüde "Lass uns Freunde sein"-Abfuhr von Helen hinwegzukommen, schleicht sich an ihn und Barbara Havers ein neuer Fall an, der es in sich hat. John Coltrane, ein Freund von Lynley aus Eton-Zeiten, taucht im Yard auf und bittet ihn um diskrete Hilfe. Im Internat, in dem Coltrane als Hausvater und Englischlehrer angestellt ist, ist ein dreizehnjähriger Schüler seit zwei Tagen verschwunden. Vermutlich weggelaufen, so richtig weiß keiner was, und der Direktor hat kein großes Interesse daran, die örtliche Polizei darauf aufmerksam zu machen. Noch bevor Lynley zu- oder absagen kann, findet der Fall eine Lösung, oder genauer gesagt, einen Beginn für Scotland Yard, denn auf einem Friedhof wird die Leiche des Jungen gefunden. Allem Anschein nach wurde er vor seinem Tod gefoltert und dann auf dem Friedhof entsorgt, aber wer steckt dahinter? Lynley und Havers machen sich auf in eine Welt, die Lynley noch aus Kindertagen vertraut ist und die Havers zu Aggressionen treibt: englische public schools, in denen ein ungeschriebener Ehrenkodex dafür sorgt, dass niemand den anderen verpetzt - ideale Voraussetzungen für Ermittlungen ...

Der Fall selbst ist durchaus spannend, vielleicht hätten es eine oder zwei Seitenspuren weniger gebraucht für meinen Geschmack. Die Figuren sind mir dieses Mal allerdings zu sehr aus dem Klischeekästchen gefallen. Seien es der empathische Lehrer, der ehrenvolle Vertrauensschüler, der zynische Abschlussklässler oder wer auch immer - bei allen weiß man quasi vom ersten Auftreten an, dass sich hinter ihnen ein Abgrund an Geheimnissen auftun wird, und bei den meisten kann man diesen Abgrund auch bereits auf dem "unerwartetes Geheimnis:"-Schildchen lesen, das ihnen sozusagen um den Hals baumelt. Hier wird doch einiges vom Potential verschenkt, mit Klischees über public schools z spielen und vielleicht auch aufzuDer Fall ist insgesamt solide und wird am Ende gut aufgelöst und zusammengesetzt, aber auch hier gilt wieder: eine Wendung weniger hätte ihm zu mehr Glaubwürdigkeit verholfen! Das Buch hat nicht einmal 400 Seiten, das heißt, es gibt wenig Schilderungen, die einfach nur den Alltag im Internat betreffen würden, alles wird nahezu gnadenlos dem Mord unter- und beigeordnet. Da lobe ich es mir ja schon, dass sich Elizabeth George inzwischen auch einmal Zeit dafür nimmt, zu schildern, auch wenn das vielleicht mehr Seiten zu lesen bedeutet.

In diesem Buch ist der Fall dann doch zum Glück wieder mehr im Mittelpunkt, wenngleich hier die Basis gelegt wird für das sich durch die folgenden Bände und bis heute hinziehende Kinderdrama im Hause St.James. Hier hält es sich zum Glück noch einigermaßen im Hintergrund und die Szenen können leicht übersprungen werden, wenn sie zu sehr nerven. Und zum Glück ist auch die Beziehung oder Nicht-Beziehung mit Helen relativ knapp gehalten (wir erinnern uns mit Schauern an den zweiten Band!) Barbaras Familie ist ebenfalls in einigen Szenen zu sehen, unter anderem im Schluss, der mich dann doch schlucken hat lassen - die Trostlosigkeit im Hause Havers angesichts der Krankheiten von Mutter und Vater ist wirklich nicht von schlechten Eltern. Überhaupt sind das meiner Meinung nach die stärksten Szenen im Buch, selbst die trauernden Eltern des toten Matthew verkommen fast schon zu Statisten, während Dorothy Havers Alzheimer mit ihren Fantasiereisealben und ihrer Hilflosigkeit trotz völliger Unbedeutendheit für den Fall dazu beiträgt, dass man Havers immer lieber gewinnt. Das ist die Stärke des Buchs, das ansonsten eher ein wenig kränkelt, insgesamt aber solide Krimikost verspricht, die immer noch bezaubernd altmodisch und englisch wirkt ;-)


