Margret Nissen, geboren 1938, hat lange Jahre versucht, jede öffentliche Äußerung zu vermeiden, die sie in Verbindung zu ihrem Mädchennamen bringen könnte. Das änderte sich erst, als Heinrich Breloer den Film "Speer und Er" drehte und sie sich dadurch zum ersten Mal mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetze. Denn Margret Nissen ist nicht nur Margret Nissen, sondern vor allem auch die "Tochter Speer", viertes von sechs Kindern des Architekten und späteren Reichswirtschaftsministers Albert Speer.
In ihrer Autobiographie beschreibt sie das Aufwachsen in einer relativ friedvollen NS-Normalität, bei der man zu Hitler zum Essen geht, ansonsten aber - vermutlich dank der Mutter - relativ unpolitisch bleibt und das Rampenlicht allein dem dauerabwesenden Vater überlässt. Bezeichnenderweise ist das Buch keine Abrechnung mit dem Vater, wie es z.B. Niklas Frank macht, sondern es ist eine Beschreibung eines Lebens, in dem der Vater abwesend, gleichzeitig irgendwie präsent ist. Und genau damit hatte ich immer wieder meine Probleme beim Lesen. Margret Nissen scheint unglaublich unter ihrer Herkunft gelitten zu haben, wenn sie eine Beschäftigung damit so lange weggestoßen ha, auf der anderen Seite sind mir in dem Buch einfach keine wirklichen Gründe offenbart worden, worin dieses Leiden bestand. Ihre Kindheit nach 1945 führen sie und ihre Geschwister weiter fort wie bisher, zunächst mit weniger Geld, aber wirklich ausgegrenzt oder sonstwas werden sie wegen ihres Namens nicht - im gegenteil, die Großeltern Speer sind sehr honorige Personen, die in ihrer Stadt angesehen werden und das gilt auch für Schwiegertochter und Kinder. Drüber geredet, wer da noch zur Familie gehört, wird in den Fünfziger Jahren weder in der Familie noch in der Stadt, das Leben geht einfach weiter wie gehabt. Nur dass der Vater, der ja schon früher mehr oder weniger nur im Urlaub auftauchte und zum Held der Kinder avancierte, im Gefängnis sitzt und die Kommunikation größtenteils schriftlich abgewickelt werden muss, ist vielleicht anders - aber selbst diese Breif sind so normal, so alltäglich, so ... man kann es nicht anders sagen ... belanglos, das man sich beim Lesen immer wieder fragt, warum Margret Nissen plötzlich dieses Buch geschrieben hat. Irgendwann wird angedeutet, dass ihre frühe Hochzeit auch damit zu tun hat, dass sie ihren Mädchennamen loswerden will - aber so richtig verstehen kann man es alles nicht.
Ihr seht schon, ich hatte mir etwas mehr erwartet. Etwas mehr Auseinandersetzung, etwas mehr Autobiographie statt blabla. Deshalb von mir keine unbedingte Empfehlung ;-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.