Dienstag, 30. Oktober 2012

John Boyne - Das Haus zur besonderne Verwendung

Russland 1915: In einem kleinen Dorf verhindert der sechzehnjährige Bauernsohn Georgi ein Attentat auf ein Mitglied der Zarenfamilie. Zar Nikolaus II. ruft Georgi daraufhin nach Sankt Petersburg, wo er ihn zum Leibwächter seines einzigen Sohnes ernennt. Georgi weicht dem kleinen Zaren fortan nicht mehr von der Seite, denn nicht nur die Angst vor Attentaten treibt den Zaren um, sondern vor allem die Sorge, seinen einzigen Sohn an die Bluterkrankheit zu verlieren. Doch schon bald ist Georgi abgelenkt von einem anderen Mitglied des Zarenhauses: er verliebt sich in Anastasia, eine der Töchter. Aber dann erhebt sich das Volk gegen den Zaren; Anastasia und ihre Familie werden an einen geheimen Ort verschleppt ins "Haus zur besonderen Verwendung"...

Über die russische Zarenfamilie ist im Laufe der Jahrzehnte seit ihrer Ermordung viel spekuliert worden, isnbesondere natürlich um die problematische Identifizierung. Gelang es tatsächlich einer der Töchter, Lenins Schergen zu entfliehen? Und was wurde dann aus ihr? Seitdem in den Zwanziger Jahren in Berlin mit Anna Anderson eine Frau erstmals behaupetete, in Wirklichkeit Anastasia zu sein, ist diese Geschichtsrätsel ein beliebtes Thema für Film und Buch. Auch John Boyne hat sich daran gewagt und eine durchaus interessante Idee geschaffen, die zum großen Teil einen Einblick in das Leben im zaristischn Russland vermittelt und in das Leben der Exilrussen in Frankreich und England. Allerdings schippert er dabei wirklich nah an der Klippe zum Kitsch und zur Schwarzweißmalerei. Ich habe das Buch deutlich lieber gelesen als "Der Junge im gestreiften Pyjama", aber auch hier fand ich den Tanz auf dem schmalen Grad zwischen Geschichte und Fiktion mtiunter etwas zuviel des Guten.

John Boyne - Der Junge im gestreiften Pyjama

Ich hab ziemlich lange an dieser Rezension geknapst, denn um ehrlich zu sein, habe ich bis heute nach zweimaligem Lesen immer noch nicht entschieden, wie ich zu diesem Buch stehe. Dieses Buch hat für mich eine ganz erhebliche Diskrepanz zwischen Inhalt und Form, die ich für dieses Thema einfach nicht völlig mittragen kann.

Bruno ist ein kleiner Junge, der als Sohn eines hangrohen SS-Offiziers aufwächst. Sein Vater wird eines Tages aus heiterem Himmel versetzt an einen anderen Ort und Bruno zieht natürlich mit. Dort, an diesem anderen Ort, leitet der Vater ein Konzentrationslager und Bruno sieht zumindest von fern die Häftlinge in ihren gestreiften Anzügen. Eines Tages begenet ihm am Zaun ein Junge in seinem Alter und Bruno freundet sich mit ihm an - bis zu einem tragischen Ende.

Das ist, grob zusammengefasst, der Inhalt. Allerdings bekomme ich als Leser ihn nicht so serviert, sondern allein aus der Kinderperspektive Brunos. Und da sind wir schon am ersten Problem des Buches angelangt: ich finde diese Perspektive unerträglich unrealistisch und nervig. Gut, Bruno ist ein kleiner Junge und nimmt die Rolle des seit der ersten Parzival-Erzählung beliebten "reinen Toren" ein, das kann ich akzeptieren. Aber in dieser Rolle liegt einfach en Denkfehler, wenn Boyne sie dazu verwendet, sämtliches Wissen über den Nationalsozialismus zu verschleiern. Entschudligung, Brunos Vater ist ranghoher SS-Führer und der Junge ist im Nationalsozialismus in einer linientreuen Familie aufgewachsen - und dann soll ich es glauben, dass er noch nichtmal Hitler erkennt, wenn der in Person bei ihnen zum Abendessen auftaucht? Mal abgesehen davon, dass der sicher nicht Eva Braun mitgebracht hätte ... Aber gut, gehen wir weiter vor: Bruno freundet sich mti dem anderen Jungen an. Und er bemerkt nicht im Ansatz, dass dieses Lager, in dem sein neuer Freund lebt, kein Abenteuerspielplatz ist? Die beiden hocken stundenlang am Lagerzaun ohne dass es jemand bemerkt und dagegen vorgeht? Ja, Herr Boyne, genau ...