Sonntag, 16. März 2014

[Buchgedanken] Elizabeth George - Gott schütze dieses Haus

Für Detective Sergant Barbara Havers läuft die Karriere bei Scotland Yard alles andere als gut. Immer wieder legt sie sich mit ihren Vorgesetzten an und wurde beim letzten Mal wieder zurück in den Streifendienst versetzt. Der Fall, der ihr nun von Detctive Superintendent Webberley vorgelegt wird, ist ihre letzte Chance, sich zu bewähren. Wäre da nicht die Tatsache, dass Webberley sie ausgerechnet zur Partnerin von Detective Inspector Linley macht. Linley, oder mit vollem Namen Thomas Linley Earl of Asherton, ist all das, was Barbara zutiefst verabscheut. Schulbildung in Eton, Studium in Oxford, Familiensitz auf dem Land und Stadthaus in London, und dazu noch gutaussehender Womanizer par excellence. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit am Anfang, als die beiden zu ihrem Fall aufbrechen. Der scheint nämlich eigentlich glasklar: der Pfarrer eines kleinen Ortes hat eines Sonntagmorgens das beliebte Gemeindemitglied enthauptet im Stall aufgefunden. Unmittelbar daneben die sechzehnjährige Tochter des Bauern, die noch vor Ort erklärt: "Ich war es. Es tut mir nicht Leid." Aber weder der Pfarrer noch irgendein anderer im Dorf glauben, dass dieses Mädchen jemandem so etwas antun könnte. Bei ihren Nachforschungen stechen Linley und Havers in ein Wespennest, das sehr schnell offenbart, dass sich hinter den Türen eines Dorfes mehr versteckt, als man von außen sieht ...

Ich habe also noch einmal angefangen, nachdem ich mit dem letzten Band so reingefallen bin. Vielleicht, weil ich wissen wollte, warum ich damals angefangen habe, Elizabeth George zu lesen und zu lieben und ihr trotz allem treu geblieben bin. Am Stil kann es nicht unbedingt liegen, dass ich zum Fan wurde - oder vielleicht war es mit 14 für mich noch nicht so schlimm wie dieses Mal, bei dem sich mir hier und da die Nägel umgedreht haben. Ich kann über das Original nichts sagen, aber im Deutschen wurden sehr viele englische Spracheigentümlichkeiten einfach so saublöd übersetzt, dass die Dialoge oftmals viel zu gestlzt, unglaubwürdig und inegesamt so klingen, als wären sie aus Dallas übernommen. Überhaupt hatte ich gerade bei den Szenen in den Häusern Linley bzw. St.James einmal zu oft "Reich und schön" vor Augen - gut, das Buch stammt auch aus dem Jahr 1988, aber trotzdem finde ich die neueren Bände (so ungefähr ab Band zehn) deutlich moderner und stilistisch ansprechender. Vielleicht tut sich der Goldmann-Verlag ja irgendwann etwas Gutes und lässt noch einmal einen Übersetzer an die ersten paar Bände ran. Abgesehen vom unglaublichen Stil finde ich das Buch aber immer noch großartig, für mich einer der beiden Lieblinge in der ganzen Reihe. Das liegt natürlich erst einmal am Fall selbst, der mit einer doch überraschenden Lösung aufwartet und serh viele Aspekte mit einbringt, die im Laufe der Zeit (mehr oder weniger gut) die Bücher bereichern werden. Das ist vor allem havers zu verdanken, die trotz allem die wohl ausgefeilteste Figur in diesen Büchern ist und sein wird. Hier erfährt der Leser vor allem von ihr und ihrer Herkunft, ihrem Elternhaus mit dem krebskranken Vater und der dementen Mutter, das immer noch im Schatten des Leukämie-Tods von Barbaras Bruder steht. Diese Szenen sind, grade in ihrer Kürze und Schlichtheit, extrem bedrückend und haben mir wirklich weh getan, umso mehr wächst mir Barbara ans Herz (das dann ja mit Band 17 ziemlich gebrochen wurde). Linley bleibt noch ein wenig blass, das Beziehungsviereck zwischen ihm, Helen, St.James und Deborah wird zwar angedeutet, wirkt aber extrem aufgesetzt und riecht wie gesagt zu sehr nach Telenovela als nach Krimi. Nichtsdesottrotz, ich mag die Atmosphäre im Buch, ich mag den Fall und ich mag Havers verbissene Suche nach etwas Negativem an diesem Schnöselchef :-)

[Buchgedanken] Martin Pollack - Anklage Vatermord. Der Fall Philipp Halsmann

Ich fange heute mal ein bisschen anders an. Kennt ihr dieses Foto? Neben Einstein mit seiner Zunge ist das so ziemlich das bekannteste Foto von ihm. Es wurde von Philippe Halsman aufgenommen, einem der renommiertesten Portraitfotografen überhaupt, der mehr Titelseiten der Life! geschossen hat als jeder andere. Seine berühmteste Serie nennt sich "Jump" und ist ein großartiges Werk mit den Berühmtheiten seiner Zeit, die vor seiner Kamera genau das tun: in die Luft springen. Egal ob Marilyn Monroe, Antony Perkins oder Richard Nixon - Halsman hat sie in die Luft gekriegt. Und irritierendweise kennen wahnsinnig viele Leute diese Bilder, die Halsman gemacht hat, über den Fotografen an sich weiß man aber nur wenig. Umso erstaunter war ich, als ich beim Wiederlesen in meinem Bücherregal zum ersten Mal realisiert habe, dass Philippe Halsman identisch ist mit einem jungen Mann, der mir in einigen meiner True-Crime-Werken begegnet ist: Philipp Halsmann.

