Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim »Circle«, einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »weisen drei Männer«, die den Konzern leiten – wird die Welt eine bessere. Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterne-Köche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze …
Ich bin auf dieses Buch durch Zufall gestoßen, weil es mir als Lieblingsbuch empfohlen wurde. Runtergeladen auf meinen erader war es schnell, gelesen noch schneller - und seitdem bin ich am Überlegen, was ich dazu Schlaues sagen kann. Zuerst einmal vorneweg: ich bin begeistert und das Buch landet definitiv auch auf meiner Liste der ewig empfehlenswerten Bücher. Das liegt sicher nicht an der Figurenzeichnung (sehr oberflächlich) oder dem besonders eloquenten Sprachstil. Nein, es ist die Idee der Geschichte, die mich so sehr beschäftigt.
Ich bin bei facebook. Ich bin bei instagram. Ich schreibe regelmäßig in einem Forum, von dem mich etliche Mitglieder persönlich kennen und/oder meine Adresse durch diverse Wichtelaktionen haben. Ich betreibe einen Blog über meine Lieblingsbücher. Ich habe amazon-Account und Netflixzugang, ich besitze eine Punktesammelkarte. Kurz gesagt: Ich hinterlasse täglich meine Spuren im Internet und mit Sicherheit ist es relativ einfach, Dinge über mich herauszufinden, wenn man weiß wie. Keine dieser einzelnen geteilten Informationen ist mir peinlich oder es wäre mir unangenehm, wenn jmand es weiß. Aber wie sieht das aus, wenn jemand plötzlich alle diese Informationen auf einmal über mich haben kann? Würde ich dann immer noch sagen "ich hab ja nichts zu verbergen?" Wann weiß "das Internet" zuviel über mich? Und vor allem: kann ich wirklich davon ausgehen, dass alle diese Informationen so völlig unnötig sind und niemanden interessieren?
Mae geht diesen Fragen die Mehrheit des Buchs wirklich gekonnt aus dem Weg und wird mehr und mehr zu einer gläsernen Person. Dass sie dabei aber auch Informationen über andere automatisch mit herausgibt (die Krankheit ihres Vaters, Gedanken und Gefühle ihres Exfreundes, und dergleichen mehr), scheint ihr wirklich egal zu sein. Vielleicht bemerkt sie es gar nicht mal, was ihre eigene Unbekümmertheit für Auswirkungen hat, bis dann ein (meiner Meinung nach jedoch reichlich an den Haaren herbeigezogenes) Unglück passiert. Aber selbst das lässt sie nur kurz mal Stocken. Wenig wird die Frage gestellt, ob und inwiefern Menschen von den Likes und Kommentaren ihrer Follower abhängig sein könnten. Genau das ist es aber meiner Meinung nach, was bei Mae, die sich anfangs völlig unterfordert in ihrem alten Job gefühlt hat, auch dazu beiträgt, dass sie so gutgläubig in die enge Verflechtung stolpert, in der sie sich am Ende verheddert.
Mich beschäftigen so viele einzelne Szenen aus dem Buch immer noch. Viele der Erfindungen des Circle sind gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen - grade eben lief bei facebook eine Werung für mich rein, in der ein Armband für Kinder beworben wird, das den Eltern per App jederzeit Miteilungen gibt über den Standort aber auch Atmung, Blutdruck und Herzschlag. Als jemand, der immer noch gelegentlich nachts hochschreckt, weil das Kind mal zur Abwechslung länger schläft, denke ich zuerst: klasse, jetzt kann ich wenigstens immer wissen, ob es ihm gut geht. Als Leser des Buchs denke ich mir: Was, wenn die Schule solche Bändchen obligatorisch machen würde? Nein, wirklich los lässt mich das Buch nicht und ich werde vermutlich noch bis Ende des Jahres daran zu knabbern haben.
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