Donnerstag, 18. Februar 2016

[Rezensionsexemplar] Lilli Beck - Glück und Glas

Im Mai 1945 kommen in einem Münchener Krankenhaus zwei Mädchen zur Welt, die aus völlig verschiedenen Gesellschaftsschichten stammen. Während Hannelore die Tochter eines Schuhfabrikanten ist, dessen Geschäft auch in den Kriegsjahren ganz gut läuft, ist Marions Mutter ausgebombt und wohnt zur Zeit im Krankenhaus als "Übungsmaterial" für die Geburtsstation. Als sich die beiden Mütter zufällig begegnen, beschließt Hannelores Mutter, die beiden zu sich zu nehmen, eine Haushälterin wird sowieso gebraucht. So wachsen die beiden Mädchen miteinander auf, werden beste Freundinnen und beginnen dennoch, sich allmählich zu entzweien, als sie unterschiedliche Lebenswege einschlagen. Wird es zu ihrem Siebzigsten Geburtstag endlich eine Versöhnung geben, nachdem die Freundschaft zerbrach?

Das Buch, das ich mir als Rezensionsexemplar bei blanvalet aussuchen durfte, klang eignetlich sehr schön. Ein Roman, der eine Geschichte von Freundschaft mit der Geschichte der Bundesrepublik verbindet - ich war sehr gespannt. Und die ersten Kapitel sind auch wirklich schön, man schnuppert das Leben in der unmittelbaren Nachkriegszeit und findet die beiden kleinen Gören doch ganz sympathisch. Okay, diese zwischengeschalteten Kapitel, in denen die jetzt siebzigjährige Marion auf ihre beste Freundin wartet, hätten nicht sein müssen - doch man ist gewillt, darüber hinwegzusehen. Aber je weiter das Leben dann voranschreitet, desto mehr wandelt sich der Roman von einer spannenden Schilderung hin zu einer wahnsinnigen Oberflächlichkeit. Marions und Hannelores Charakterzüge werden einach nur noch grob gepinselt und so wirklich warm wird man mit keiner der beiden erwachsenen Frauen. Noch schlimmer war für mich aber, dass ich - je mehr die Zeit voranschritt - das Gefühl hatte, das Buch ist entstanden mit folgendem Dialog:

"Ich will ein Buch schreiben, das zwischen 1945 und 2010 spielt."
"Hast du was drin zur APO?"
"Klar."
"Sexuelle Revolution?"
"Logisch."
"Anti-Atomkraft-Bewegung?"
"Wird mal erwähnt."
"Hausfrauenehe der Fünfziger Jahre und deren Problematik?"
"Selbstverständlich."
"Olympische Spiele 1972?"
"Was denkst du denn?"

Je näher wir ans Jahr 2010 kommen, desto mehr ergeht sich das Buch in belanglosen Erwähnungen historischer Ereignisse. Nach dem Motto "Hannelore ist schwanger. Sie ist froh, dass ihr Kind gesund ist. Das ist nicht immer der Fall. Die Zeitungen sind voll mit Fällen der Contergan-Kinder. Das ist wirklich schlimm." Ich zitiere nicht ganz im Original, aber das ist auch in etwa der Stil, in dem das Ganze gehalten ist. Sehr starke Hauptsatzreihungen, die mich als Leser immer weniger etwas erleben lassen, als mir nur Namen von früheren Marken, Namen bekannter Persönlichkeiten und Namen historischer Ereignisse um die Ohren zu hauen. Ich kam mir immer mehr vor wie beim Lesen eines Buchs "Das Jahr XY". Die Geschichte selbst wurde dabei immer oberflächlicher und erging sich letztlich in totaler Vorhersehbarkeit (ganz im Ernst, ich wusste von Anfang an, dass der Schwule natürlich in den Achtzigern AIDS bekommen muss ...) Für mich ein Roman, der meine Lesewerwartungen einfach nur enttäuscht hat, sowohl vom Stil als auch vom Aufbau der Geschichte her. :-(

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