Wir schreiben das Jahr 1928 und befinden uns in Tirol. In einem idyllischen Tal machen sich eines Morgens zwei Männer auf zu einer Wanderung. Sie stammen aus Riga und sind Vater und Sohn. Max (oder Mordechai, so ganz klar wurde bei den Ermittlungen für die Österreicher anscheinend nie, wie er denn jetzt hieß) Halsmann ist Ende fünfzig, Zahnarzt und trotz seines Herzleidens sportlich extrem aktiv. Sein Sohn Philipp, Anfang 20 und Student an der Technischen Universität in Leipzig. Vater und Sohn sind zwei sehr unterschiedliche Charaktere, wirklichen Streit hat es in der Familie allerdings nie gegeben. Doch dieser Tag wird damit enden, dass Vater Halsmann mit eingeschlagenem Schädel am Ufer eines Bachs liegt. Ist er nach einem Schwindelanfall vom schmalen Weg abgestürzt, die Böschung hinuntergefallen und hat sich dabei so schwer verletzt, dass er starb, wie sein Sohn behauptet? Oder hat der Sohn ihn im Streit erschlagen, wie die Polizei vermutet? Nur wenige Monate nach dem Tod des Vaters wird Philipp Halsmann in einem aufsehenerregenden Indizienprozess zu einer zehnjährigern Kerkerstrafe verurteilt. Seine Revision mindert das Urteil zwar zu vier Jahren, doch bis 1930 sitzt er in einem österreichischen Gefängnis. Dass er schließlich begnadigt wird, ist in erster Linie der Tatsache zu verdanken, dass die "Causa Halsmann" ähnlich wie einige Jahre zuvor in Frankreich der Dreyfus-Prozess nicht aus den Schlagzeilen gerät. Philipp, so glauben viele Künstler und Journalisten, hatte als Jude im antisemitisch-geprägten Klima Tirols nie eine Chance auf einen fairen Prozess. Tatsächlich nutzten nationalistische Parteien und Strömungen bereits während des Prozesses sämtlich Erkenntnisse für ihre Propaganda, Halsmann Verteidiger wurden in Misskredit gebracht und immer wieder gab es anonyme Briefe, die sich wünschten, den Juden Halsmann einfach am nächsten Baum aufzuknüpfen oder wahlweise in die nächste Schlucht zu stoßen, unabhängig von seiner Schuld.

In seinem Buch arbeitet Pollack diesen Fall noch einmal auf, allerdings nicht mit dem Anspruch, eine endgültige Lösung zu präsentieren, sondern vor allem die Problematik des Urteilsspruchs deutlich zu machen. Nach fast neunzig Jahren ist es natürlich auch ein wenig schwer, einen Täter zu präsentieren, und so zeigt der Autor in erster Linie den Prozessverlauf, in dem sowohl die besserwisserische Art Halsmanns als auch die Vorurteile der Jury eine ziemlich unglückselige Mischung hervorgerufen haben. Während Philipp auf alles eine Antwort hat, so unglaublich sie auch klingen mag, erhalten saloppe Scherze und unbedachte Handlungen eine Bedeutung zugemessen, die sich komplett gegen den Angeklagten richten. Dieses Konglomerat wird nicht besser durch die Tatsache, dass der Wiener Verteidiger Halsmanns die Tiroler per se für ein hinterwäldlerisches Pack hält, dem man keinen Meter gegen den Wind trauen darf - ideal, um eine Jury gegen sich aufzubringen, was er auch wiedlich nutzt. Das Urteil ist dennoch überaschend, wenn man sich die Indizien genauer betrachtet, die tatsächlich vor Ort gefunden wurden und nicht allein auf Hörensagen beruhen. Ein Freispruch aus Mangel an Beweisen hätte mindestens drin sein müssen, dass dem nicht so gekommen ist, führte dann zwei Jahre lang zu einem Expertenduell der Psychologen, das im Buch ebenfalls dargestellt wird.

Für wen empfehle ich dieses Buch jetzt? In erster Linie für historisch interessierte Leser, die nichts dagegen haben, auch einmal ein Buch zur Hand zu nehmen, das streckenweise sehr wenig Spannung und viel langwierige Details enthält. Einen spannenden Krimi sollte man nicht erwarten, wohl aber ein Buch, dessen spannung darin besteht, sehr detailliert ein Zeitbild Österreichs Ende der Zwanziger Jahre vorzulegen. Ich mag es und freue mich wirklich, dass ich es wieder einmal in die Hand genommen habe ;-)

