Diese Rezension fällt jetzt ein wenig anders aus als andere. Sie ist ein offener Brief an Dan Simmons, den realen 1925Dan Simmons, und sie enthält - das vorneweg - einige Spoiler!!
Lieber Mr.Simmons,
als ich die Möglichkeit bekommen habe, mir ein Buch als Rezensionsexemplar auszusuchen, habe ich das VErlagsprogramm von Heyne durchsucht und bin bei Ihrem Buch sofort hängengeblieben. Denn das Buch, so steht es im Klappentext, spiel am Mount Everest. Sie sollten wissen, dass ich seit meinem 12 Lebensjahr zwei Helden habe, die Edmund Hillary und Tenseng Nrgay heißen. Ich konsumiere Bücher über den Everest wie andere Leute Süßigkeiten, und auch die Namen Irving und Mallory sind mir mehr als vertraut. Deshalb habe ich mich wahnsinnig gefreut, ein Buch lesen zu dürfen, das die missglückte Expedition von Mallory und Irving thematisiert ...
Ja, und dann begann das Drama. Zunächst einmal damit, dass mir aus nicht völlig nachvollziehbaren Gründen ein Gegenwartsplot geschenkt wird, in welchem ein Autor namens Dan Simmons die Bekanntschaft eines alten Herren macht, der ihm etwas über eine Südpolexpedition 1927 erzählt und ihm am Ende einige Notizen zukommen lässt, in denen er Dan Simmons erzählt, wie er 1925 gemeinsam mit einem Franzosen und einem Briten zu einer Mount-Everest-Expedition aufbricht. Auslöser ist es, dass man die Leiche des parallel zu Mallory und Irving verschwundenen Reggie Bramley finden will, abr eigentlich haben die drei einfach nur vor, auf den Berg zu klettern und den Gipfel zu erreichen. Ihnen schließt sich Reggies Cousine an (die natürlicheine perfeke Schönheit aus Indien ist). Bis die vier dann mal aufbrechen, vergingen im Buch über die Hälfte der Seiten. Diese Seiten zogen sich stellenweise zäh wie Kaugummi, wenn seitenlang über die Vorteile des ShackletonAnoraks schwadroniert wird, der Erzähler Jacob rumheult, wie amerikanisch er sich findet, der >Franzose Jean-Pierre doofe Witze reißt oder - mein Favorit - sich Diakon Richard Deacon merkwürdig verhält. Das tut er nämlich mit Vorliebe, der lte Haudegen. Ich bin mir unsicher, ob die reichlich dämlichen Versuche, französsichen Akzent zu imitieren, auf den Übersetzer zurückgehen oder auch im Original vorkommen, aber bitte, bitte, bitte - machen Sie das nie wieder!!
Als die vier dann endlich mal am Berg ankommen und loslegen, fiel Ihnen vielleicht ein, dass eine reine Beschreibung der Qualen und des Scheitersn am Everest (denn schließlich wurde das Ding anchweislich erst von Hillary und Norgay bezwungen) vielleicht nicht alle Leser fesseln kann. Und deshalb suchten Sie nach einer Handlung.
Das ist nachvollziehbar, ein Autor muss von seinem Buch leben können und will, dass es sich gut verkauft.
Aber mal ehrlich - haben Sie das Buch unter Sauerstoffmangel geschrieben???
Denn jetzt beginnt die Spionagegeschichte in 8500 Metern Höhe. Es treten auf: Als Yeti verkleidete Nazis, ein nepalesischer Heckenräuber mit dem schönen Namen Jimmy Chang, und ein tapferes Expeditionsteam. Denn der gute Reggie war eigentlich Spion im Dienste - nein, nicht Ihrer Majestät, sondern Winston Churchills (natürlich. Churchill. Das Buch spielt ungefähr in den Dreißiger Jahren, werden Sie gedacht haben, da braucht man Churchill einfach). Und er hat ... Mr. Simmons im Ernst? Kinderponos mit Adolf Hitler? Was genau haben Sie sich gedacht? Mal ganz abgesehen davon, dass die NSDAP und Hitler zum Zeitpunkt des Romans eine so unbedeutende Splitterpartei waren, dass sich kein Schwein für sie interessiert hat ...
Die letzten hundert Seiten habe ich effektiv nur noch drauf gewartet, dass der Berg in die Luft fliegt, weil er eigentlich ein Vulkan oder wahlweise ein verstecktes Atomwafffentestlabor der Nazis ist. Stattdessen muss sich die indische Schönheit auf dem Gipfel nackig machen, die Nazis werden angemessen vernichtet und kreischen wie Babys, während die heldenhaften Expeditionisten den Mount Everest nur so rauf und runterkraxeln. Und das, wo Jacob zuvor dreihundert Seiten lamentiert, dass er den geringen Sauerstoff auf 800 Metern kaum aushält - aber zum dramatischen Showdown hustet er mal kurz seinen Kehlkopfknorpel aus und ist fit wie ein Turnschuh!
Wenn Sie das Ganze wenigstens in die EigerNordwand gesetzt hätten. Die ist weniger hoch und irhe Erstbesteigung war ebenso spektakulär. Aber dann htte man ja weniger "wilde Sitten aus Nepal" einbringen können.
Bitte, Mr. Simmons, schreiben Sie nie wieder so ein Buch. Machen Sie ein bisschen Urlaub, vielleicht sogar in den Bergen. Aber bitte lassen Sie den Mount Everest zufrieden. Die Yetis werden es Ihnen danken.
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