Versteht ihr mein Problem? Ich finde diese naive Darstellung einfahc dem Sujet absolut nicht angemessen - und damit meine ich nicht, dass man bei Büchern, die den Nationalsozialismus behandeln, nur Fachliteratur veröffentlichen sollte. Aber verdammt, dieses Buch st so unglaublich naiv, dass ich einfach auch Angst habe, was da beim Leser hängenbleibt, grade bei Jugendlichen, die Boyne als Leser ansprechen will. Auschwitz als eine Art Walderholungsheim mit meditativer Mauerschau? Eine Bevölkerung, die - um mal Brunos Perspektive mit krassen Worten zu beschreiben - zu doof war, Hitler zu erkennen? Nein, das passt absolut nicht zusammen und ist wirklich deprimierend in die Hose gegangen. Und das, wo das Buch so wichtig wäre. Wo das Buch die Möglichkeit gäbe, aus der Perspektive eiens Kindes zu zeigen, wie leicht Manipulation funktioniert. Aber das alles tritt zurück hinter dieser schrecklichen Machart.

Tess Gerritsen - Grabesstille

Ich habe beschlossen, die Reihe um Maura Isles und Jane Rizzoli im Laufe der Zeit zu lesen, allerdings nehme ich dabei nicht groß Rücksicht auf die Reihenfolge, sondern lese sie so, wie si emir grade unterkommen wollen.
Bei einer Grusel-Stadtführung im chinesischen Viertel findet eine Reisegruppe ein makaberes Andenken – eine abgetrennte Hand. Kurze Zeit später wird auch die dazugehörige Leiche auf dem Dach eines Hauses gefunden. Das Auto der unbekannten Toten taucht wenig später in einer Seitenstraße auf, im Navi finden sich zwei Adressen: eine Schule für chinesische Kampfkunst und die Wohnung eines pensionierten Polizisten. Beide verbindet ein Amoklauf, der sich zwanzig Jahre zuvor in einem chinesischen Restaurant ereignet hatte – aber was hat die Tote damit zu tun? Rizzoli und ihr Team beginnen, im ungewöhnlichsten Fall ihrer Akten zu ermitteln, der sie in die Welt chinesischer Märchen führen wird …

Hmmm, hat mit das Buch gefallen? Ich kann es nicht wirklich beantworten. Der Klappentext klang zunächst furchtbar spannend und ich habe das Buch bewusst als Monatskauf vom BertelsmannClub schicken lassen, weil ich unebdingt wissen wollte, was daraus wird. Aber schon bei den ersten Kapiteln stellte sich bei mir ein ganz komisches Gefühl ein. Mein Problem ist, dass ich die gesamte Geschichte über einfach sehr wenig Zugang gefunden habe zu der geschilderten asiatischen Kultur. Es blieb alles nicht nur wahnsinnig fremd für mich, sondern auch sehr abstrus und dunkel – und das Ende hat mich dafür nicht grade entschädigt. Darüber hinaus besteht das Buch zum größten Teil aus stockender Ermittlungsarbeit, es ist, um es kurz zu sagen, an vielen Stellen extrem langweilig, weil nichts weitergeht. Und um das Maß voll zu machen, verstößt das Buch gegen eines meiner obersten Bewertungskriterien für einen guten Krimi. Ich mag keine Krimis, in denen ein Mörder davonkommt, weil er ein angeblich höheres Ziel verfolgt, irgendwie lässt mich das in meinem Gerechtigkeitssinn völlig unbefriedigt zurück. Und das, was Tess Gerritsen hier macht, geht mir persönlich einfach zu weit. Abgesehen davon hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass Rizzoli und Isles hier einfach nur zu Randfiguren verkümmern, die mit der Geschichte eigentlich nichts mehr zu tun haben (und das, obwohl sie ja schließlich die ganze Zeit auftauchen …)
Insofern: das Buch hat mich enttäuscht, weil ich etwas anderes erwartet hatte. Es liest sich dennoch unterhaltsam und flüssig, aber hätte ich das als erstes Buch aus der Reihe gelesen, müsste die noch sehr lange auf ein Widersehen mit mir warten.