Samstag, 8. März 2014

[Buchgedanken] Anna Gavalda - Zusammen ist man weniger allein

Camille ist Ende zwanzig, arbeitet als Putzfrau und magersüchtig. Franck ist Mitte dreißig, Koch und im Dauerstress zwischen seiner Arbeit und seiner Großmutter Paulette, die nach einem Unfall im Altersheim lebt. Und Philibert, letzter männlicher Spross eines Adelsgeschlechts, arbeitet als Postkartenverkäufer, weil er zwar alles über französische Geschichte weiß, im Umgang mit Menschen aber so ungeübt ist, dass er aus dem Stottern nicht mehr herauskommt. Das Leben dieser vier Personen kreuzt sich, als Philibert die grippekranke Camille kurzerhand in der Wohnung einquartiert, die er sich mit Franck teilt. Und er ist es auch, der mit seiner Begeisterung und seinem Glauben an die schönen Seiten der Welt diese seltsame WG zusammenhält, in der alle vier Bewohner im Laufe eines langen und kuriosen Jahres neue Kraft schöpfen, neue Ideen verwirkliche und die neue Erfahrung machen können, dass Gemeinschaft manchmal auch einfach nur dabei hilft, sich zu stützen, um nicht endgültig wegzubrechen ...

Ich habe mir das Buch vor Weihnachten bei medimops bestellt, weil ich den Titel so schön fand und außerdem der felsenfesten Überzeugung war, mal wieder mehr Literatur konsumieren zu müssen. Zum Glück habe ich es getan :-) Das Buch macht es seinem Leser nicht einfach, die Geschichte nachzuvollziehen, denn der Schreibstil ist manchmal extrem anstrengend. Hauptsächlich Dialoge, einfach nur aneinander gereiht ohne Erklärung, allzu oft auch ohne Redebegleitsatz, und mittendrin dann die Gedankengänge einer Person während des Gesprächs. Manche Stellen musste ich dann auch drei- oder viermal lesen, um zu verstehen, was da grade genau passiert ist. Aber das hat mir das Buch nicht madig gemacht, denn ich habe mich einfach von Anfang an verliebt in alle diese Personen. Speziell aber in Philibert, eine so charmant-französische Figur, dass ich am Ende wirklich traurig war, als ich das Buch zuklappen musste. Franck und Camille sind in der ihnen eigenen Ruppigkeit und Verletzlichkeit großartig durch ihre Dialoge charakterisiert, aber Philibert - oder Philou, wie ihn die beiden anderen immer wieder nennen - wird vor allem durch seine Handlungen lebendig. Ein großes Kind, das aus der Zeit gefallen zu sein scheint, und dem man weder böse sein kann noch mit dem man Mitleid hat. Man nimmt seine Ticks und seine Absonderlichkeiten hin, weil sie zu ihm gehören, und dadurch macht er das Buch lebendig. Ich habe jede Seite dieses Buchs genossen, egal, ob es um Essen geht oder um Geschichte, egal, ob gelacht, gelitten, getrunken oder geliebt wird, das Buch ist voll mit hellen Farben, mit Pastellfarben, mit Sommerfarben, mit Gerüchen und Geschmack, mit so vielen, was ich bei meinen Lektüren seit langem vermisst habe. Und dass, während ich dieses Buch gelesen habe, der Frühling ganz langsam angekommen ist, hat es nur noch schöner gemacht. Diese Erinnerung aus dem Lesejahr 2014 möchte ich gerne ganz lange mitnehmen :-) 

[Buchgedanken] Barbara Ellermeier - Hans Scholl

Auch dieses Buch habe ich schon vor einiger Zeit gelesen und mich ein wenig um die Rezension gedrückt, weil ich so wenig wusste, was ich darüber schreiben will. Um ehrlich zu sein, ich weiß es immer noch nicht so genau ...

Ich hatte hier eigentlich eine reine Biografie erwartet, die ja auch auf dem Cover angekündigt wird. Allerdings will sich Barbara Ellermeier mit ihrem Buch eher an jugendliche Leser wenden, die sich mit Hans Scholl näher beschäftigen wollen, und ist dadurch von der biografischen Schreibweise ein wenig abgekommen und in einen sehr romanhaften Erzählton verfallen, der mir so gar nicht zugesagt hat. Ich war mehrfach kurz davor, das Buch wegzulegen, weil es für mich zu lückenhaft war und - was ich bei Biografien für ein absolutes Muss erachte - keine wirklichen Belege liefert. Ja, es wird aus Briefen zitiert, aber Fußnoten dazu habe ich schmerzhaft vermisst. So bin ich nie sicher, wie realistisch, wie glaubhaft dieses Bild von Hans Scholl ist, so fehlt mir einfach der historische Bezug. Es ist kein schlechtes Buch, das will ich damit nicht sagen, aber für mich war da immer ein leicht schaler Geschmack mit dabei, der es mir vermiest hat.

