Montag, 12. Februar 2018

[Rezensionsexemplar] Riad Sattouf - Der Araber von Morgen. Band 3

Ein Welterfolg wird fortgesetzt - der dritte Band des Bestsellers von Riad Sattouf kommt in die Buchläden! Die Mutter hält das Leben in Syrien nicht mehr aus und möchte nach Frankreich zurückkehren. Der kleine Riad erlebt, wie sein Vater hin- und hergerissen ist zwischen seiner Frau und starken arabischen Familientraditionen ...

Ich habe so lange auf diesen Band gewartet, weil mich bereits die ersten beiden sehr beeindruckt haben. Doch mit Band 3 legt Sattouf meiner Meinung nach den bislang besten Teil seiner Serie vor, da er hier nicht nur sein Alter Ego allmählich kritischer werden lässt und Dinge hinterfragen oder verstehen lässt, sondern auch Syrien und Frankreich für den kleinen Riad beide zu Orten werden, in denen er nicht ganz zugehörig wird. Dieses Zwischen-allen-Stühlen-Sitzen ist es, das Riads Leben zur Zeit beschreibt, und das in der Graphic Novel wirklich gut rüberkommt.

Auch die beiden Erwachsenen werden charakterlich weitereintwickelt und vertieft. Die Mutter, die bislang die Ideen ihres Mannes einfach mitgetragen hat, wird in Syrien zunehmend depressiver und geht, als sie erneut schwanger wird, für die Geburt nach Frankreich. Ihre Familie dort lässt zume ersten Mal Worte der Kritik an ihrem Mann und ihrer Lebenssituation hören, was von Riad nur ghört und nicht verarbeitet wird. In der syrischen Familie findet die Mutter in einer einzigen Verwandten eine Verbündete, die aber durch ihre Rolle wenig erreichen kann, aber zumindest ist sie da!
Der Vater wird immer deutlicher zerrieben zwischen seinen eigenen Ansprüchen an sich, seiner syrischen Familie und deren Erwartungen, aber auch der Realität um ihn herum, die sich nicht in Einklang bringen lässt mit seinen Erwartungen und Ideen vom moderen Arabien. Er ist immer mehr eine tragische Figur, die sein Scheitern nicht eingestehen kann und will. Anerkennung an der Universität erhält er nicht, sondern ist genauso ein kleines Rad im Betrieb der täglichen Bestechungsversuche, seine Bemühungen, ein muslimisches Leben zu führen, werden von der Außenwelt nicht als wahrhaftig empfunden und von seiner syrischen Familie verlacht, und selbst als er seine Söhne beschneiden lässt, hat er nicht den Mut, dabei zu sein, weil er sich selbst schämt für diese Handlung. Ich finde es faszinierend, wie es Sattouf gelingt, diese Widersprüchlichkeiten in einer einzigen Personen im Comic darzustellen, ohne ihn moralisch zu bewerten. Natürlich ist er ein riesier Idiot und, gemessen an westlichen Ansprüchen, ein Arschloch ohnegleichen, aber es gibt Gründe, warum er so ist.

Darin liegt die Stärke der gesamten Serie, vor allem aber dieses Bands. Es nimmt einen westlichen Leser mit in ein für ihn völlig fremd anmutendes Denksystem, indem er sich zurecht finden muss wie ein Kind. Und je länger er sich beschäftigt mit dem Vater, desto mehr bewertet er ihn nicht nur mit einem überheblichen Auge, sondern versucht zumindest, dessen Handlungen nachzuvollziehen und damit zu bewerten. Die sid immer noch nicht weise oder gelungen, aber sie sind erklärbar. Und mit diesem Ansatz tut Sattouf sehr viel dafür, den modernen vorderen Orient zu verstehen. Ich will unbedingt wissen, wie das Buch in Band 4 abgeschlossen wird!

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