Jussi Adler Olsen - Das Alphabethaus

Jeder Mensch hat eine Art von Geheimnis, das zu offenbaren besonders schwer fällt. Das liegt vor allem daran, dass man Angst hat, bei Bekanntwerden dieser Tatsache sein mühevoll aufgebautes Image zu verlieren. Eines dieser Geheimnisse ist bei mir die Tatsache, dass ich ein stilles Vergnügen daran habe, absolut hanebüchene Plots, bei denen die Hirnzellen eigentlich gerne Selbstmord begehen möchten, hinnehmen zu können, sobald ich Stress habe. Im Klartext heißt das, dass ich beispielsweise die heiße Phase der Notengebung in der Schule nachmittags gerne mit dem kompletten RTL-Programm kompensiere. Oder, dass ich mich von einem Buch unterhalten fühle, das bei einer objektiven Betrachtung einfach nur die Bewertung „Stuss hoch drei“ verdienen würde. Einem Buch wie „Das Alphabethaus“.
James und Bryan sind seit ihrer Kindheit die besten Freunde. Die beiden treten bei Ausbruch des 2.Weltkriegs gemeinsam in die Armee ein und werden zur Luftwaffe geschickt. Als Bomberpiloten fliegen sie Angriffe auf deutsche Städte, bis eines Tages das geschieht, was sie immer heimlich befürchtet haben: bei einem Einsatz wird ihr Flugzeug abgeschossen und sie landen im Feindesland. Glück im Unglück: den beiden gelingt es, sich in einen Zug zu schmuggeln, der augenscheinlich Verletzte von der Front in ein Sanatorium transportiert. Also tun sie, was getan werden muss: sie werfen zwei dem Tode geweihte Soldaten aus dem Zug und springen in deren Betten. Dumm nur, dass es sich dabei nicht einfach nur um Kriegsverletzte handelt, sondern der Zug unterwegs ist zu einem Nervensanatorium, in dem die geistig Zerrütteten behandelt werden sollen. James und Bryan bleibt nur noch eine Chance: sich verrückt stellen und hoffen, dass zumindest die Tarnung hält. Aber was, wenn die Grenzen zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit immer mehr verschwimmen?
Vorneweg: die historischen Fakten sind dürftig, die Darstellung der Deutschen ist stereotyp und die Logikfehler der Geschichte lassen bei genauerer Betrachtung nur den Schluss zu, dass Adler Olsen entweder sehr betrunken gewesen sein muss oder sehr im Schreibfluss. Und trotzdem habe ich das Buch einfach in einem Rutsch durchgelesen und mich blendend unterhalten gefühlt. Es ist spannend und bringt immer wieder Neues ins Spiel, und – was ich zumindest fand – es ist trotz aller Irrealität fair in dieser Irrealität. Nicht davon ist so an den Haaren herbeigezogen, dass man es nicht für einen logischen Fortschritt der Geschichte halten würde. Seite Stephen Kings „Misery“ ist genau das für mich das entscheidende Kriterium für die Beurteilung eines Buchs, die Fairness der Geschichtslogik – und die muss ich diesem Buch einfach zugute halten.

Montag, 29. Oktober 2012

Schon wieder weg

Dieses Jahr fahre ich irgendwie verdammt oft mal eben so weg, fällt mir auf - aber ich stelle auch jedes Mal mehr fest, das mir das sehr gut tut. Und deshalb war ich dieses Wochenende auch wieder unterwegs, diesmal mit einer Freundin. Verschlagen hat es uns für ein Wochenende nach Salzburg. Warum Salzburg? Weil wir a) eine Stadt gesucht haben, die man gut an eineinhalb Tagen anschauen kann und b) man mit dem Bayern-Ticket bis nach Salzuburg fahren kann. Mangels Zeit haben wir kaum etwas für diese Fahr geplant, außer ein Hotel vorzubuchen, den Rest kann man - Smart-Phone sei Dank! - auch mit wikitude erledigen. Unbd mit Prospekten, die wir uns im Hotel aus dem Infoständer gezogen haben.