[Hörbuch] Department 19. Die Mission (gelesen von Dietmar Bär)

Jamie Carpenter ist 14, als sich sein Leben schlagartig verändert. Er wird Zeuge, wie sein Vater angegriffen wird von übernatürlichen Wesen und schließlich von der Polizei erschossen wird. Angeblich war er Mitglied einer terroristischen Vereinigung und Jamie und seine Mutter ziehen um. Zwei Jahre später wird Jamies Mutter eines Abends entführt und Jamie findet sich kurze Zeit später wieder in den Armen eines Hünen mit Narben quer übers Gesicht, der sich Frankenstein nennt. Denn tatsächlich ist Jamie der letzte Nachfahre eines Mitgliedes einer streng geheimen Regierungsorganisation, die von niemand anderem gegründet wurde als dem legendären Van Helsing. Department 19, so ihr Name, hat sich seit hundert Jahren dem Kampf gegen Vampire verschrieben - und eben solche sind es, die hinter der Entführung von Jamies Mutter stecken. Gemeinsam mit dem Vampirmädchen Larissa, die ihr ganz eigenes Ding dreht, und Frankenstein macht sich Jamie auf den Weg, seine Mutter zu befreien ...

Dietmar Bär ist ein absolut angenehmer Sprecher, dem ich stundenlang zuhören kann. Für dieses Hörbuch passt er wie die Faust aufs Auge, es gelingt ihm, die sehr unterschiedlichen Charaktere zu formen und es machte Spaß, sie auf diese Reise zu begleiten. Selbst Jamies Mutation zum Superhelden war für mich kein großes Problem, hey, ich bin mit "Buffy" aufgewachsen, dass man echt was drauf haben muss, um gegen Vampire anzutreten, dürfte klar sind :-) Überhaupt war ich der Geschichte einfach dankbar, dass hier zum guten alten Holzpflock zurückgekehrt wurde, auch wenn der hochtechnisiert abgeschossen wird. Hier glitzern Vampire nicht, sondern werden durch Schwarzlicht in ihren Gefängniszellen gehalten, ausbruchssicherere Zellen hätte sich selbst Bram Stoker nicht einfallen lassen können. In diesem Buch wird mal wieder so richtig der Beißzahn gefletscht, es wird getötet und das Blut bzw. die Asche spritzt - genau das Richtige, wenn man gut unterhalten werden will. Ich überlege grade, mir den zweiten Band zu kaufen, aber soll ich nicht vielleicht doch zum Hörbuch greifen, statt es zu lesen? Der erste ist jedenfalls wirklich schön umgesetzt und passt gut zum Autofahren ;-)

[Buchgedanken] Stephen King/Stewart O'Nan - Ein Gesicht in der Menge

Dean Evers ist seit kurzem verwitwet. Um den Erinnerungen an seine verstorbene Frau zu entgehen, hat er die Wohnung verkauft und ist nach Florida gezogen. Hier, im Rentnerparadies, verbringt er seine Tage gleichförmig damit, zu trinken und zu halbwegs gekochtem Essen Baseball im Fernsehen anzuschauen. Eines Abends jedoch glaubt er, zu träumen. Auf dem Bildschirm taucht sein alter Zahnarzt auf - doch der ist schon seit Jahren tot. Am nächsten Abend wiederholt sich das Spiel, in der Zuschauermenge sieht er neben dem Zahnarzt auch noch einen alten Klassenkameraden, dem er früher übel mitgespielt hat. Und plötzlich entdeckt er seine Ehefrau, die telefoniert - mit ihm, denn kurze Zeit später klingelt das Telefon und sie erklärt ihm, wie genervt sie eigentlich von ihrer Ehe war. Dean weiß nicht mehr, was er glauben soll - was hat es mit diesen Ereignissen auf sich? Die Erklärung bekommt er erst, als er sich eines Abends entschließt, selbst zum Baseballspiel zu fahren ...
 
Wenn Stephen Kind und Stewart O'Nan gemeinsam etwas schreiben, dann muss so etwas dabei herauskommen. Fünfzig Seiten, in denen mit einfacher, klarer und realistischer Sprache eine ebenso einfache wie irritierend andere Geschichte erzählt wird. Kein großer Horror, keine Schreckelemente, und dennoch am Rande des Unmöglichen. Es ist eine leise Geschichte vom Abschiednehmen und von der Akzeptanz der eigenen Sterblichkeit. Angenehm und leicht zu lesen, mehr habe ich gar nicht erwartet. Wofür ich allerdings etwas abziehen möchte: Entschuldigung, lieber Rowohlt-Verlag, aber wer hat euch ins Hirn gemacht? Acht Euro??? Für ein Buch mit fünfzig Seiten? Ja, ihr habt ihm ein schickes Cover gegönnt und es sogar fest gebunden - aber vom Umfang her habe ich hier Reclam-Büchlein stehen, die günstiger waren und mehr Seiten besitzen. Das e-book kostet übrigen 7,99 - hey, da spart man ja richtig was! Mit zwei erfolgreichen Autoren Werbung zu machen, ist ja das eine, aber das dann so teuer zu verkaufen, ist schon echte Chuzpe. Echte Fans geben das Geld mit Sicherheit aus (ich ja auch ;-) ), aber Neuleser gewinnt man damit sicher nicht.
 

