SPOILERWARNUNG!!!!
Die folgende Rezension enthält genaue Verläufe der Buchhandlung und wird auch nicht davor zurückschrecken, das Ende zu verraten!!!
Gut, jetzt seid ihr gewarnt. Begleitet mich also nach Irland ...
Dort treffen wir, idyllisch auf einer irischen Klippe positioniert, Grania. (Bei der Auswahl von Heldinnen-Namen immer darauf achten, dass der Name maximal individuell klingt. Er muss dabei weder zur Herkunft der Person passen noch zum Nachnamen.) Grania leidet. Woran sie leidet, das erfährt der Leser in quälend langen Passagen, die er sich selbst zusammenreimen muss. Anscheinend war Grania schwanger und hatte eine Fehlgeburt. Ja, das ist tragisch. Doch Grania packte daraufhin sofort die Koffer, verließ ihren Psychologen-Lebensgefährten in New York und kehrte zu ihren Eltern zurück. In das irische Provinznest an den Klippen, aus welchem sie im zarten Alter von achtzehn entfloh. Aber egal. So ein bisschen Landluft schadet ja nicht.
Sinnierend steht Grania also an der Klippe, als sie auf Aurora trifft. Aurora ist nicht nur bezaubern und traumatisiert und zehn Jahre alt, sie ist auch, wie sich im Laufe der Handlung herausstellen wird, die eigentliche Erzählerin der Geschichte - was erklären könnte, warum sich das Buch streckenweise so spannend liest wie ein "Mein schönes Ferienerlebnis"-Aufsatz. Darüber hinaus ist sie altklug bis zum Gehtnichtmehr - also genau das Mädchen, mit dem man sich anfreunden will, oder? Grania zumindest will das, obwohl ihre Mutter das total doof findet.
Grania-Herzchen jedenfalls besucht Aurora im Herrenhaus und auch Papa Alexander (also Granias Papa) findet das voll dufte, dass da plötzlich so eine dahergelaufene New Yorker Künstlerin im Haus rumschwirrt. Denn schließlich ist Aurora ja traumatisiert von Mamas Tod und Alexander eigentlich auch, deshalb holen wir doch mal die Künstlerin als Gouvernante ins Herrenhaus. Fühlt sich noch jemand ein wenig an die Brontes erinnert?
Und weil es sich jetzt anbietet, taucht Mama auf und liefert ein paar Briefe ab, damit Grania erkennt, wie böse die Lisles sind. Für die hat nämlich mal Granias Uroma Mary gearbeitet. Und dann wird sie zum Kindermädchen der neugeborenen Anna, die das Familienoberhaupt mal so eben aus Russland mitgebracht hat, schließlich schreiben wir 1914 und ihre Mutter, selbstverständlich Primaballerina, und ihr Vater, irgendein anonymes verheiratetes Mitglied der Zarenfamilie, haben ihn gebeten, sich um das Mädchen zu kümmern. Also wird Anna erzogen und stellt sich schon bald als eine so bezaubernde, so gute, so gütige und so tanztalentierte Ersatztochter heraus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Schicksal zuschlägt. In diesem Fall durch eine böse Stiefmutter, die - welch Graus!!! - Mary entlässt und Anna auf ein Internat schickt, wo sie - Schockschwerenot! -
Deshalb fakt Mary also mal kurz Annas Tod (drunter macht es Lucinda Riley einfach nicht!) und die Lisles verlassen die Handlung des Romans. Anna und Mary leben alsdann in der wundervollen Eintracht von Mutter und Tochter, und dann wird sogar geheiratet - ein (ebenso wie Anna) stotternder kriegsheimkehrer, der sich nach Werben und Heirat als reicher, ach was, als stinkreichster Erbe Londons entpuppt. Hurra, hurra, hurra.
Doch auch dieses Glück währt nicht lange. Anna, die aufkommende Primaballerina, und ihre Mutter überwerfen sich und Mutti und kleine Schwester ziehen um nach Irland, nachdem Papi Selbstmord begangen hat (versthe irgendjemand, wieso er den Selbstmord begeht, nachdem ihm mitgeteilt wird, dass seine Invalidenrente erhöht worden ist???). und ja, diese ganze Entwicklung wir genau so hopplahopp geschildert wie der Absatz hier, mit Figurenentwicklung und nachvollziehbaren Motiven hält sich Lucinda einfach nicht auf.
Zurück zu Grania. Inzwischen ist schon fast ein Jahr vorbei (hat Mama echt so lange erzählt? Nein, natürlich nicht, ich raffe jetzt hier ein wenig). Granias Ex hat seine Ex geschwängert - oder auch nicht, der Leser ahnt bereits durch subtilste Andeutungen ("Oh, ich kenn dich, ich hab dich doch im Krankenhaus in der Abteilung für künstliche Befruchtungen gesehen!"), dass hier ein Betrug versucht wird. Die nächsten Seiten lesen sich dann, ungelogen folgendermaßen:
"bla bla bla -... oh Grania, ich liebe meine verstorbene Frau so sehr, wenn ich nur wüste, warum sie so ein Psycho war, dass wir sie in die Klapse haben einweisen müssen, ach ja, pass mal wieder auf meine Tochter (inwzischen nicht mehr traumatisiert, denn sie hat - oh Wunder - Ballettstunden genommen) auf, während ich in die Schweiz gehe, oh komm bitte auch in die Schweiz, heirate mich, ich habe übrigens einen inoperablen Gehirntumor und werde in zwei Wochen sterben, hier, du erbst mein gesamtes Vermögen, bis Aurora 21 ist".
Wie bei Reich und Schön. Dramatische Großaufnahmen inklusiv. grania kommt also als reiche Erbin zurück zu Mami. Übrigens weiß Aurora nicht, dass ihr Vater tot ist, das wird dem kleinen Mädchen erstmal verschwiegen, und dass er und grania gehiratet haben, kriegt sie am telefon mitgeteilt - na, wenn das nicht pädagogisch geschickt eingefädelt ist!
Für den Leser, der hier noch nicht im Schmalz erstickt ist, folgt noch rasch die eingeschobene Erklärung, wie es mit Anna weitergeht (sie heiratet den Bruders des Mannes, der siwe damals aus Russland geholt hat, wird damit also zu Granias Großtante und kriegt ein Kind, das ist Auroras Mutter, und die wird mit 17 von ihrem Stiefbruder vergewaltigt, es wird aber Granias geisig behindertem Onkel in die Schuhe geschoben, deswegen is Auroras Mutter auch so traumatisiert ...) und Aurora haut ab zu granias Ex, damit der nach irland kommt und er und Grania sich heiraten ...
Boah, nee ey. Und wenn man dann denkt, es kann nicht noch schlimmer kommen - dann stellt sich heraus, dass Aurora, die uns das Buch jetzt erzählt, Leukämie hat und stirbt (die Familie ist echt anfällig in dem ganzen Buch wird so oder so gestorben wie in einem Dickens-Roman, ich wudnere mich, dass sie kein Opfer der Spanischen Grippe mit eingebracht hat, das hätte sich doch angeboten ...), so dass Grania wieder einmal am Rande der Klippe steht und siniert.
Dieses Buch war ... nein, nicht ganz so grausam wie "Das Orchideenhaus". Aber grauenvoll auf einer ganz anderen Ebene. Da werden alle Konflikte mit einer hand Schmalz abgerieben und das Ganze dann so grauenhaft erzählt, dass man nicht einmal drüber lachen kann.
Ich freue mich auf das nächste Werk.