Dabei zeigte sich: wir waren zur richtigen Zeit für mich da. So unglaublich meine Freunde es gelegentlich finden, in mir steckt einfach eine kleine verkitschte Seele, die manchmal ihre gehörige Dosis Herzerwärmung benötigt. Das habe ich zu einem guten Teil meiner Tante zu verdanken, die mich in meiner Kindheit mit Fernsehsendungen versorgt hat, die wirklich rührend sind. Ich bin aufgewachsen mit Videoaufzeichnung aller "Immenhof"-Folgen und der Sissi-Filme, aber wirklich Fan war ich von dem herrliche Zweiteiler "Die Trapp-Familie", der lose auf der Geschichte der Salzburger Familie Trapp beruht, die auch das Vorbild für das Musical "The Sound of Music" lieferte. Ein Ex-Admiral heiratet eine Ex-Nonne, die neun Kinder treten als Chor auf und die Kelly Family der Dreißiger Jahre ist geboren. Dazu ein Schuss NS-Gefahr und viel American-Selfmade-Story und fertig ist das kleine Glück für mich ;-) Nein, so schlimm ist es nicht, aber die Trapps erinnern mich einfahc an eine glückliche, unbeschwerte Kindheit, und so war es einfach klasse, dass bis Ende der Woche noch eine Sonderausstellung in Salzburg zu sehen ist, in der die Wirklichkeit und das Musical einander gegenüber gestellt werden. Und am schönsten: Vor dem Museum ist gleich als Einstimmung die erste Fotomöglichkeit gegen: sinnierend kann man auf den Spuren der Frau von Trapp wandeln und auf einer quietschgrünen Bank verweilen. Was ich natürlich auch tun musste ;-)
Der Rest des Tages verging mit Fotos, ein bisschen Shoppen, Kaffee trinken und Strudel essen. Und abends, als wir müde und glücklich ins Hotel zurückkehrten, mit der Bewunderung des ersten Schnees - denn pünktlich zu unserem Aufenthalt fing es in Salzburg und auch bei uns an zu schneien.

Samstag, 20. Oktober 2012

Dan Brown - Das verlorene Symbol

Robert Langdon ist wieder zurück – diesmal in Washington. Diesmal wird er von einem alten Freund zu einem Vortrag in die Congress Hall eingeladen, aber als er dort auftaucht, ist von einem Vortrag nicht die Rede. Dafür taucht plötzlich eine abgehackte Hand auf, die seinem Freund gehört und Robert bekommt seltsame Anrufe eines Unbekannten, der ihm eine dünne Frist setzt: einige wenige Stunden bleiben ihm, um sich auf die Suche zu begeben nach dem geheimen Wissen der Freimaurer, dem verlorenen Wort, das das Wesen der Welt ändern kann. Wenn Robert scheitert, stirbt sein Freund. Und so findet sich der Symbologe plötzlich in einer gigantischen Spurensuche quer durch Washington …
Es hat lange, lange, lange gedauert, bis ich mich an „Das verlorene Symbol“ gemacht habe. Das lag einfach daran, dass ich nach „Sakrileg“ bei Dan Brown immer das Gefühl habe, dass er sich ein wenig zu sehr in seine Verschwörungstheorien verrennt und am Ende selbst alles glaubt, was er schreibt. Und grade dann, wenn es um die Freimaurer geht, bin ich da etwas empfindlich – und nicht nur, weil ich das Deutsche Freimaurermuseum in Laufnähe vor der Tür habe ;-)
Mit diesem Roman bekommt man einen klassischen Dan Brown serviert. Was ich schon seit „Illuminati“ immer wieder bestätigen kann, erfüllt sich auch hier: Brown ist ein sehr rasanter Erzähler, der es vor allem beherrscht, immer wieder überraschende Turns einzubauen, die sehr logisch erscheinen und trotzdem verblüffen. Allerdings wird dieses Prinzip in „Das verlorene Symbol“ wirklich überstrapaziert, ich war als Leser dann so vorgewarnt hinter allem etwas Verstecktes zu wittern, dass die Identität des Unbekannten für mich nicht allzu lange ein Geheimnis geblieben ist. In puncto Freimaurer hält er sich einigermaßen zurück, allerdings muss ich gestehe, dass ich noch nie so sehr wie dieses Mal das Gefühl hatte, seinem gekochten Süppchen auf die Spur zu kommen. Er nimmt einfach alle die Theorien, die grade zu ihm passen und verrührt sie, wenn es dann einen kleinen Logikfehler gibt oder er nicht weiterweiß, dann wird die nächste mit eingerührt – das geht zwar meistens gut, aber bei „Das verloreren Symbol“ sind ihm dann doch die Pferde durchgegangen, da werden zum Teil Sachen angefangen und nicht zu Ende erzählt oder zu Ende gedacht. Ich habe mich beim Lesen einfach drüber geärgert und auch, wenn ich das Buch wirklich eingesogen habe, halte ich es für den schwächsten Band der Reihe um Robert Langdon. Klar kann man es lesen, ich rate niemandem davon ab, aber ein leicht schales Gefühl bleibt zumindest bei mir beim Lesen zurück.