[Buchgedanken] Mila Lippke - Der Puppensammler

Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts. Cecilie ist 19 Jahre alt und damit in ihren Kreisen bereits ein spätes Mädchen, hat sie doch noch keinen Verlobten. Ihr Vater gibt deshalb eine Anzeige auf, auf die sich ein aussichtsreicher Kandidat bewirbt. Der verarmte Adelige möchte von Cecilies Mitgift profitieren, während sie dafür einen schicken Titel erhalten würde. Doch Cecilie hat mit ihrem Leben ganz andere Pläne, sie möchte eigentlich Medizin studieren. Nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater läuft sie von zu Hause weg und landet schließlich im düsteren Leichenkeller der Berliner Morgue. Dort herrscht Hektor von Thorwald, ein wortkarger Arzt, der die junge Frau als Putzfrau und schließlich auch als inoffizielle Assistentin beschäftigt. Und die hat er bitter nötig, werden in Berlin doch in letzter Zeit immer wieder Frauenleichen an öffentlichen Plätzen deponiert, die wie Puppen zurechtgemacht wurden. Gemeinsam stoßen Cecilie und von Thorwald in die dunkle Gedankenwelt eines Mörders vor ...

Ich habe dank meiner Leseliste festgestellt, dass ich dieses Buch letztes Jahr zum dritten Mal gelesen habe! Erschreckend daran ist, dass ich ab dem zweiten Mal davon überzeugt war, es noch nie gelesen zu haben. Das Buch ist eine nette Kriminalgeschichte, die historischen Hintergründe sind recherchiert und liefern hübsche Hintergrundatmosphäre, mehr ist aber im Buch fast nicht zu finden. Die Krimihandlung an sich ist so altbekannt, dass man dem Mörder quasi von selbst auf die Schliche kommt - was auch am großen Manko des Buchs liegt, in dem Gut und Böse so klar verteilt sind. Die Figuren waren für mich wenig überraschend, ihre Handlungen sehr vorhersehbar und die emanzipatorische Botschaft so mit dem Holzhammer verbreitet, dass ich diese Stellen ein wenig überblättert habe. Unvergesslich die Szene, in der Cecilie auch noch Zeuge wird, wie der Vater das Dienstmädchen vögelt - noch subtiler hat Frau Lippke es vermutlich nicht hingekiegt, die Scheinheiligkeit des gehobenen Bürgertums zu demonstrieren ... Und in diesem Stil kommen immer wieder Szenen, die mir eher ein Augenrollen abringen können als mit zu ergreifen. Der Mörder und sein Motiv sind schnell durchschaubar, das Finale setzt dem nur ein Tüpfelchen auf, indem man komplett vom Mörder seine psychologische Motivation vorgekaut bekommt.

Nein, das Buch ist nicht schlecht - aber ich weiß jetzt wieder, warum ich es so schnell vergessen habe. An Knochen allein kann man sich einfach nicht sättigen, hier fehlt vor allem das Gewürz, das aus dem Fleisch ein eigenes Gericht macht ...

Dienstag, 4. März 2014

[Projekt] 40 Tage mit und ohne

In diesem Jahr will ich die Fastenzeit endlich mal wieder nutzen. Als Kind war es für mich irgendwie selbstverständlich, 40 Tage ohne Süßigkeiten zu verbringen - das machte den Ostersonntag doch erst richtig schön. Dieses Jahr habe ich allerdings den Entschluss gefasst, diese 40 Tage von Aschermittwoch bis Ostersonntag anders zu gestalten.

Ja, ich will auf Fleisch und Süßigkeiten verzichten. Aber ich will dafür mein Leben wieder an dem ausrichten, was mir eigentlich Spaß macht. Mein Fernseher soll nicht dauerhaft laufen, sondern ich möchte mich abends wieder auf meine Bücher konzentrieren. Ich will wieder mehr lesen und abtauchen, will nicht ständig lethargisch sein, sondern in meiner Muße produktiv sein. Ich will einen Monat lang kein Geld für Shoppen investieren, sondern meinem Konto eine lang notwendige Erholung bieten. Haushalt und Ernährung können angegangen werden, ich brauche in meinem Leben mehr beständige Rituale und Bezugspunkte. Der Umzug im letzten Jahr hat mich ein bisschen aus meinem Lebensumfeld gerissen und auch, wenn ich gerade daran bin, mich allmählich mit Leuten anzufreunden und meine Wochenenden zu füllen, vermisse ich diese Qualitätszeit für mich, in der ich gerne mit mir allein war, statt nur darauf zu warten, dass es wieder Wochenstart ist. Deshalb will ich meine nächsten vierzig Tage mit mir verbringen und ohne dem, was ich kenne und sonst immer tue.
Wie seht ihr das, wollt ihr die Fastenzeit nutzen? Und wenn ja, wofür?

Sonntag, 2. März 2014

[Buchgedanken] Elizabeth George - Nur eine böse Tat

Der Vorgänger dieses Buchs hörte mit einem echten Cliffhanger auf, der dazu führte, dass ich es kaum erwarten konnte, dass die Fortsetzung erschien. Dann jedoch hatte ich sie vor mir liegen - und jedes Mal, wenn ich sie anpacken wollte und den Klappentext las, hat mich etwas zurückgehalten. War es eine Vorahnung? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich von diesem Buch so enttäuscht war wie selten zuvor. Dabei klingt der Plot doch wirklich spannend ...

