Freitag, 1. Juni 2012

Ben Becker - Na und, ich tanze

So, wieder einmal eine Biographie – welch Wunder. Ich habe ja allmählich das Gefühl, dass ich hier einen fast schon monothematischen Blog für Thriller und Biographien führe  Aber das macht nichts, das ist schön und das lese ich eben nunmal sehr gerne. Und genau deshalb habe ich mir aus der Stadtbibliothek neben vielen anderen Kleinigkeiten auch dieses Buch mitgenommen.
„Na und, ich tanze“ ist ein sehr langes Selbstgespräch, das Ben Becker mit sich führt. Und gleichzeitig mit dem Leser. Ben Becker trägt trotz über 40 Lebensjahren immer noch den Titel des „enfant terrible“ der deutschen Filmlandschaft und er setzt mit diesem Buch alles daran, diesen Ruf auf der einen Seite zu beweisen und auf der anderen Seite zu demontieren. Denn wer da zu dir spricht, das ist eben kein Kind mehr, sondern ein sehr erwachsener Mann, der ein Leben führt, das alle Extreme kennt und kennen will. Und vielleicht ist es sogar eine Möglichkeit, zu verstehen, warum er dieses Leben so und nicht anders führt.
Eine „normale“ Kindheit hat er nicht. Das ist auch nicht möglich, wenn die Eltern beide Schauspieler sind und sich einer davon sehr stark in der linken Szene engagiert. Das ist auch nicht möglich, wenn der Vater irgendwo zwischen Despotie und Laissez-faire schwankt, die Mutter plötzlich die Koffer packt und zu einem anderen Mann abhaut (der zum damaligen Zeitpunkt den Ruf hat, alles mitzunehmen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist), man selbst grade dabei ist, sich zu finden und seine Grenzen auszutesten. So wird Ben zum Punk, zum Skin, zum Schulabbrecher, und landet auf vielen Umwegen doch bei dem, was ihm in die Wiege gelegt wurde: beim Theater. Er nimmt immer noch mit, was er findet, lebt zwischen Drogen und seinen neuen Projekten, macht, was ihm grade durch den Kopf kommt, und hat dabei das Glück immer wieder auf die Füße zu fallen. Er tanzt durchs Leben, egal, was passiert, er weiß, was er gemacht hat und was er nicht mehr machen wird – und nimmt den Leser dabei einfach mit.

Manchmal tut man sich schwer damit, das alles so ungefiltert zu lesen, grade die Beschreibungen von Ladendiebstählen, Drogenerfahrungen und auch der ein oder andere Seitenhieb auf Kollegen waren wirklich irritierend, da sie nicht reflektiert werden, sondern aus der Situation heraus völlig normal und fast schon nebensächlich abgehandelt werden, während man selbst fragt: Sag mal, Junge, was hat dich da nur geritten? Diese Frage wird im Buch nicht beantwortet, Ben Becker ist nicht der Typ für Analysen, das weiß und sagt er selbst, so dass man als Leser nicht nur einfach reingeschmissen wird in dieses Leben, sondern sehr real die Erfahrung macht, damit jetzt einfach umgehen zu müssen, weil das leben halt nunmal weitergeht und nicht wartet, bis man seine eigene Erklärung gefunden hat. Und vielleicht ist es das, was man letzten Endes aus dem Buch mitnimmt, abgesehen von vielen, vielen auch komischen Anekdoten rund um die Patchworkfamilie Becker-Sander: dass das Leben weitergeht, auch wenn man grad was anderes vorhat.


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