Johanna Spyri - Schloss Wildenstein

Johanna Spyris Name wird auf immer und ewig mit nur einem Buch verknüpft werden: „Heidi“. Dass sie noch andere Bücher geschrieben hat, geht ziemlich unter, dabei finde ich seit meinem zehnten Lebensjahr, dass sie ein viel besseres und spannenderes Werk hinterlassen hat: „Schloss Wildenstein“.
In einem idyllischen Bergdorf wachsen die Kinder der Familie Bergmann auf. Ihre verwitwete Mutter hat so ihre Mühe mit den fünfen: mit Bruno, dessen Gerechtsgkeitssinn mit einem cholerischen Temperament einhergeht, das ihn immer wieder in Probleme stürzt; Mea, die Nachdenkliche, die sich nichts sehnlicher wünscht als eine Freundin; Kurt, der sich seine gute Laune und seinen Hang zu Streichen durch nichts verderben lässt; Lippo, der Regeln und Ordnung über alles liebt; und Mätzli, die Kleinste, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie alle wachsen auf im Schatten von Schloss Wildenstein, das seit einer Familientragödie vor zwanzig Jahren leer steht. Doch nun heißt es, der Besitzer sei zurückgekehrt – oder ist es doch der Geist des Blutigen Barons, wie es Kurt vermutet?
„Schloss Wildenstein“ ist zunächst einmal ein unglaublich idyllischer Kinderroman, der immer haarscharf an der Grenze zum Alpenkitsch entlangschrammt. Was mich heute an dem Buch so fasziniert ist, dass Johanna Spyri die Kinderfiguren sehr ernst nimmt und auch deutlich Kritik übt an Erziehungsmethoden ihrer Zeit. Strafen, die in erster Linie Schande bringen sollen, die alte „Kinder soll man sehen, aber nicht hören“-Maxime, Freundschaften nach Nutzen auszuwählen statt nach Sympathie – all das wird im Buch angesprochen und dabei wird auf den moralischen Zeigefinger verzichtet, statt dessen durch die Praxis gezeigt, dass es auch anders funktioniert. FürKinder ist das Buch gediegen gruselig und mit symathischen Figuren versehen, auch wenn man vielleicht heute nicht mehr ganz so vertraut ist mit dem Leben zu Zeiten Johanna Spyris. Ich mag das Buch, weil es eine schöne Erinnerung an Sonntagnachmittage ist und ich leichte nostalgische Anfälle besser in den Griff bekomme, wenn es lese ;-)

