Märchenkönig. Unser "Kini". Die menschenscheue Künstlerseele. Der Verrückte mit dem Bauspleen. Der durchgeknallte Bruder vom noch durchgeknallteren Otto. Kaum eine historische Figure hat mehr unterschiedliche Zuschreibungen erhalten als Ludwig II., Bauherr von gleich drei Schlössern und seit seinem Tod im Starnberger See von Spekulationen umgeben, die es einem Biografen nicht unbedingt einfach machen.
Zum Glück hat sich Oliver Hilmes dieser Aufgabe angenommen, der mit seinen Biografien bisher geschafft hat, die ausgewählte Persönlichkeit in kraftvollen, aber nie übertriebenden Farben zurück ins Leben zu holen. Auch diese Biografie hier ist hervorragend recherchiert (Hilmes durfte viele Akten, die im Geheimen Staatsarchiv des Hauses Wittelsbach einlagern, erstmals auswerten) und Hilmes zeigt auch sehr genau, welche Quellen er verwendet, begründet, warum er Aussagen für glaubhaft hält und andere weniger, und vor allem: er schildert den letzten Lebenstag Ludwigs in nur sehr wenigen Sätzen, nämlich mit den Ereignissen, für die es definitive Belege gibt.
Dass die Biografie mich trotzdem nicht so ganz begeistern konnte, ist einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass sie hier und da erhebliche Längen aufweist, wenn sie sich der Beschreibung der politischen Situation und des politischen Klüngelspiels der Reichsgründung 1871 widmet - das war für mich beim Lesen wenig druchschaubar und ich gebe zu, dass ich da dann nicht mehr ganz so aufmerksam gelesen habe. Denn vielmehr hat mich interessiert, warum Hilmes diesen Untertitel vom "unzeitgemäßen König" gewählt hat.
Ludwig II., so der Autor, hat das große Problem, in einer vollständigen Zeitenwende zu leben, die seinen eigenen Vorstellungen von der Monarchie und vom König völlig widerspricht. Aufgezogen in dem festen Glauben an die Unumstößlichkeit der Monarchie und der Heiligkeit seines Amtes, ist er gleichzeitg ein extrem intorvertierter Mensch. Als er mit grade einmal 19 die Nachfolge seines Vaters antreten muss, kommt somit ein Mann auf den Thron, der genaue Vorstellungen von der Königswürde hat, darüber hinaus aber sehr abhängig von seinen Beratern und Minitersn wird. Als mti der Reichsgründung 1871 seine Monarchie ihre selbstempfundene Alleinherrschaft aufgeben muss, zeigt sich, wie sehr Ludwig letztlich im Absolutismus verhaftet geblieben ist (und das, obwohl selbst der in Bayern schon lange aus der Mode gekommen war). Seine Leidenschaft für Kunst rückt für ihn in den Mittelpunkt, die Bauprojekte sind der Versuch, die glorreiche Vergangenheit der Monarchie zurückzuholen - nicht umsonst nimmt er sich immer wieder den absolutistischen Königshof der vorrevolutionären Frankreichs zum Vorbild. Für mich völlig neu war, dass Ludwig sogar darüber nachdachte, außerhalb Bayerns eine neue Monarchei im strengen Absolutismus zu errichten - na ein Glück für Afghanistan, Korfu oder Südamerika (die alle als Kandidaten in Frage kamen). Diese These kann Hilmes das Buch über wirklich gut belegen und spekuliert nur serh wenig über die Frage "verrückt oder nicht". Immerhin ist Ludwigs Burder Otto zeit seines Lebens dank seiner Schizophrenie in psychiatrischer Pflege, auch eine weitere Tante hat schizophrene Züge, und die Obduktion Ludwigs ergibt, so die Auswertung des Protokolls, Gehirnveränderungen, die durchaus die Schlussfolgerung zulassen, dass Ludwig ebenfalls eine Krankheit hatte, die ähnlich wie Alzheimer das Gehirn zersetzt und vor allem seine am Lebensende extrem häufigen, brutalen und letztlich völlig absurden Wutausbrüche und Fressattacken erklären würde. Aber Hilmes stellt das dar, erklärt es aber nicht zur endgültigen Lösung - hervorragende Arbeit für einen Biografen!
Insgesamt ist das Buch wirklich gut als Biografie. Es ist die erste Biografie über einen Politiker, die Hilmes verfasst hat, hat also hier und da politische Längen. Aber letztlich wieder einmal der Beweis, das der Mann es einfach drauf hat!
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