Das Buch beginnt exakt am Ende des Vorgängers, nämlich mit der Entdeckung Barbara Havers, dass Angelina, die Ex ihres Nachbarn Taymullah Azhar, erneut verschwunden ist. Aber diesmal hat sie das gemeinsame Kind Hadiyyah mitgenommen und ist spurlos untergetaucht. Barbara engagiert einen Privatdetektiv, der aber auch nichts weiter herausfindet. Erst ein halbes Jahr später tut sich etwas, denn Angelina taucht - ihren neuen Lebensgefährten im Schlepptau - völlig verzweifelt in London auf. Das Mädchen ist in Italien, wo die beiden nun leben, spurlos verschwunden. Um die britische Polizei zum Handeln zu zwingen, geht Barbara einen Pakt mit dem Teufel - oder um genau zu sein mit einem Boulevardjournalisten - ein und Lynley wird in die Toskana geschickt, um die Ermittlungen in Lucca zu begleiten. Schon bald wird Hadiyyah gefunden, doch bald gerät Azhar selbst ins Visier der Polizei. Hat er seine Tochter entführen lassen? Barbara, die um jeden Preis seine Unschuld beweisen will, verstrickt sich immer tiefer in ein Netz aus unüberlegten Handlungsmomenten und panischen Aktionen und legt sich einmal mehr mit ihrer Chefin an, bis ihr Job an einem hauchdünnen Faden zu reißen droht ...

Was ich jetzt erzählt habe, ist effektiv die Zusammenfassung der ersten dreihundert Seiten und ganz ehrlich, die hätten es getan. Die restlichen fünfhundert Seiten sind meiner Meinung nach total in die Hose gegangen. Ein gelungener Plot hätte mit Hadiyyahs Wiederfinden geendet, dazwischen ein paar tolle "was hat Azhar getan"-Momente eingeplant, ein klitzekleines bisschen Lynleys wiedergewonnene Lebensfreude gefeiert und Barbaras Handlungslinie gezeichnet, ohne mir als Leser das Gefühl zu geben, das Drehbuch einer schlechten Telenovela zu lesen.

Ich fand die Idee eigentlich sehr schön, nach Lynleys völligem Zusammenbruch nun auch Barbara in den Mittelpunkt eines Plots zu stecken, in dem ihr bisheriges Leben komplett auf den Kopf gestellt und ihre bisherigen Annahmen völlig in Frage gestellt werden. Selbst die dauerhaft uneingestandene Liebe zu Azhar hätte man schön einbringen können, aber Elizabeth George hat sich leider dazu entschieden, aus Barbara eine Frau im Gefühlssturm zu machen. Und da Havers eher kein Grashalm sondern mehr das Modell Nordmanntanne ist, muss dieser Sturm dann mit so schwerem Geschütz auffahren, dass dabei alles daneben geht. Das beginnt damit, das Barbara dieses Mal von einem sinnfreien Akt in den nächsten getrieben wird. Keine einzige ihrer Handlungen sind nachvollziehbar für jemanden, der seit achtzehn Bänden diese Figur erlebt hat. Barbara denkt überhaupt nicht mehr nach, verliert völlig die Kontrolle über alles, was sie anpackt und wird auf diese Weise eher zu einer Art Norne im Hintergrund, die mit allem, was sie in London spinnt die Situation in Lucca verschlimmert - Chaostheorie hoch zehn. Auch der Versuch, Aszhar als vielschichtigen Charakter zu präsentieren, geht dadurch in die Hose, dass er bislang eben einfach so gar nicht vielschichtig war und auch sein Verhalten einfach extrem blass und unglaubwürdig bleibt. Überhaupt sind die Figuren dieses Mal extrem blass und zum Teil wahnsinnig langweilig, seien es das italienische Krimipersonal (die extrem klischeehaft wirken, ganz abgesehen von der nervigen Angewohnheit amerikanischer Autorinnen, unmotiviert hier und da italienische Ausdrücke einzuschmeißen, um Authentizität zu suggerieren) oder Lynleys leise Freiersfüßchen.

Was mich am Buch am wenigsten angesprochen hat, waren diese permanenten neuen Handlungsstränge, die mir das Gefühl vermittelt haben, Elizabeth George wollte einfach nur noch ein paar Seiten draufladen. Da beginnt plötzlich mittendrin ein neuer Fall, plötzlich ist Angelina tot, ohne dass es für mich als Leser wirklich relevant wäre - dem Buch hätte es gut getan, sich auf eine Idee zu konzentrieren, statt alle nebeneinander wahr werden lassen zu wollen, dann wäre auch nicht halb so viel Hektik drin gewesen und deutlich mehr Raum, um die Figuren wirklich lebendig werden zu lassen.