Hans Bankl - Kolumbus brachte nicht nur die Tomate

Ich bin, das muss ich zugeben, ein Fan von relativ unnötigem Wissen, das sich in Unterhaltungen gelegentlich einfließen lässt und beim Gegenüber Bewunderung, Respekt und Verblüffung gleichzeitig hervorruft. Deshalb liebe ich die Bücher von Bill Bryson so, sie versorgen mich mit genau diesen Informationen. Eine sehr nette Freundin hat mir zum Geburtstag ein Buch verehrt, das ebenfalls in dieser Horn stößt, allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen. Hans Bankl ist ein Verfechter des Generalwissens, das heißt, für ihn gehören bestimmte Wissensbereiche zu einem allgemeinen Gut, das jeder besitzen sollte, und dazu gehört auch, bestimmte Fehlinformationen aus der Geschichte geraderücken zu können und einen gewissen Anekdotenschatz bereithalten zu können, der einen jede Cocktailrunde überleben lässt.
Genau das möchte „Kolumbus mochte nicht nur die Tomate“ erreichen, wobei ich sagen muss, dass das Buch gelegentlich schon seeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehr klugscheißerisch wirkt. Das liegt vor allem daran, dass das Buch an einer Reihe von Fragen aufgezogen wird, die am Anfang des Kapitels gestellt werden, oder mit Hilfe eines biographischen Rätsels, das dann erst im nächsten Unterkapitel gelöst wird. Mich hat das beim Lesen sehr angestrengt, weil es mich immer wieder aus dem Lesefluss geworfen hat, die Idee klingt also in der Theorie besser als in der Umsetzung. Dazu kommt, dass das Buch zumindest für mich nicht allzu viel neuen Input geboten hat, ich Wissensschwamm sauge sowieso ziemlich viele absurde Geschichtsdetails auf und bin deshalb eher selten überrascht worden. Von daher ist das Buch für mich kein Muss, aber nett für zwischendurch mal Reinschauen ;-)

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Doodle des Tages


Google ändert ja immer mal wieder sein Logo ab, um auf bestimmte Jahreatage hinzuweisen und ich nehme es zum Anlass, eine neue kategorie einzuführen, nämlich das Tagesdoodle, das in irgnedeiner Art und Weise Bezug zu meinem Blog aufweisen kann ;-)

Heute ist es also der etwas ungerade Jahrestag der Erstveröffnetlichung von "Moby Dick". Ah, der Wal. Oder so. Hat eigentlich irgendjemand in den letzten Jahrzehnten das Buch gelesen? ich gestehe, dass es zu den Werken gehört, an denen ich kläglich gescheitert bin. Nicht einmal "Die Elenden" von Victor Hugo fand ich so einschläfernd (und der ergeht sich immerhin zwei Kapitel lang über die Geschichte der Pariser Kanalisation!) wie Hermann Melvilles epochales Werk über den Walfang. Und damit meine ich Walfang, bereits nach einem Drittel des Romans hätte ich selbst ein Schiff ausrüsten und auf ahabs Spuren weilen können - deshalb wurde es mir irgendwann zu viel. So kann ich nur verkünden, dass ich dank "Moby Dick" zumindest meinem Meerschwinchen den klanvollen Namen Queequag verpassen konnte, ansonstne aber wirklich noch etwas Zeit benötige, um mich mit dem Roman zu befassen :-)

Montag, 15. Oktober 2012

Ein Händchen für Dialoge

Ich korrigiere seit dem Wochenende die Übungsaufsätze meiner fünften Klasse für die Schulaufgabe. Neben einigen Schülern, bei denen Hopfen und Malz der Fantasie einfach eingegangen zu sein scheinen, habe ich auch einige echte Könige des Schreibens unter meinen Schülern, die mich schmunzeln, staunen und gelgetlich den Hut ziehen lassen. Geschrieben werden sollten Aufsätze zu einer altbekannten Bildergeschichte nach e.o.plauen.

Einige meiner Schüler haben dabei ein echtes Händchen für stimmige Dialoggestaltung.

"Fertig, wollen wir fahren?" Während er das sagte, zwang er sein Gesicht zu einem schmerzhaft wirkenden Lächeln.
"Meinetwegen."
"Du kleiner Bengel, mach nicht so 'nen doofen Satzbau, sag klar und deutlich ja oder nein."


Klaus setzte sich auf den Schlitten. "Sohnemann, du weißt, ich hab Ischias, wehe, es knackst in meinem Rücken, dann knackst es bei dir!"


Samstag, 13. Oktober 2012

ohne Worte



Ich habe den gestrigen Abedn damit verbracht, auf youtube alles über "Der Hobbit" anzuschauen - ich kann den dezember nicht mehr abwarten. Seit ich zum ersten Mal "Der Herr der Ringe" gesehen habe, weiß ich, dass Peter Jackson und ich irgendwelche Gehirnwindungen teilen müssen, denn das war genau das, was ich immer vor Augen hatte. Und jetzt noch "Der Hobbit" mit Martin Freeman als besonderem Goodie - kleine Dinge können so glücklich machen

Dienstag, 9. Oktober 2012

Rebecca Gablé - Der dunkle Thron

Die Warringham-Saga geht einem fulminanten Ende entgegen. Doch anfangs weist noch nichts darauf hin. Nicholas of Warringham, der zwar den Charme seiner Vorfahren geerbt hat, nicht jedoch deren Vermögen geerbt hat, ist grade einmal fünfzehn Jahre alt, als sein Leben sich über Nacht auf den Kopf stellt. Seine Stiefmutter ist sowieso nicht sehr begeistert vom Landleben und das heruntergekommene einstige Vorzeigesgestüt der Warringhams steht vor der Pleite. Und dann wird auch noch der Vater wegen Häresie vom König verhaftet und stirbt im Tower zu London. Um die Sache noch zu verschlimmern, stellt sich Nicholas auch noch auf die völlig falsche Seite im kurz darauf ausbrechenden Streit um Scheidung oder Nicht-Scheidung des englischen Königs und unterstützt Katarina von Aragon und ihre Tochter Mary. Und damit sind die Warringhams wieder einmal mitten drin in den Intrigen der Mächtigen und den Ereignissen der englischen Geschichte, die man nur ungefähr aus dem Geschichtsunterricht kennt.
Uiuiui, da hat sie sich aber an etwas gewagt, die gute Frau Gablé – sagt sie doch von sich selbst, Heinrich VIII. für den größten Mistkerl auf dem englischen Thron zu halten und insgesamt der englischen Renaissance nicht viel abgewinnen zu können. Und dennoch siedelt sie diese Warringham-Saga genau in dieser Zeit des Umsturzes an, die eigentlich wie geschaffen zu sein scheint für den Niedergang und Wiederaufstieg dieses Geschlechts von Pferdezüchtern. Was ich dieses Mal wirklich bewundert habe, war der Blick ins Personenregister, das in ihren Romanen immer am Beginn steht: dieser Roman setzt sich – mit wenigen Ausnahmen – fast vollständig aus den Handlungen realer Personen zusammen, die lediglich an den Stellen durch erfundene Figuren ergänzt werden, die nicht durch Quellen belegt werden können. Gerade das macht ihre Romane so interessant und bringt so viel Atmosphäre ins Buch, dass sehr viel einfach nicht direkt erfunden ist sondern zum Beispiel Szenen wie Krönungen nach Quellenlage geschildert werden und lediglich durch die Phantasie der Autorin etwas ausgeschmückt sind. In „Der dunkel Thron“ steht vor allem eine Person im Vordergrund, die von der Geschichte nicht unbedingt sympathisch behandelt wird, nämlich Mary Tudor, die erste Tochter Heinrich VIII. Wir kennen sie nur als „Bloody Mary“, aber Rebecca Gablé versucht die Antwort zu geben, warum sich dieses Mädchen zu einer so überzeugten Vertreterin des Katholizismus entwicklen konnte. Diese Darstellung der Tudors hat nichts zu tun mit der Fernsehserie – allein die Beschreibung des im Laufe seines Lebens immer widerlich werdenden Heinrich VIII. lässt einem das Essen zum Teil wieder hochkommen – und die detaillierte Schilderung diverser Hinrichtungen in allen grausamen Details (Merke: Wenn du hingerichtet wirst, bete darum, einen erfahrenen Henker zu bekommen, der dir den Kopf abschlägt!) führt zu manchem Schauer. Gablé ist eine gute Erzählerin, sie schafft Witz und Ironie und gleichzeitig immer ein glaubwürdiges Ambiente. Ich mag ihre Erzählstimme sehr gerne und freue mich jedes Mal darauf, ein neues Buch von ihr zu lesen. Auch wenn mit den Warringhams Schluss ist, wird sie mich hoffentlich noch oft nach England entführen – und gerne auch wieder in die Renaissance, die durchaus spannend ist.