Verdammt, ich will das nächste Buch doch auch lesen, aber im Moment habe ich so wenig Lust drauf :-(

[Hörbuch] Blut und Lüge (gelesen von Nina Petri)

Das Leben der Biologin Kate Raab könnte nicht perfekter sein. Ein verliebter Freund, zwei großartige Geschwister, liebevolle Eltern und ein solider finanzieller Hintergrund. Doch eines Tages erhält sie einen Anruf, der das alles zerstört. Ihr Vater Benjamin wurde wegen Geldwäsche und Unterstützung organisierter Kriminalität vom FBI verhaftet. Für Kate bricht eine Welt zusammen, noch mehr sogar, als sich herausstellt, dass ihr Vater tatsächlich nicht unschuldig ist. Er lässt sich auf einen Deal mit dem FBI ein, die Familie landet im Zeugenschutzprogramm - außer Kate, die sich weigert, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Als ihr Vater plötzlich verschwindet, die Kontaktagentin der Familie ermordet aufgefunden wird und auf Kate ein Anschlag verübt wird, versucht Kate verzweifelt herauszufinden, wer ihr Vater überhaupt ist, welche Vergangenheit er hat und was geschehen ist.

Ich hatte das Hörbuch wirklich ewig im Auto gelagert, es dann endlich angehört, und das Positive vorneweg: zumindest sind die Kapitel so kurz, dass man auch auf dem Weg zum Einkaufen in der Geschichte vorankommt. Allerdings habe ich das in erster Linie getan, weil mein Radio zur Zeit gesperrt ist und ich zumindest ein paar Hintergrundgeräusche benötige beim Fahren - zumindest diesen Anspruch erfüllt das Hörbuch, aber so wirklich begeistert bin ich nicht.

Ich hatte beim Hören das Gefühl, dass auch der Autor erst im Laufe der Geschichte überhaupt erst zu einer Erkenntnis gekommen ist, worauf er mit der Handlung hinauswill. Während er anfangs aus Bens Sicht erzählte und ich dachte, dass jetzt Ben von allen gejagt wird und ganz wie Dr. Kimble seine Unschuld beweisen muss, wechselte es abrupt zum Kates Sichtweise und schmiss mich als Zuhörer damit erst einmal aus der Kurve. Kate ist eine echte Papatochter und dieses ständige "mein Vater, der Held, der Unschuldige" wird auch nicht lange durchgehalten, um dann plötzlich Ben zu einem gesuchten Mörder mutieren zu lassen, während die diabetische Heldin mit ihrem Gatten Händchen in New York hält. Andere mögen diese ständigen Charakterwechsel vermutlich reizvoll finden, ich fand sie in erster Linie total unlogisch und hatte eher das Gefühl, dass sie immer dann kommen, wenn der Autor merkte, dass die Figur sich eigentlich totgelaufen hat und die Handlung stockt. Auch sonst war die Handlung stellenweise so durchscheinend wie Gazestoff und von Glaubwürdigkeit fange ich gar nicht erst an zu reden. Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist ein gnadenloser Actionroman, in dem geschossen und verfolgt wird, bis das Radio ächzt. Nina Petri liest sehr angenehm vor und man kann der übersichtlichen Handlung gut folgen. Wer also einfach nur Unterhaltung sucht, ist gut dabei, aber ein wenig mehr Tiefe wäre schön gewesen ;-)

Samstag, 1. März 2014

[Bücherfriedhof] Abgelegt im Februar 2014

Zeit für eine neue Kategorie, wobei sie nicht allzu oft Verwendung finden wird. Der Bücherfriedhof steht all den Büchern offen, die ich irgendwann aufgebe und von denen ich weiß, dass ich es auch nicht noch einmal mit ihnen probieren werde. Trotzdem gibt es Bücher, die ich nicht einfach zur Seite packen möchte, ohne euch zumindest einen kleinen Eindruck zu geben, warum sie so rüde behandelt wurden und bei momox oder Amazon landen müssen.

Das erste Buch in dieser Kategorie ist "Der Thron der roten Königin" von Philippa Gregory. Das Buch ist ein historischer Roman über Margaret Beaufort, die Mutter Henry VII., der durch seine Hochzeit mit Elizabeth von York die Rosenkriege beendete.
Was mich zum Abbrechen veranlasst hat? In dem Buch findet effektiv keine Handlung statt. Wie begleiten Margaret bei endlosen Monologen über ihre Auserwähltheit und Herrlichkeit, und die Auserwähltheit und Herrlichkeit ihres Sohnes. Zwischendrin versichert sie uns, wie bescheiden und uneitel sie doch ist. Wichtige Schlachten der Rosenkriege, politische Entwicklungen, bei denen der Leser gerne zugegen wäre? Vergesst es, die kriegt ihr als Leser maximal in einer halben Seite brieflich mitgeteilt.
Ich habe dem Buch eine Chance gegeben bis Seite 304, jetzt mag ich nicht mehr ...