Ferdinand von Schirach - Schuld

Mein Göttergatte ist nicht nur ein hervorragender Koch, sondern vor allem und in erster Linie Jurist. Das heißt, dass ich seit zehn Jahren regelmäßig das Vergnügen habe, juristischen Fachsimpeleien zu lauschen, da unser gesamter Freundeskreis sich hauptsächlich aus Rechtsanwälten und Jura-Doktoranden zusammensetzt. Ja, das ist nicht schön, aber es bringt auch einem Nicht-Juristen bestimmte Dinge bei, die für Anwälte zur selbstverständlichen Denkweise gehören. Zum Beispiel das Wissen, dass Rechtssprechung und moralisches Recht nicht automatisch deckungsgleich sind.
Ähnliche Betrachtungen müssen Ferdinand von Schirach dazu getrieben haben, Bücher zu schreiben. „Schuld“ war der erste von zwei Bänden, in denen er eine Reihe von Fällen aus seiner Strafrechtspraxis schildert, die in diesem irritierenden Verhältnis stehen. Die Frage, ob individuelle Schuld messbar ist, ob jeder Schuldige bestraft werden muss und kann, stellt sich irgendwann jedem Juristen und von Schriach nimmt seine Leser mit in diese Zwickmühle. Allerdings krankt das Buch – ähnlich wie ich es schon bei „Der Fall Collini“ bemängelt habe – am bemüht-blumigen Stil von Schirachs. Ich vermute, dass er versucht, um seine eigentliche Schreibweise (knochentrockenes Juristendeutsch) herumzuschreiben und einen für den Leser angenehmeren Stil zu schaffen. Mich nervt der aber, vor allem der Einsatz eines Ich-Erzählers, der für mich irgendwie wenig juristisch-authentisch wirkt, sondern mehr wie der hilflose Versuch, eine Gewissensinstanz zu schaffen, die den Leser abholen kann. Mir gefallen die Bücher von Schirachs nicht wirklich gut, aber es scheint genügend Publikum zu geben – vielleicht bin ich einfach übersättigt von Juristen und ihren Erzählungen.


Jürgen Trimborn - Arno Breker. Der Künstler und die Macht

Über Arno Breker stolpere ich quasi mindestens einmal die Woche, wenn ich bei meinem Nebenjob als Stadtführer unterwegs bin. Also lag es nahe, mich endlich mal mit seiner Biographie auseinanderzusetzen und da trifft es sich ganz gut, dass Jürgen Trimborn erst vor kurzem eine solche vorgelegt hat. Trimborn nimmt für sich in Anspruch, die erste vollstände Biographie über den Bildhauer vorzulegen und vor allem seine Verstrickungen in die politische Ebene des Nationalsozialismus aufzuzeigen. Das gelingt ihm auch, die selbstgeschaffene Legende des unpolitischen Künstlers, an der neben Breker auch viele andere Künstler der Dreißiger Jahre gestrickt haben, wird in diesem Buch zumindest sehr stark in Frage gestellt.
Sorgfältige Recherche hat Jürgen Trimborn in jedem Fall betrieben, das Anmerkungsregister und die Quellenübersicht sind ja schon fast so dick wie das halbe Buch. Allerdings ist das gelgetnlich auch ein riesiges Problem beim Buch – Trimborn belegt alles mit mindestens einer Quelle. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sehr gut, vom Standpunkt ei nes Lesers allerdings mitunter problematisch. Die Augen gehen einem ziemlich über von den Fußnoten, die dann allerdings nur gesammelt am Ende des Buches nachgeschlagen werden können. Das hat mich ehrlich gesagt ziemlich genervt, ebenso wie die Tatsache, dass in den Fußnoten selten noch eine Zusatzerklärung erfolgt.
Nichtsdestotrotz ist die Biographie hochinteressant. Breker gehört für mich zu der Kategorie der für mich unsympathischsten Nationalsozialisten, den Karrieremenschen, die für eine Karriere im Staat auch im Notfall ihre eigene Großmutter verkaufen würden (oder, wie Breker es tatsächlich tat, die Witwe von Max Liebermann opfern). Dass er nach 1945 eine extrem gute Künstlerkarriere fortführen konnte und sich damals auch in meiner Heimatstadt mit einer Skulptur verewigen durfte, ist mir dabei noch fast am wenigstens aufgestoßen – bereits sein Verhalten im Nationalsozialismus ist einfach nur widerwärtig immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Wer gerne Biographienh liest, sollte sich durch diese auf jeden Fall durcharbeiten!